laut.de-Kritik
Von Post-Hipstern zur Retro-Pop-Band.
Review von Simon ConradsIm Rahmen der Veröffentlichung des zweiten Albums "Forever Turned Around" bezeichnete das Musicmag Loud And Quiet Whitney 2019 als Post-Hipster, als die Antithese ironischer Distanziertheit, die für Journalistin Katie Beswick den Kern des Hipstertums darstellte. Die Band um Julian Ehrlich und Max Kakacek versprühte eine so große Leidenschaft für ihren aus der Zeit gefallenen Lofi-Folk, dass man sie jenseits eines Augenzwinkerns verorten wollte. Die Behauptung machte Beswick unter anderem am Versprechen der Band fest, ihre Musik in näherer Zukunft nicht etwa durch Synth-Elemente poppiger werden zu lassen. 2020 hielten Whitney dieses Versprechen auf dem spaßigen Cover-Album "Candid" zwar noch ein, auf ihrer neuen Platte "Spark" sind sie aus dem Post- nun aber doch einen Schritt zurück ins reguläre Hipstertum gegangen.
Der Wandel von Whitney wird besonders deutlich, wenn man ihr Video zu "No Woman" von 2016 mit dem Clip zu "Real Love" anno 2022 konstrastiert. Damals präsentierten sie sich als kuschelige Naturjungs, die in unscheinbaren Klamotten Musik im Wald zelebrierten. Heutzutage bedienen sie sich an 2000er Fischaugen- und VHS-Ästhetik und präsentieren sich in einem verspiegelten Raum mit Disco-Kugel, Euphoria-Beleuchtung und neuem Look als Retro-Popper. Das auffälligste Klangelement des starken Songs ist der vibrierende Synth-Bass und als Vorbilder erwähnen Whitney im Interview mit Thrillist sicherlich etwas ironisch die Backstreet Boys und *NSync. Erstaunlich stimmig, das alles. Und so passen die blondierten Haare von Ehrlich auch wunderbar zu den neuen Klangfarben.
Was Whitney bisher ausgemacht hat, der Falsettgesang von Ehrlich und die süßen Gitarren-Licks von Kakacek, bleibt gleichwohl erhalten, nur eben ergänzt um Synths, Drumsamples, deutlich mehr Piano und überhaupt größere und cleanere Produktion. Der Fokus hat sich vom Folk hin zu Soul und Contemporary R'n'B verschoben, was der Musik durchaus gut zu Gesicht steht. Die Stücke erinnern gelegentlich an die verspielten Kompositionen von Unknown Mortal Orchestra, für die Ehrlich früher an den Drums saß. Der Opener "Nothing Remains" führt angenehm entschleunigt in den neuen Sound, liefert eine erste einprägsame Hook und kündigt mit dem fortschreitend übersteuernden Outro die weiteren Spielereien in der Produktion an.
"Memory" etwa kippt nach zwei Dritteln überraschend in einen melancholischen Instrumental-Part, der die im Text verhandelte Reflektion der eigenen Bedeutung auch musikalisch greifbar macht: "So I call up my old friends / I'm trying to avoid this silence / And I can't hide from bad dreams / Where I think I'm turning / Into a memory"". Der Beginn des Tracks klingt dagegen ziemlich heiter und macht vor allem durch das zentrale Gitarren-Motiv großen Spaß. Ähnlich gut aufgelegt kommt "Lost Control", bei dem vor allem das Zusammenspiel von smoothem Basslauf und knalligem Beat überzeugt. Auch viele der ruhigeren Nummern passen, allen voran der Laid-Back-Groove von "Blue" und das verträumte "Twirl" mit seiner Autotune-Hook.
Leider gerät die zweite Hälfte der Platte ab "Self" bis "Heart Will Beat" etwas zu behäbig, was das sonst runde Album etwas ins Stolpern bringt. Die Stücke sind für sich genommen zwar nicht schwach, hätten von einem schnelleren Titel in der Mitte allerdings profitiert. "Never Crossed My Mind" besticht zwar mit verspielten Gitarren-Einwürfen in der Hook, wirkt ansonsten aber etwas beliebig. Trotzdem nimmt man Whitney die Transformation in eine Alt-Pop-Band ab, und den Chicagoern ist dabei ein lässiges Hipster-Album gelungen.
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