laut.de-Kritik
New York ist am Arsch!
Review von Kai ButterweckMan kann dem Blues klassisch feurig zu Leibe rücken (Joe Bonamassa), ihn bisweilen zum Einschlafen zwingen (Eric Clapton) oder ihm einen rockig poppigen Background zur Seite stellen (James Bay). Man kann den Blues aber auch in die dreckige Garage ziehen, ihn mit Staub und Geröll füttern und ihn erst wieder ins Freie lassen, wenn er Gift und Galle spuckt. So jedenfalls nehmen sich Jon Spencer, Judah Bauer und Russell Simins dem Genre an, wenn sie sich mal wieder für längere Zeit in einem Studio ihrer Wahl verbarrikadieren.
Meist befindet sich ein solches in New York. Da kommen die drei schließlich her. Wow! New York! Das muss ja total geil sein! Pustekuchen. New York kann auch anders. Die Stadt kann auch wehtun, einem den Atem rauben und klaffende Wunden schlagen. Die Jon Spencer Blues Explosion weiß das nur zu gut. Und so widmet sie sich auf ihrem neuen Album "Freedom Tower: No Wave Dance Party 2015" eben jenen dunklen Geheimnissen, die meist immer erst dann zum Vorschein kommen, wenn die Illusionen erzeugenden Großstadtlichter zum Schlafen langsam erlöschen.
Der dazugehörige Soundtrack befeuert das dunkle Gedankengut un dlässt kaum Zeit zum Luftholen. Während Russel Simins den wahlweise steifen oder verzwirbelten Taktgeber mimt, präsentieren sich seine beiden Vorderleute Jon Spencer und Judah Bauer wie wutschnaubende Punkrock-Mariachis. Eine gute halbe Stunde lang schlagen die drei Verantwortlichen wie wild auf alles ein, was einen I-Love-NY-Aufkleber ziert.
Es wird geflucht, gebellt, geschrien und gefaucht. Mit dem rotzig groovenden Funk der pubertären Red Hot Chili Peppers ("Do The Get Down", "Born Bad"), dem schnodderigen Vibe der Hives ("Betty Vs. The NYPD") und dem urbanen Wumms der 70s-Punkrock-Hochzeit im Gepäck, trampeln die die Herren Spencer, Bauer und Simins so lange auf dem scharfkantigen Rückgrat ihrer Heimatstadt herum, bis es endlich kracht.
Schlussendlich kapituliert die Stadt, die niemals schläft. Zumindest der Teil von ihr, der sich gerne dunkler als die Nacht präsentiert. Derweil packen Jon Spencer und Co ihre sieben Sachen und verabschieden sich wieder von der Bildfläche. Job erledigt.
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