laut.de-Kritik
Rauer Dancehall, romantischer Rocksteady und female Power.
Review von Philipp KauseDie Farben des Cover-Artworks deuten an, worauf man nie käme: TriXstar stammt mitnichten aus Jamaika. Statt Red/gold/green, den Ampelfarben der Heimat von Reggae und Dancehall dominieren Orange und Türkis. Und das trotz Dancehall, Rocksteady, Dubstep, Roots Reggae, Moombahton und allerfeinstem Ska. Diese Musik stammt aber aus Dortmund, und die Protagonistin hat iranische Wurzeln.
Mit rauer Stimme und entschlossener Intonation wirkt sie gleichwohl sehr glaubwürdig. Die Vocals fühlen ich kratzig, aber herzlich an, wirken unverstellt und direkt. Und Jamaika hat sie sich einverleibt. In einer Art Yin und Yang vermengt TriXstar härtere, modernere Spielarten mit ursprünglicheren. Obwohl sie einst im Hip Hop anfing, wovon der "Fly Skit" zeugt, und stimmlich mit Sabrina Setlur verglichen wurde, setzt sie kein bisschen den Kurs von deutschen Größen wie Seeed, Nosliw oder Teka fort. Sie bewegt sich lieber in deutlicher karibischen Rhythmusstrukturen.
TriXstars Mission lautet: Liebe verbreiten. Diese reduziert sich freilich nicht auf "skin to skin". Sie sucht "true true meaning", wie sie in den Songs "Stand Up (with Getaway Crew)" und "Old Fashion Love" ausführt. In Letzterem dominieren trockener One Drop-Beat und tiefes Saxophon, während bei "Stand Up" gleich eine ganze große polnische Band die Sängerin umrahmt. Die leidenschaftlich spielende Bläsersektion reißt richtig mit. Alles geht positiv und up-lifting in Hüfte und Beine, so soll das sein. Mit "Stand Up (with Getaway Crew)" entstand einer der klassischsten und schönsten Ska-Tunes der letzten Jahre überhaupt, der Track erschien bereits 2015 als Single.
Das, was die Dortmunderin will, schreit nach einer "New Era". Schluss mit Schuldzuweisungen, Lästern und "bad mind", wie Egozentrik und Ausbeutung im jamaikanischen Patois benannt werden. TriXstar will die Leute triggern, sich in Bewegung zu setzen. "Shake what your Mama gave you" lautet folgerichtig der Schlachtruf bei TriXstars Live-Shows.
Entsprechend scharfkantig muten die Beats in "Firm Stand" und dem bratzelnden "Good Over Evil (with Perfect Giddimani)" an. Und entsprechend kompromisslos nutzen die Uptempo-Nummern die Vorteile der Elektronik. Die Riddims besorgten Producer wie Bassrunner (Wien), Dox & Dizzie (Oldenburg), Boomrush (Braunschweig), DJ Hard2Def (Mannheim) oder Fireman Crew (Linz), die teils auch an Instrumenten aktiv wurden - anders als bei aktuellen, jamaikanischen Island Pop-Riddims, die mit seicht glitschenden Drum Machines und Auto-Tuning-Vocals daherkommen.
"#trixstylez" fasst nun zahlreiche Titel aus zehn Jahren TriXstar als Debütalbum zusammen, ergänzt um das klanglich düstere, dubsteppige Stück "Firm Stand" und ein paar (fragwürdige) Remixes. Ein gut abgestimmter Querschnitt mit melodiöseren Abschnitte ("Believe") und monotonen Kopfnicker-Sounds, etwa dem Raggamuffin "Love Nuh Easy (with Skarra Mucci)", auf dem der mit seinem eigenen Echo unterlegte Kollege Skarra so raggamäßig toastet wie Shaggy in den frühen 90ern.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Gibt kaum eine Musikrichtung, die mich so aggressiv macht. Nach einem Song könnte ich in ner Black-Metal-Band spielen. Könnte an der 40jährigen, absoluten Innovationsresistenz und der passiven Aggressivität hinter der "Niceness" ihrer Peer Group liegen.
In den Rasende-Wildsau-Modus komm ich aber erst so richtig, wenn Leute einen falschen Patois-Akzent aufsetzen, wie Gentleman usw. es tun.
Du musst die Musik nicht anhören wenn sie dir nicht gefällt.
Das ist ja allerhand.
Schöne Reggae Musik von einer mir unbekannten Sängerin.