laut.de-Kritik
Hier überladen, dort virtuos: Das Konzept heißt Theatralik.
Review von Anne NußbaumEno, Byrne, Bowie: Die Dreifaltigkeit des avantgardistischen Artrockpop als Referenzrahmen angedichtet zu bekommen, reicht allein aus, um eine mittelschwere Euphorie um die eigene Person auszulösen. Bevor Max McElligott alias Wolf Gang sein Debüt abgeliefert hat, wird er von der britischen Musikpresse bereits auf Händen getragen.
Sein auf Albumlänge euphonisch großflächiger Indie-Powerpop mit Melancholie-Einschlag und Glamrock-Zitat muss sich nun mit der hochgewachsenen Erwartungshaltung messen. Der Opener "Lions In Cages", vorab schon als Single veröffentlicht, beginnt immerhin verheißungsvoll: Wie in dunklen Hitchcock-Fantasien ziehen von fern Vögel heran, unheimliche Echolot-Schallwellen ertönen.
Nach rund 15 Sekunden schlägt das vielversprechende Szenario jedoch um: Eine massive Instrumentierung, Gesang in Kastraten-Höhe und ein Synthie-Beat, der an MGMTs "Kids" angelehnt ist, lassen den Song zu einer zwar eingängig mitreißenden, jedoch recht herkömmlichen Indie-Hymne mutieren.
Dieses Pendeln zwischen der Anziehung außergewöhnlicher Momente und dem Bedienen konventioneller Schemata zieht sich durch die Platte: "Something Unusual" kommt in der Strophe den synkopierten Rhythmen der Foals nahe, während der Refrain simplen Synth-Arpeggios huldigt.
"The silent cry to be something unusual" bleibt jedenfalls weitgehend ungehört. "Stay And Defend" beginnt als nett verspielter Pop, der erneut gen Refrain-Wiederholung epische Breiten annimmt. Das funktioniert vornehmlich nach bekannten Strukturen, die den landläufigen Gesetzen des Majors gehorchen. "Create a hype and then turn it around": Bloß die Wende fehlt. Der Verdacht des Kalküls, hier den nächsten UK-Hype zusammenbasteln zu wollen, schwingt stets latent mit.
Dieses Vorgehen nach Rezept mag der, der danach sucht, auch in der Imageproduktion erahnen. Die barocke Bebilderung im Booklet, die Wolf Gang in Federn und venezianischen Masken zwischen ausgefallen, morbide und abgeschmackt inszeniert, kolportiert die Darstellung des jungen, extravaganten Künstlers aus London auf plakative Weise.
"The King And All Of His Men" reminisziert nicht umsonst den erfolgreichen The Naked And Famous-Sound: Ähnlich wie die Neuseeländer ist auch Wolf Gang den 80ern verpflichtet, setzt auf Pomp mit leicht verzerrten Gitarren, opulentem Synthie und hallentauglichen elektronischen Nuancen. Es gleißt und hallt an allen Enden, das Konzept heißt Theatralik.
Allerhand musikalische Verzierungen, Triller, aufgelöste Akkorde und homophone Zusammenklänge schmücken die massigen Arrangements McElligotts. Mit mehrspurigem "Ah" und "Oh" frönt er dem groß angelegten Pathos des Sinfonischen. Selbst die klackernden Percussions und das ostentative Gitarrenriff auf "Back To Back" geben sich im Laufe des Stücks dem Schwulst hin.
Das klingt hier salbungsvoll und überladen, dort ausschweifend und virtuos. Überwiegend unverständlich bleibt, wo die Vergleiche mit Arcade Fire herkommen. Abgesehen von den dicht gewebten Kompositionen und einem gewissen Hang zum Bombast, wie die Kanadier ihn auf ihrem Zweitling "Neon Bible" pflegten, entbehrt das Postulat musikalischer, geschweige denn textlicher Analogien jeglicher Grundlage. Arcade Fire mögen den jungen McElligott inspiriert haben, ihre Klasse erreicht er kaum.
Größtenteils verliert er sich in reimenden Phrasen, die mehr Bedeutung bergen wollen, als sie in der Lage sind zu tragen. Werbetaugliche Label-Behauptungen, die versichern, die Shins würden Wolf Gangs musikalisches Schaffen nur zu gern kopieren, kann man getrost als dreist und unverfroren abhaken.
Natürlich wäre es falsch, McElligott dem Anspruch auszusetzen, er solle sich bitte den Genre-Konventionen des Indiepop, wie er momentan Erfolge feiert, entziehen. Indes ist man mit anderen Debütalben, die diese Sparte derzeit sättigen, origineller bedient.
1 Kommentar
habs album noch nicht gehört ... aber "back to back" und "king and all of his men" sind ja schon länger draußen. als kleiner anspieltipp für alle, die gerade mit dem pompösen stil nicht allzuviel anfangen können: sucht mal auf youtube die akkustik-version von "back to back". Großes Kino! mMn ...