laut.de-Kritik

Die audible Handkante für den Punkhaushalt von heute.

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Rein äußerlich fahren die Wohlstandskinder bei ihrer mittlerweile sechsten Platte große Geschütze auf. Der Albumtitel verspricht, mit jedem Verstärker kurzen Prozess zu machen, und zwar Fernost-Style. Dezibelkarate klingt nach Kompromisslosigkeit, Gefahr für Gehörgänge und Inneneinrichtung, die audible Handkante für den Punkhaushalt von heute. Dazu springen Honolulu Silver, Herr Neidhardt, Don Ludger und Türk Travolta vom Cover den Betrachter an, als würde es gleich richtig Senge geben. Die Freude und Erwartung ist entsprechend hoch, wenn der Silberling beginnt, im Player seine Runden zu drehen.

Doch was dann kommt, wirkt erst mal enttäuschend. Poppunk allenthalben, aber auch nicht mehr. Die Wohlstandskinder machen da weiter, wo sie aufgehört haben, bewegen sich aber leider auch nicht weit vom Fleck. Sie drohen zwar, die Gitarre aufzureißen und alles niederzubrennen, doch der Zünder entfacht wohl nur ein kleines musikalisches Feuer. Immerhin geht "Du, Ich Und Wir Zwei" gut nach vorn, und die Kids versprechen: "Keinen lyrischen Ergüssen, wirst du hier lauschen müssen". Reim dich, oder ich fress dich! Damit kann man doch leben.

Die erste Single "Kein Radiosong" (!) poprockt gefällig vor sich hin und verkündet den Beginn des Sommers. Der Rezensent verbringt wohl doch zu viel Zeit in seiner Wohnung. Wie das Album beginnt, so geht es weiter. Der Pop steht im Vordergrund, irgendwo zwischen Poppunk, Powerpop und Poprock. Zwischendurch mal ein bisschen aufs Gas gedrückt ("Lass Alles"), dann wieder ein bisschen ausrollen lassen ("Es Gibt Keine Balladen Mehr"). Nachdem das Album einmal abgefahren ist, bleibt leider nicht viel hängen. Textlich fehlt (wie angekündigt) der Tiefgang, und musikalisch gibt es keine hervorstechende Momente.

Allerdings bewegen sich die Wohlstandskinder auf einem relativ hohen Niveau, und nach mehrmaligem Hören, geht "Dezibelkarate" ganz gut ins Ohr. Vor allem "Es Gibt Keine Balladen Mehr", ein schicker Song zum Beendigen von Beziehungen, und "Penthouse Bewohner" lassen aufhorchen. Letzterer hat schon fast Hamburger Schule-Qualitäten. Die Refrains sind zum Teil recht catchy gelungen, "Einer Von Millionen" will schon bald mitgesungen werden. "Apathisch Warten" dagegen erweist sich als böser Ausrutscher. Nur die Line: "Wir warten auf ein Comeback von Joey Ramone" bewahrt vor dem Verdacht des Schröders-Plagiats.

Alles in allem ist "Dezibelkarate" nicht die Neuerfindung der deutschsprachigen Musik, und auch Punk klingt irgendwie anders. Allerdings kann man die Wohlstandskinder ganz gut im Sommer mit in den Park nehmen. Denn, so wussten schon Tocotronic, man braucht nicht viel um glücklich zu sein: warmes Bier und Sonnenschein hilft, die Wohlstandskinder passen super dazu.

Trackliste

  1. 1. Du, Ich Und Wir Zwei
  2. 2. Kein Radiosong
  3. 3. Für Mich Scheint Es
  4. 4. Es Gibt Keine Balladen Mehr
  5. 5. Lass Alles
  6. 6. Welten Daneben
  7. 7. Penthouse Bewohner
  8. 8. Satellitenbild
  9. 9. Einer Von Millionen
  10. 10. Apathisch Warten
  11. 11. Deine Zahlen Sehn Wie Immer Aus
  12. 12. Jedes Bisschen Gar Nichts
  13. 13. Oasen Im Ozean

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