18. März 2008

"Das ist alles einfach nicht real"

Interview geführt von

Seit Apple-Boss Steve Jobs ihren Song "New Soul" höchstpersönlich für den neuen MacBook-Werbespot aussuchte, geht es für Yael Naim steil bergauf. Früher sang die 29-Jährige in Jazz-Clubs und Musicals, nun reist sie mit ihrer eigenen Musik und ihrem zweiten, selbstbetitelten Album, das am 7.März veröffentlicht wurde, durch die Welt.Bei einem ihrer Zwischenstopps in Deutschland haben sich Yael und ihr Produzent und Mentor David Donatien etwas Zeit genommen, um sich unseren Fragen zu stellen. Yael Naim sieht so aus, wie ihre Musik klingt: Zerbrechlich, schmal und wunderschön sitzt sie in Stuttgart vor uns.

Sie wirkt ein bisschen schüchtern, überlässt gerne David Donatien das Wort und flechtet geistesabwesend ihr Haar zu Zöpfchen, während sie uns unter anderem davon erzählt, wie sie sich nach dem unglaublichen Erfolg ihrer Single "New Soul" fühlt.

Könnt ihr erst mal erklären, wie es überhaupt zu eurer Kollaboration kam? Kennt ihr euch schon länger?

David: Wir haben uns vor vier Jahren über einen gemeinsamen Freund kennengelernt, mit dem wir beide Musik machten. Eines Abends setzten wir uns zusammen und veranstalteten eine kleine Jamsession, und plötzlich merkte ich: Wow, sie ist eine Vollblutmusikerin und hat eine unglaublich schöne Stimme! Ich war wirklich beeindruckt von ihr und habe auf der Stelle fünf Songs mit ihr geschrieben. Später haben wir in ihrem Appartement dann das Album aufgenommen ...

... und du konntest sie dazu überreden, auf Hebräisch zu singen. Wieso wolltest du das vorher nie versuchen, Yael?

Yael: Ich kannte das nicht. Während meiner Zeit in Israel verband ich gute Musik immer mit der englischen Sprache. Ich hörte die Beatles und andere englische Bands, und es war selbstverständlich für mich, dass die Musik, die ich selbst schrieb, auch englisch war. Ich empfand das immer als Grundlage dafür, dass meine Songs auch außerhalb Israels bekannt werden könnten. Irgendwie bedeutete die englische Sprache so was wie eine Tür, die mich und meine Musik aus Israel hinausführen könnte.

Letztlich ist das ja anders gekommen ...

Ja, als ich nach Paris reiste, um mein erstes Album aufzunehmen, hatte ich das Gefühl, dass ich den falschen Weg wählte und dass ich die Verbindung zu dem israelischen Teil in mir gekappt hatte. Ich wusste ja nicht, wie lange ich in Frankreich bleiben würde. Und von Israel hatte ich mich nicht einmal wirklich verabschiedet. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, dass ich irgendwie wieder eine Verbindung zu meinem Heimatland herstellen sollte – sowohl persönlich als auch professionell. Deswegen war David quasi meine Rettung, als er mich dazu aufforderte, hebräisch zu singen. Er sagte nur: Wow, das ist das persönlichste, was ich je von dir gehört habe und was du je geschrieben hast. Das ist vollkommen anders und vollkommen du selbst. Die Zusammenarbeit mit David war solch eine Inspiration!

"Britney Spears macht zu 100% das, was sie liebt."

Ist das alles auch der Grund dafür, dass du mit deinem Debütalbum nicht zufrieden warst? Weil darauf alle Songs englisch waren und es nicht so persönlich war?

Nein, das lag daran, dass ich so jung war und irgendwie überfordert. Ich war 20, und da standen so viele Türen direkt vor mir sperrangelweit offen. EMI hat mich in ein riesiges Studio geschickt, sie setzten mich einem großen Druck aus, wollten, dass ich der nächste große Superstar werde, stellten mir ein großes Budget zur Verfügung. Das verdreht dir den Kopf und es geht dir plötzlich nicht mehr wirklich um die Musik, die du machst, sondern um den Erfolg. Darum, berühmt zu werden. Du willst, dass dein Produzent glücklich ist. Und du hast nicht die nötige Ruhe, um in dich hineinzuhorchen und das Richtige zu machen. Das zu machen, was du selbst willst. Ich habe mich auf dieses Experiment eingelassen und hatte großes Glück, dass es schief gegangen ist.

Du meinst, dass das Album floppte, war so etwas wie deine einzige Chance, das zu machen, was du wirklich wolltest?

