laut.de-Biographie
Afghan Whigs
Die Afghan Whigs sind für eingefleischte Fans eine der wichtigsten amerikanischen Rockbands, die zum Kern der Grunge-Bewegung zählen. Ähnlich wie den Screaming Trees ist ihnen jedoch die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit verwehrt geblieben. Der kuriose Name geht angeblich auf eine gleichnamige 60s-Bikergang zurück, die aus pazifistischen Muslimen bestand. So erklärt es die Band, die sich hier vielleicht nur einen Scherz mit den Medien erlaubte.
Greg Dulli (Gesang, Rhythmusgitarre), Rick McCollum (Gitarre), John Curley (Bass), und Steve Earle (Schlagzeug) gründen die Afghan Whigs in Cincinnati, Ohio im Jahr 1986. Einziges konstantes Bandmitglied in den folgenden Jahrzehnten bleibt Dulli. Die Whigs sind von A bis Z sein Baby. Egal ob Songwriting, Texte oder Produktion: Alles ruht in seinen Händen. Mitmusiker sind im Grunde kaum mehr als Gaststars im obsessiven Dulli-Universum. Von Garage-Punk kommend, entwickelt der glühende Black Music-Fan Dulli eine ganz eigene Vorstellung von Rockmusik. Viel Melodie und einprägsame Refrains bettet er in wuchtige Riffs, markante Hooks sowie viel sägende Gitarrenteppiche. Dazu ein dramatischer Songaufbau und zur Krönung seine großartigen Vocals.
Greg Dullis Stimme ist das Markenzeichen der Whigs. Seine Liebe zur Musik der Schwarzen äußert sich in einem souligen Grundton, der mal in schroffe Aggression ausartet, mal in pures Schmachten. Diese spezielle Melange hat mit Grunge im Grunde nichts gemein, weder ästhetisch noch musikalisch. Dennoch wird der Testosteron-Bolzen samt seiner Truppe von Medien- und Fanseiten in den 90ern gern unter Grunge subsumiert. Das liegt zum einen daran, dass das legendäre Label Sub Pop die Whigs signt. Hier nehmen sie zwischen den ganzen Szene-Ikonen eine recht exotische Ausnahmeposition ein und sind die erste Vertragsband, die nicht aus dem Nordwesten der USA stammt. Zum anderen liegt es an der teils engen Freundschaft zu Mudhoney oder Dave Grohl.
Einzige inhaltliche Parallele bleibt die teils recht düstere Film Noir-Stimmung, die Dulli gelegentlich durchschimmern lässt. Seine Texte handeln oft von Desillusionierung, Wut und Gewalt. Introspektive Drogen-Stories wechseln sich mit tragisch enttäuschter Romantik und demonstrativ machohaft vorgetragener Maskulinität ab. Die oft ironische bis sarkastische Distanz und schwarzhumorige Pointen unterscheiden ihn dabei komplett von der Masse der Labelkollegen.
Jede Platte klingt unterschiedlich und doch unverkennbar nach den Afghan Whigs. "Congregation" etwa hat den stärksten Stax-/Motown-Touch, verbunden mit dem 80er Indie-Sound der späten Hüsker Dü. "Gentlemen" wirkt rockiger und etwas moderner. Und das grandiose "Black Love" öffnet sich musikalisch und textlich der Finsternis. Mord und Paranoia geben sich hier die Klinke in die Hand und einen Einblick in die Untiefen von Dullis dunkler Seite.
Ihr berühmtestes und beim Publikum beliebtetes Lied ist der hymnische Hidden Track "Milez Is Dead" vom erwähnten 1992er Album "Congregation". Geschrieben als Hommage und Requiem für den im Herbst 1991 verstorbenen Miles Davis handelt der Song von Tod bringender Sucht, Ausweglosigkeit und Schmerz. Musikalisch genial kontrastiert von dramatischer Catchyness und einem cleveren Funk-Riff. Kein Konzert kommt ohne diese ewige Visitenkarte aus, die live gern auf bis zu zwölf Minuten gestreckt wird.
Auch neben den Afghan Whigs fährt Dulli zahlreiche Lorbeeren ein. Sei es der Soundtrack für Ted Demmes Film "Beautiful Girls", die gravierenden muikalischen Beiträge zu Dave Grohls Foo Fighters-Debüt oder das charismatische Sideproject The Gutter Twins mit Kumpel Mark Lanegan. Mit der Mutterband passiert higegen nach 1998 vorerst nicht mehr sehr viel.
16 Jahre müssen die Fans warten, ehe 2014 unter dem Titel "Do To The Beast" ein neues Album erscheint. Wie gereifter Wein bündelt die Platte alle alten Stärken in einer Intensität, die man getrost als Krönung ihres bisherigen Schaffens ansehen darf. Alle Beteiligten fühlen sich großartig mit dem Comeback und reichen schneller als gedacht das Dessert nach: "In Spades" erscheint 2017. Ihren Stil verrücken sie kaum merkbar, verfeinern dafür Attitüde und Anspruch weiter. Wer auf Revision alter Preziosen vom Schlage "Retarded" oder "Amphetamines & Coffee" wartet, der tut das auch weiterhin vergeblich. Gerade aufgrund dieses Abwechslungsreichtums muss man die Band einfach lieben.
2 Kommentare mit 8 Antworten
Das Warten hat sich absolut gelohnt!!!!
Black Love ist am Freitag 25 Jahre alt geworden. Ich denke aber, es nimmt euch niemand übel, wenn ihr die Meilenstein-Review dazu erst in der nächsten Woche bringt
Ui, nicht die Gentlemen mit dem überragenden My Curse? Wäre mangels Kenntnis anderer Alben jedenfalls mein Favorit
*seufz*, ich sehe schon, die Liste wird länger...
Armer Kubischi. So viel gute Musik, die es noch zu entdecken gilt.
Ja, schlimm is das. Wann soll ich das denn alles hören, wo ich doch 24/7 den Stockfisch mit CAPS' Zügen füttern muss?
Die Gentleman ist auch toll, kommt aber mehr über die einzelnen Songs und für mich nicht an die Black Love ran. Da ist die ganze erste Hälfte bis einschließlich Honkeys Ladder Weltklasse und klingt wie aus einem Guss. Mit Going to Town ist auch ihr Bester Song drauf. Nach hinten raus klingts mir ein bisschen zu doll nach Meat Love, aber dann bin ich ohnehin damit beschäftigt, meine Kinnlade wieder einzurenken.
Es gibt einen laut.de Schachclub?
Ja, hat aber bisher nur ein Mitglied mehr als der laut.de Schwinger-Club.
Jeder Sunday ist Sloppy Sunday!