laut.de-Kritik
Die ideale Schnittmenge aus Produzentenpop und Rockband.
Review von Manuel BergerIch gebe zu: Von außen betrachtet wirkt Zayde Wølfs "Golden Age" mit seinem generischen Hochglanzcover wie das nächste totproduzierte Wegwerfpop-Produkt – geschaffen einzig und allein dafür, einen schnellen Charterfolg zu feiern, um dann inmitten all der anderen gleichtönenden Plastikscheiben auf der Müllhalde des Vergessens zu landen. Und charttauglich ist Zayde Wølf allemal.
Seine Songs passen wunderbar in die Schnellkonsumgesellschaft, ebenso die Texte, die über übliche Power-Lyrics nicht hinausreichen und ganz bewusst einfach, prägnant und mit pushenden Zeilen à la "Nothing's gonna stop me now" die Klischeewelle reiten. Und wo ist es nun, das unvermeidliche 'aber'? Es gibt gleich mehrere:
"Golden Age" hat Substanz. Die Simpel-Hook-Fassade hält ein Fundament, das dafür sorgt, dass die Tracks eben nicht nur einen Ohrwurm lang durchrauschen und spätestens nach dem dritten Durchlauf anfangen, höllisch zu nerven. Ähnlich wie Rag'n'Bone Man hat Zayde Wølf eine Identität vorzuweisen, die zwar Teil der Masse ist, sich aber insofern abhebt, als dass sie nicht einfach auf Performer XY übertragbar ist.
Das Album ruht sich zudem nicht nur auf 'dem einen' Hit aus, sondern präsentiert quasi durch die Bank Hymnen.
Dabei fährt Zayde Wølf nicht 14-mal dieselbe Schiene, sondern bietet Abwechslung. Während der Titeltrack das Introstatement als euphorische Radiohymne bestreitet, gibt das anschließende "Hustler" einen großen Schuss Rock- und Blues-Vibe zu. Wesentlich energischer, fast schon brachial schlägt der Puls dieses Tracks und erinnert etwa an den Power-Pop Megan Lanes.
Hinter dem Pseudonym Zayde Wølf verbirgt sich der Produzent Dustin Burnett. Bevor er mit Ende Zwanzig eine Karriere als Songwriter hinter den Kulissen startete, war er als Frontmann einer fleißig tourenden Band aktiv. Für Zayde Wølf kommt ihm die Erfahrung beider Baustellen zugute: Einerseits weiß der Mann ganz genau, wie ein Popsong aufgebaut sein muss. So entstehen zwar Tracks, die er theoretisch auch wie gewohnt an seine Kunden verkaufen könnte.
Trotzdem schafft er es irgendwie, sich die Songs zu eigen zu machen. Immer wieder entdeckt man Passagen, die statt glattpolierten Schemata zu entsprechen, lieber Spielfreude in den Vordergrund rücken. Gerade diese Kombination macht einen Song wie "Army" zur idealen Schnittmenge aus Produzentenpop und Rockband.
Und irgendwie ist es schon erstaunlich wie selbstverständlich hier verschiedene Genres ineinander übergehen. "Champion" wartet mit Rap- und Rave-Parts auf, den gelegentlichen Bluesanteil erwähnte ich bereits. "Live Life" weckt Erinnerungen an Imagine Dragons (zugegeben: einer der seichten Durchhänger der Platte), "King" riecht ein wenig nach Major Lazer, über der Synth-Pop-Oberfläche schwebt ein allgegenwärtiger Indie-Rock-Dunst. Und warum "New Blood" im Trailer zu "Jack Reacher 2" auftaucht, bedarf nach dem Hören keiner Erklärung mehr.
Auf einige der 13 regulären Songs hätte man zwar gut verzichten können. Das Balladenduett mit Ruelle, "Walk Through The Fire" entstammt etwa direkt oben verschrieenem Austauschfließband. Da können die Streicher noch so sehr epische Blockbuster-Momente heraufbeschwören – das rutscht einmal durch den Magen und durchfallartig hinten wieder raus.
Düsterbass, Klirrklatschen und Pumprhythmus wie in "Built For This Time" kann man sich dafür schwerlich entziehen. Und dass Dustin Burnett mit Percussion umgehen kann, zeigt nicht erst der Bonustrack "Save This City". So gelingt Zayde Wølf mit seinem Debüt-Longplayer ein vielseitiges Pop-Album, das sich – besonders dank Brechern wie "Hustler" und "New Blood" – deutlich über den Durchschnitt erhebt.
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