laut.de-Kritik
Der Doktor lädt endlich wieder zum Tanz
Review von Markus BrandstetterDas Neon glänzt und spiegelt sich am Asphalt, aus der Clubtür tönen keine Bläser, sondern sorgsam angezerrte E-Gitarren, Röhrenamps, ein Orgel. Man zieht sich besser die "Einserpanier" an, die guten Klamotten – denn der Doc lädt nach langer Zeit endlich wieder zum Tanz.
Jochen "Doc" Wenz kennt man von seinem Vorleben bei Mardi Gras.bb. Wer diese Band live sah, ging selten ohne Staunen, Grinsen und wippenden Fuß von den Live-Konzerten nach Hause. Das war stets zum Großteil Wenz' Verdienst, der auf der Bühne (wie auch auf Platte) stets eine Mischung aus Bluesmann, Trickster, Reiseleiter und Verführer war. Einer, der gleichzeitig schmeicheln, verblüffen und Gift verspritzen konnte, einer der besten Frontmänner weit und breit.
2013 war für "Le Docteur" (der Doktortitel ist übrigens echt!) das Kapitel Mardi Gras.bb gegessen, er ging noch mal anständig auf Abschiedstournee und zog sich von jenem Projekt zurück, mit dem er Jahrzehnte lang erfolgreich durch Europa getourt war. Fünf Jahre später – er war in der Zwischenzeit unter anderem als Filmkomponist tätig – meldet sich Wenz mit neuer Band und neuer Platte zurück.
The Neon Brothers kommen aus dem Umfeld des mittlerweile aufgelösten Labels Hazelwood. Das ist nicht der einzige Bogen zur Vergangenheit – denn mit Javier de la Poza am Schlagzeug ist ein langjähriges Mardi-Gras.bb-Mitglied mit an Bord, auch Leif Sommermeyer (Orgel/Klavier) war auf einigen Alben der Mannheimer mit dabei. Bassist Francis de la Poza komplettiert den Vierer, der nun sein selbstbetiteltes Debütalbum vorlegt.
Und nein, es geht nicht mehr durch die Sümpfe der Südstaaten – sondern in die neonschwangere Nacht. In dieser heißen uns The Neon Brothers mit dem Opener "Welcome To The Night" willkommen.
Die Gitarren twangen und surfen, die Orgel jault. Power Pop ist das hier, keine Frage – Musik, die nichts anbrennen lässt. Bei "The Neon Brothers" highfiven sich Ray Davies und Paul Collins, Richtung Elvis Costello, Brian Wilson grüßen sich mit dem angedeuteten Anheben der Hutkrempen.
"Beautiful Day" besteht ausschließlich aus Refrain und sollte in jeder Indie-Disco als Eskalationshilfe laufen. Das ist alles herrlich anachronistisch, puristisch, auf den Punkt gespielt. "Ain't No Friend Of Mine" fährt gleich weiter auf der die Schiene, bei "The Hammer" erhebt man sich mit einem 70er-Jahre-Riff in den Rockolymp und exerziert selbiges knackige 2:41 durch, hier spielt der Doc lieber nur Gitarre, ohne zu singen. Es geht Schlag auf Schlag, "Punkette" oder "Soul Alligator" (hier kommt nicht nur beim Songtitel irgendwie ein vertrautes Mardi-Gras.bb-Gefühl auf), "All I Know", alles tolle Songs.
Willkommen in der Nacht: Die Grenzen zwischen damals und heute verwischen und wir erinnern uns, dass wir jetzt besser mal mit den Gliedmaßen wippen sollen, auch wenn wir beim Tanzen nicht immer ganz gelenkig aussehen. Eine Einladung des Docs kann schließlich man nicht ausschlagen.
1 Kommentar
Coole Gesangssätze, dreckige Gitarren und Orgeln, energiegeladener Frontmann, Groove! Manches klingt tatsächlich wie eine gelungene Mischung aus den Songs der Beatles, den Gitarren der Stones und den Vocals der Beach Boys