15. Oktober 2024

"Ich versuche seit Jahren, 'Raining Blood' zu spielen"

Interview geführt von

Dexter Holland und Noodles über ihr neues Album "Supercharged", das in Maui, Vancouver und Huntington Beach aufgenommen und vom langjährigen Weggefährten Bob Rock produziert wurde.

Alles beim Alten bei The Offspring. Auf "Supercharged" setzt die Band um Frontmann Dexter Holland auf Uptempo-Nummern und große Refrains und scheut auch nicht vor der einen oder anderen Plattitüde (olé-olé). Wir baten Dexter Holland und Gitarrist Noodles zum Gespräch.

Dexter, Noodles, beim Hören von "Supercharged" bekommt man unweigerlich das Gefühl, dass ihr ganz offensichtlich wieder Lust auf High-Energy-Stücke hattet.

Noodles: Ja, High Energy ist genau das, was wir rüberbringen wollten. Der Titel kam erst gegen Ende des Prozesses. Wir sind einfach ins Studio gegangen, haben Songs gemacht, ohne ein konkretes Konzept für das Album zu haben. Am Ende merkten wir, dass viele Songs sehr energiegeladen sind, und wir fühlten uns in Topform – also "Supercharged". Es fühlt sich an, als wären wir aufgeladen und bereit loszulegen. Besonders, nachdem wir die Pandemie überstanden haben und wieder vor großem, leidenschaftlichem Publikum spielen.

Dexter Holland: Es war fast so, als wäre uns während der Pandemie etwas weggenommen worden und jetzt haben wir es endlich zurück. Es fühlte sich an, als müssten wir diese Energie nutzen und zurück auf die Bühne gehen. Es war war wirklich hart, während der Pandemie nicht live zu spielen, weil wir es gewohnt sind, ständig unterwegs zu sein. Es war das erste Mal in unserer Karriere, dass wir über ein Jahr lang keine einzige Show gespielt haben.

Noodles: Es war auch merkwürdig, weil wir uns als Band getroffen haben, um an den Songs zu arbeiten. Vor allem ich, Todd und Jonah, die alle in Südkalifornien leben, haben uns regelmäßigzum Jammen getroffen. Wir spielten sogar zu Live-Aufnahmen von unseren eigenen Shows und sind jedes Detail durchgegangen - wer welche Backing-Vocals singt, welche Strummings wir machen und wie wir bestimmte Parts perfektionieren können. Diese zusätzliche Arbeit hat uns als Band noch mehr zusammengeschweißt und uns definitiv zu besseren Musikern gemacht. Wir sind jetzt viel tighter und spielen besser als je zuvor. Und auch jetzt, wenn wir auf Tour sind, proben wir vor jeder Show in einem kleinen Backstage-Raum. Wir haben sozusagen ein kleines Jam-Setup, spielen einige Songs nochmal durch, manchmal sogar Cover-Songs, um uns auf die Show vorzubereiten.

Arbeitet ihr für ein Album ausschließlich an neuen Songs, oder benutzt ihr auch älteres Material?

Noodles: Meistens sind die Songs neu. Zum Beispiel ist "Hanging By A Thread" ein Überbleibsel vom letzten Album "Let The Bad Times Roll", und "Can't Get There From Here" basiert auf einem älteren Demo von Dexter, das komplett neu überarbeitet wurde. Ansonsten ist das meiste auf "Supercharged" wirklich neu.

"Wir lieben Metal"

Eines der herausstechenden Stücke auf dem Album ist "Okay, But This Is The Last Time".

Dexter: Das freut mich. Der Song ist sehr melodisch, ich mochte die Melodie wirklich. Textlich geht es um jemanden, der sich gegen eine andere Person in seinem Leben durchsetzen will, es aber einfach nicht schafft - sei es eine Freundin, die Eltern oder wer auch immer. Ich fand es witzig, dass er sagt: "Okay, aber das ist das letzte Mal", obwohl er genau weiß, dass es nicht das letzte Mal sein wird.

Noodles: Es erinnert ein bisschen an "Self Esteem Part 2" – fast genug Selbstachtung, um Nein zu sagen, aber eben doch nicht ganz.

Mit "Come To Brazil" gibt es auch eine rifflastige Hymne für eure brasilianischen Fans. Wie kam es dazu?

Noodles: Jeder, der Fans in Brasilien hat, kennt das: Die häufigste Antwort auf jede Social-Media-Nachricht ist "Come to Brazil". Egal, was du postest, das ist die Antwort. Wir haben das als Running Gag aufgegriffen und uns gedacht, dass brasilianische Fans schnelle, rockige Musik mögen. Also haben wir den Song für sie geschrieben, mit heavy Gitarren und einem großen, mitreißenden Refrain.

Dexter: Ja, das war wirklich maßgeschneidert für Brasilien. Wir hoffen, es kommt gut an.

Ihr wart ja gerade bei den Metal Hammer Awards in Berlin. Was bedeutet euch Metal?

Noodles: Wir kommen zwar aus der Punk-Szene, aber wir lieben auch Metal. Black Sabbath ist eine meiner Lieblingsbands, Iron Maiden gehört definitiv auch dazu. Es gibt so viele verschiedene Arten von Metal, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten, aber wir haben definitiv eine Schwäche dafür.

