laut.de-Biographie
The Last Rockstars
Wer hätte im Jahre des Herren 2022 damit gerechnet, großen Aufwasch um eine Glam-Supergroup zu sehen? Ja, der Westen ist im Großen und Ganzen über die New Romantics hinweggekommen und moderner Rock hierzulande ist weit über Haarspray und androgyne Sex-Symbole hinaus. Was nicht heißt, dass nicht irgendjemand Lust darauf hat. Der Titel The Last Rockstars geizt auf jeden Fall nicht mit Ambition: Denn im Land der aufgehenden Sonne gibt es eine deutlich jüngere Glam-Generation. So kann auch ein Gespann aus vier überstyleten japanischen Rock-Opas noch einmal ein richtig großes Event sein.
The Last Rockstars sind Yoshiki, Sugizo, Miyavi und Hyde. Sie alle sind mehr oder weniger legendäre Artists seit den Neunzigern, wo sie sich im spezifisch japanischen Genre des Visual-Kei verdient gemacht haben. Visual-Kei, das das Land Rock-mäßig seinerzeit in Beschlag nahm, wurde gerne als das japanische Pendant zu Glam-Metal gelesen. Tatsächlich liegt der Fokus der Selbstzuschreibung aber eher in den visuellen Elementen: Die Outfits sind extremer als die Musik (wobei die auch schon ziemlich extrem ist), viel Make-Up, viel Nieten, viel Leder, lange Haare, abgefahrene Typen.
Frontmann Yoshiki dürfte dabei auch im Westen der bekannteste Name sein, war er doch Gründungsmitglied und Zugpferd der legendären japanischen Band X Japan, mit der er genauso viel Anspruch auf den Titel des Popstars wie des Rockstars legen dürfte (das 1993er Album "Art Of Life" gilt als Klassiker). Yoshiki hat außerdem schon Musik mit den verbleibenden Queen-Mitgliedern und mit Kiss gemacht, mit Bono und St. Vincent, aber eben auch mit Will.i.Am und George Martin. Er ist rumgekommen, hat klassisch komponiert, schon einmal eine Supergroup namens S.K.I.N. gegründet und an den Soundtracks für den Erfolgsanime "Attack On Titan" und den Horrorfilm "Saw 4" mitgemacht.
Dass das The Last Rockstars-Projekt nicht ganz aus dem Nichts kommt, zeigt sich auch daran, dass Sugizo bereits Teil der besagten Supergroup S.K.I.N. war sowie von X Japan. Der Mann dürfte die für westliche Ohren unbekannteste Seele sein, verknüpfte nie eine konkrete Gruppe mit seinem Namen, sondern spielte seit 1997 als Hired Gun-Gitarrist in allen möglichen Projekten mit, sei es eine psychedelische Jam-Band oder das internationale Trance-Outfit Juno Reactor.
Miyavi bringt die Kredibilität auf, in den Neunzigern in der Visual-Band Dué Le Quartz gespielt zu haben, wo er Gitarre und Lyrics beitrug. Seitdem ist der schöne Mann aber durchaus auch eine Showbiz-Person durch und durch, spielte in mehreren japanischen Filmen mit und erreichte sogar das westliche Kino. In "Kong: Skull Island" konnte man ihn in kleinerer Rolle bewundern, genauso unter der Regie von Angelina Jolie im Film "Unbroken".
Das letzte Mitglied des Quartetts hört auf den Namen Hyde und ist am längsten in der Szene dabei: Bereits 1991 machte er erste Schritte mit der Gruppe L'Arc-En-Ciel, die später auch als Laruku bekannt wurde. Immerhin vierzig Millionen Platten verkauften die mit Hyde als Stimme und wurden die erste japanische Band, die im Madison Square Garden spielen durfte.
Es fehlt also nicht an Feuerkraft, wenn die vier japanischen Herren in ihren Fünfzigern noch einmal die richtig rockstarigen Rockstar-Klamotten aus dem Schrank holen, um zu Weihnachten 2022 ihre selbstbetitelte Debüt-Single "The Last Rockstars (Paris Mix)" aufzutischen. Der Sound mischt Pop und Visual-Kei-Elemente mit einer gesunden Menge Camp und Humor. Die Energie der Männer lässt sich schwer leugnen. The Last Rockstars machen eine fast vergessen geglaubte Sorte Rockmusik, für die es hierzulande so bald kein Revival geben wird. Warum sich also nicht auf diesen überdrehten, verrückten Zug werfen und noch einmal so richtig Spaß damit haben?
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