laut.de-Kritik
Noise und No-Wave wie aus den Neunzigern.
Review von Mathias MöllerIch muss gestehen: "Amorine Queen" ist wohl eines dieser eher unwahrscheinlichen Alben. 2006 sah ich die frisch reformierte deutsch-dänische Combo auf der Bühne und war ob ihrer noisigen Performance verzückt. Dennoch gab ich dem Trio keine Zukunft. Umso erstaunter war ich, als auf einmal die Promo zu "Amorine Queen" in der Redaktion lag.
Die Parallelen zu den New Yorker Avantgarde-Göttern Sonic Youth lagen schon live auf der Hand, das dritte Album des Trios 18th Dye bestätigt diesen Eindruck. Eine zarte, wenn auch schräge Gitarrenmelodie mit einzelnen Tropfen einer weiteren Sixstring begleitet Sänger Sebastian Büttrich beim Opener "Island Vs. Island", Bassistin Heike Rädeker stimmt in den Refrain ein. Hier bricht der Song kurz aus, um in der zweiten Strophe bis auf ein bleibendes Feedback wieder zu verstummen.
Und auch so, wie Rädeker das Wort "you" singt und haucht, fühlt man sich an Kim Gordon erinnert. Parallelen zwischen Büttrich und Thurston Moore sind auch nicht immer von der Hand zu weisen. Noch deutlicher sind die Gemeinsamkeiten auf dem poppigen "Soft The Hard Way" mit gedoppeltem Gesang und einer Gitarre, die ständig am Feedback-Abgrund steht. Die beiläufig-lässigen Drums erinnern an Steve Shelley. Nur das irgendwie deplaziert wirkende Rock'n'Roll-Piano unterbricht das zwanghafte Vergleicheziehen.
Es ist letzten Endes unangebracht, 18th Dye ständig mit den No Wave-Pionieren in Verbindung zu bringen. Das Trio Büttrich, Rädeker, Bendtsen besitzt durchaus die nötige Eigenständigkeit und zelebriert auf "Amorine Queen" seine Kantigkeit. Mir rollen sich die Zehennägel bei "Chinese Spoon" zwar hoch, wenn der Frontmann durch den Vocoder singt, aber die dramatischen und effektvoll eingesetzten Streicher retten den Song.
In Sachen Songwriting hat es die Band, deren letztes Studioalbum immerhin vor dreizehn Jahren erschienen ist, immer noch voll drauf. Spannungsbögen halten die Stücke spannend, jede Nummer wandelt traumsicher den dünnen Pfad zwischen Poppigkeit und Unzugänglichkeit. Pompös wirken die Streicher auf "Amorine", das die Basserin alleine singt. Der Gesang ist verzerrt, Schlagzeuger Piet Bendtsen leistet vertrackte Schwerstarbeit. Und doch wirkt es irgendwie lieblich.
Nach dem kurzen interludischen "On Waking Up" treibt "Is" den Hörer unruhig vor sich her. Ein bisschen fühlt man sich hier mit dem Duettgesang von Büttrich und Rädeker an Sons & Daughters erinnert. Ganz groß auch das fast schon dadaistisch betitelte "Text Is My Killer", das stumpf eine Akkordfolge wiederholt. So reduziert darf es dann manchmal auch sein.
Für zwölf Titel und knapp 39 Minuten Spielzeit entführen 18th Dye den Hörer dorthin, wo sie selbst herkommen. In die Neunziger Jahre. Das muss man mögen, aber wer für Alternative Rock mit Noise- und No-Wave-Anklängen ein offenes Ohr hat, findet in "Amorine Queen" ein hörenswertes Album.
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