Kerry King von Slayer hat in einem Interview gesagt, dass er ein Fan von euch ist. Habt ihr ihn schon getroffen?

Dexter: Ja, wir haben das gehört, aber auf Festivals waren wir leider immer an unterschiedlichen Tagen dran. Ich würde ihn gerne mal treffen. Ich versuche seit Jahren, "Raining Blood" zu spielen, aber es gelingt mir nicht, die Geschwindigkeit hinzukriegen!

"Unser Leben änderte sich damals komplett"

Dieses Jahr feiert "Smash" sein 30-jähriges Jubiläum. Was denkt ihr, wenn ihr auf diese Zeit zurückblickt?

Noodles: Es war verrückt. Wir haben das Album mit wenig Geld aufgenommen, während wir noch gearbeitet und studiert haben. Als dann "Come Out And Play" im Radio lief, änderte sich unser Leben komplett. Ich war damals noch Hausmeister, und plötzlich reisten wir um die Welt und spielten Punkrock. Es war eine unglaubliche Zeit, fast ein bisschen beängstigend.

"Smash" hat damals alles umgeworfen, und dann kam "Americana”, das den Erfolg noch übertroffen hat. Wie habt ihr das empfunden?

Dexter: Es war wirklich erstaunlich, dass wir es ein zweites Mal geschafft haben. Das war einfach eine wahnsinnig aufregende Zeit.

Ihr arbeitet jetzt schon seit Jahren mit Bob Rock. Was bringt er als Produzent in den Entstehungsprozess ein?

Noodles: Bob bringt uns immer dazu, das Beste aus uns herauszuholen. Wenn etwas nicht funktioniert, sagt er es uns, aber auf eine Art, die motiviert. Zum Beispiel sagt er: "Der Refrain ist super, aber der Vers könnte besser sein." Und dann arbeiten wir weiter daran, bis es passt. Er ist wirklich gut darin, uns zu lenken, ohne uns das Gefühl zu geben, dass er uns zu stark beeinflusst.

Dexter, wie sieht dein lyrischer Prozess aus? Wann entstehen die Texte?

Dexter: Normalerweise kommen die Texte nach der Musik. Das ist manchmal echt schwierig, weil man kreativ sein muss, aber gleichzeitig an die Struktur des Songs gebunden ist. Aber es gibt auch Ausnahmen. Zum Beispiel hatten wir bei "Come To Brazil" zuerst den Titel, und dann haben wir den Song darum herum gebaut.

Schreibt ihr auch, wenn ihr auf Tour seid?

Dexter: Ja, absolut. Wir haben "Light It Up" zum Beispiel kurz vor der Aufnahme geschrieben, das kam wirklich schnell zusammen. Und ich erinnere mich, dass "Looking Out For Number One" auf einer Australien-Tour entstanden ist.

Noodles: Ich schreibe nicht viel auf Tour, aber ich helfe dabei, den Songs im Studio den letzten Schliff zu geben.

Wie sucht ihr die Setlists aus?

Dexter: Es gibt Songs, die wir einfach spielen müssen, weil die Fans sie hören wollen. Ich denke dan an "Self Esteem" oder "The Kids Aren’t Alright". Das Schwierigste ist, welche Songs wir weglassen müssen, weil die Zeit begrenzt ist. Mit "Supercharged" wird es noch schwieriger, weil wir so viele neue Songs spielen wollen.

Ihr habt in den 1990er-Jahren mehrfach "Saturday Night Live" abgesagt. Das ist nicht unbedingt ein nachvollziehbarer Karrieremove für eine Band, wie kam’s dazu?

Noodles: Weißt du, sie haben uns 1994 gefragt, aber damals waren wir einfach noch nicht bereit. Die Songs liefen zwar im Radio, aber wir fühlten uns noch wie eine Garagenband und wollten erst mehr Erfahrung sammeln, bevor wir im nationalen Fernsehen auftreten. Aber wir sind große SNL-Fans. Vielleicht sollten wir’s nochmal versuchen. Also, Lorne Michaels, falls du das liest ...

Ihr scheint sehr vorsichtig gewesen zu sein. Noodles, du hast sogar noch gezögert, deinen Hausmeisterjob an den Nagel zu hängen, als ihr schon bekannt wart.

Noodles: Wir wollten nicht einfach gleich große Shows spielen. Daher haben wir in kleineren Clubs angefangen. Wir hätten wahrscheinlich auch in größeren Locations spielen können, weil unsere Songs im Radio liefen und auf MTV gezeigt wurden. Aber wir wollten uns in unserem eigenen Tempo weiterentwickeln. Ich meine, ich war damals noch Hausmeister, Dexter war Biologie-Student und Ron verkaufte Muffins. Wir wussten, dass wir Zeit brauchten, um Erfahrung zu sammeln. Wir wollten uns langsam steigern und besser werden in dem, was wir tun.

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LAUT.DE-PORTRÄT The Offspring

Mitte der 80er Jahre besucht Bryan Holland, Spitzname Dexter, die Pacifica Highschool in Garden Grove in Kalifornien. Sein festes Ziel ist, Arzt zu werden.

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