laut.de-Kritik
Hits, interessante B-Seiten und zwei neue Lieder.
Review von Giuliano BenassiBei The Who ist mal wieder Frühjahrsputz angesagt: Über ihre Webseite verkaufen sie jedes ihrer US-Konzerte aus dem Jahr 2002 als Doppel-CD, kündigen an, das selbe mit ihren 2004-Auftritten machen zu wollen, und gehen auf Nummer Sicher, in dem sie ihre bekanntesten Lieder unter dem Titel "Then And Now" zum x-ten Mal anbieten.
Wer "My Generation", "Pinball Wizard" und "Behind Blue Eyes" (hoffentlich nicht in der Limp Bizkit-Version) bereits sein Eigen nennen darf, kommt trotzdem in die Versuchung, zuzuschlagen. Denn zusätzlich bieten The Who auch ein Box-Set mit 12 Single-CDs an, das mit "I Can't Explain" 1965 beginnt und 2004 mit den - unglaublich aber wahr - ersten zwei neuen Stücken seit über zwanzig Jahren endet: "Really Good Looking Boy" und "Old Red Wine".
Die sind auf "Then And Now" zwar auch enthalten, dafür aber nicht die B-Seiten, die für die eine oder andere Überraschung sorgen. So bietet "Bald Headed Woman" (1965) ein dreckiges, fast atonales Riff und Sänger Daltrey mit fieser Massenmörderstimme. "Shout And Shimmy" (1965) lehnt sich stark an "Twist And Shout" an, Bläser und "Uh-uh-uh-uh"-Begleitgesang sorgen aber für ein Lächeln. "Circles" (1966) eignet sich trotz seiner Posaunen-Einlage als Titeltrack für einen Western-Serie.
Der Wandel von Whos Musik von rotzigem Rock zu immer subtileren Arrangments zeichnet sich auf "In The City" (1966) ab. Singles spielen anschließend eine zunehmend untergeordnete Rolle. "Pictures Of Lily" (1967) ist als Glorifizierung einer Wichsvorlage vom Inhalt her nicht gerade chartkompatibel, "Pinball Wizard" (1969) bildet den Startschuss für großspurige Projekte wie "Tommy", "Who's Next" oder "Quadrophenia". Zwar stellt "Dogs Part II" (1969) noch einmal Keith Moons, Pete Townshends und John Entwistles eindrucksvolles Zusammenspiel unter Beweis, anschließend lässt das B-Seiten-Material jedoch nach. "Water" (1973) zeichnet sich durch einen lustlosen Daltrey aus, "Had Enough" (1978) ist so mies, dass man es sich getrost sparen kann.
Was auch für das erste neue Lied zutrifft. "Real Good Looking Boy" beginnt mit Elvis' "Can't Help Falling In Love" am Klavier und geht rockig, aber ereignislos fünf Minuten lang weiter. "Old Red Wine" ist dagegen eine Hommage an den 2002 verstorbenen Bassisten Entwistle. "John liebte teuren Bordeaux-Wein und trank ihn oft über den Zenit hinaus. Darin liegt schon eine gewisse Ironie. John schien nie zu realisieren, welche Reife er als Rock-Musiker erreicht hatte", erinnert sich Townsend recht kritisch an seinen Weggefährten. Während sich Daltrey diesmal ordentlich Mühe gibt, geht die Melodie in dem zu dichten begleitenden Klangwall fast unter.
Die Jungs werden nicht mehr jünger, ist mal wieder die ernüchternde Erkenntnis. Es ist trotzdem schön, dass sie es noch mal versuchen; vielleicht gelingt ihnen für das geplante neue Studioalbum (2005) doch das eine oder andere anständige Stück - ausnahmsweise auch ohne auf Material aus der Vergangenheit zurückzugreifen.
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