laut.de-Kritik
Zwischen technoider Euphorie und Melancholie.
Review von Toni HennigWenn es um Musik aus Island geht, denkt man zunächst einmal an Björk, atmosphärischen Post-Rock oder Neo-Klassik. Dass es im Land der Geysire und Vulkane auch hervorragenden Dub-Techno gibt, stellt Aðalsteinn Guðmundsson alias Yagya jedoch schon mehr als eineinhalb Jahrzehnte in aller Regelmäßigkeit unter Beweis. Nun erscheint mit "Stormur" sein bisher straightestes Werk.
So stand für den Klangtüftler dieses Mal mehr der Spaß im Vordergrund als bisher. Die Platte konzipierte er nämlich als kontinuierlichen einstündigen Mix anlässlich seines vierzigsten Geburtstages. Doch zeigte er sich mit dem Ergebnis nicht zufrieden und arbeitete im Anschluss noch ein weiteres Jahr an dem Album. Dabei nutzte er Software nur für die "Soundproduktion", um das Werk so "organisch und lebhaft" wie möglich zu halten, erzählte er vor Kurzem dem Onlinemagazin Inverted Audio.
Dementsprechend lassen sich die insgesamt zehn Tracks, die sich irgendwo zwischen 120 und 130 bpm ansiedeln und nur minimale Veränderungen untereinander aufweisen, hervorragend am Stück genießen. Die eignen sich sowohl für die Tanzfläche als auch zum Entspannen auf der heimischen Couch.
Zunächst dominieren in "Fyrsti Stormur" atmosphärische Klänge, wenn ein dezenter 4/4-Bass, dubbige Texturen und deepe Ambient-Flächen ertönen. Die scheinen nach wie vor hörbar von der atemberaubenden isländischen Natur beeinflusst zu sein. Das kennt man von Guðmundsson ohnehin nicht anders. Erst ab "Annar Stormur" entfaltet die Scheibe nach und nach ihre technoide Wucht, die seinen bisherigen Veröffentlichungen noch fehlte. Dadurch kehrt er wieder ein Stück weit zum Minimalismus seiner früheren Platten zurück. Vom Zuckerguss seines letzten Albums "Stars And Dust" keine Spur mehr.
Außerdem hört man Vocals eher im Hintergrund. Für die zeichnet sich wieder einmal die Japanerin Hatis Noit aus, die sich bereits an "Sleepygirls" von 2014 beteiligte. Die verleiht dann ab "Þriðji Stormur" mit ihrem Flüstern dem Album etwas Geheimnisvolles, das ansonsten etwas ungewohnt Rauschhaftes besitzt. Gerade "Fimmti Stormur" mutet mit markanter Bassdrum beinahe rauh an, bevor in "Sjötti Stormur" wieder dubbige Beats, ambiente Klänge und ihre sanfte Stimme Einzug ins Soundbild halten, ohne dass sich die bpm-Schlagzahl verringert.
Mehr Unbehaglichkeit kommt schließlich in "Sjöundi Stormur" ins Spiel. Das führt mit rhythmischer 4/4-Snare und flirrenden Sounds vor dem inneren Auge an eine dunkle Lichtung vorbei. In "Níundi Stormur" fließen dann sämtliche Komponenten ineinander: Auf- und abschwellende Dub-Beats, reduzierte Ambient-Flächen, mysteriöses Flüstern und kraftvolle Bass-Klänge laden zu einem Trip durch eine verregnete Landschaft ein. "Tíundi Stormur" verbreitet demgegenüber wieder etwas mehr Enthusiasmus, wenn der Härtegrad noch einmal anzieht, bis die Scheibe mit weiter und wehmütiger Elektronik endet.
Yagya verfeinert auf "Stormur" seine Musik um mehr Dynamik und Tempo, ohne seine Signatur zu verleugnen. Jedenfalls speist die Platte ihre besondere Faszination aus dem tollen Wechselspiel zwischen technoider Euphorie und Melancholie.
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