Ja genau. Ich bekam schlechte Kritiken und du kannst dir nicht vorstellen, wie enttäuscht ich war! Ich machte eine schwierige Phase durch, aber diese schwere Zeit führte dazu, dass ich den ganzen Bullshit, dass ich ein großer Star werde, aus meinem Kopf bekam und wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehrte. Zu begreifen, dass es bei dieser Art des Musikbusiness, die ich erlebte, nicht um die Musik selbst ging. Danach hatte ich keine Plattenfirma und kam zwangsläufig für ein paar Jahre zur Ruhe.

David, hast du Yaels erstes Album gehört? Wenn ja, was ist der Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Album?

David: Ich habe nicht alle Songs von ihrem ersten Album gehört. Aber sie ist einfach eine großartige Sängerin. Ich sehe das ähnlich wie sie selbst: Bei ihrem ersten Album war sie einfach musikalisch noch nicht reif genug. "Yael Naim" ist viel persönlicher.

Du hast gesagt, dass dich die Leute in eine bestimmte Richtung drängen wollten. Du hast Britney Spears' "Toxic" gecovert ... denkst du, dass es bei ihr auch so gelaufen ist?

Yael: Ich glaube nicht. Ich bin kein großer Fan von Brits Musik, aber ich denke, dass sie zu 100% das macht, was ihr liegt und was sie wirklich liebt. Man fühlt das, wenn man ihre Musik hört, und deshalb kaufen die Leute auch ihre Platten. So empfinde ich das.

David scheint das anders zu sehen, was?

David: (lacht) Naja, das ist so: Manche Sänger sind einfach nur Sänger und wie in einem Gefängnis. Einige Künstler kümmern sich nur ums Geld. Yael ist wirklich einzigartig, aber das ist keine Selbstverständlichkeit.

"'New Soul' war der allerletzte Song, den wir fürs Album geschrieben haben."

Dein Rat für aufstrebende Künstler ist also, dass man sich selbst treu bleiben muss, um gute Musik zu machen?

David: Ja, wenn man dann auch noch singen kann, sollte es klappen (lacht).

Yael, du hast gerade gesagt, dass du am Anfang diesem großen Druck ausgesetzt warst. War das beim zweiten Album nicht so?

Yael: Nein, denn da war ich frei, ich hatte keinen Plattenvertrag. Keiner wusste von meinem zweiten Album, also hat sich auch keiner drum gekümmert.

Ich habe gerade schon über Britney Spears gesprochen. Eine Version von Britneys Megahit "Toxic" hat es ja sogar auf dein neues Album geschafft ...

Das war anfangs nur so ein Spielchen, das ich immer mit David gespielt habe. Meistens macht man Musik aus einem speziellen Gefühl heraus, aber ab und zu probiert man auch nur etwas herum. Ich wollte mal etwas Lustiges versuchen und etwas, das vollkommen anders ist, als meine bisherige Musik. Also spielte ich mit dem Song herum und entdeckte plötzlich das Besondere an dem Lied und dass es wirklich ein sehr gutes Stück ist.

Ihr kommt eigentlich beide aus dem Jazz-Bereich. Das Album ist ein Mix aus vielen Stilen – Songwriter, Soul, Pop, Folk – aber Jazz ist darauf nicht vertreten. Dafür habe ich auf Davids MySpace-Seite einen wunderbaren Jazz-Song namens "Something Beautiful" entdeckt. Wieso haben es solche Stücke nicht aufs Album geschafft?

David: Bei mir ist es wirklich so, dass ich aus dem Jazz-Milieu komme. Aber das ist eher mein Ding. Für die Platte zählten eher Yaels Einflüsse, und sie legt sich da nicht so fest.

Yael: Ich schreibe sehr viele unterschiedliche Songs.

Habt ihr jemals damit gerechnet, dass "New Soul" so eine große Sache werden würde?

Yael: Wir haben gar nichts erwartet. Wir waren einfach nur glücklich darüber, ein Album zu veröffentlichen, mit dem wir uns so wohl gefühlt haben. "New Soul" war der allerletzte Song, den wir fürs Album geschrieben haben und einer der wenigen englischen Songs, die es aufs Album geschafft haben. Dass gerade dieses Lied auf einmal im Radio gespielt wird und dann alles so schnell geht, hatten wir nie gedacht.

Bist du stolz darauf, die erste Sängerin aus Israel zu sein, die es in die amerikanischen Charts schaffte?

Ja, bin ich … aber eigentlich kann ich es noch gar nicht glauben. Das ist alles nicht real.

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