laut.de-Kritik
Vom Psychokiller zum Krümelmonster.
Review von Ulf KubankeAuch mit fast 63 Jahren hat der Mann aus Michigan nichts von seiner einmaligen Anziehungskraft eingebüßt. Also willkommen in Onkel Alice' Geisterbahn. Seine Show wartet mit einer neuen Superlative auf. Gleich viermal kommt er in 90 Minuten auf der Bühne ums verkommene Leben. Eine genaue Beschreibung der phantasievollen Schlachtorgie muss ich mir an dieser Stelle verkneifen, um nicht jegliche Überraschung im Keim zu ersticken.
Natürlich ist das blutige Geschehen noch immer gruselig. Aber ebenso selbstverständlich ist Coopers Grusical letzten Endes ein liebenswürdig altmodisches Varieté im Vergleich zu den kalkulierten Bühnenschocks anderer Kollegen oder der Tortureporn-Welle im Kino. Zwischen derbem Schockeffekt, einer Prise Slapstick und dem obligatorischen Happy End mit Luftballons und bunten Lichtern verlangt er seinem Publikum einiges ab und gibt selbst alles inklusive seiner selbst. Von Exorzismus über die Katharsis bis hin zur finalen Erlösung liegen knapp 30 Tracks auf Coopers charmantem Highway to and back from Hell.
Die Songauswahl ist insgesamt gelungen. Das "Spider Album" kommt mit nur einem Lied, "Vengeance Is Mine", vergleichsweise schlecht weg. Doch die Platte taugt ohnehin nicht zum Klassiker. Die 70er, Coopers goldene Ära, hingegen sind zum Glück reichhaltig vertreten. Selten gespielte Klopper wie "Nurse Rosetta" oder "From The Inside" vom gleichnamigen 1978er Werk zeigen sich erfrischt im modern ruppigen Hardrockgewand. Auch das großartige fast 40 Lenze zählende "Ballad Of Dwight Fry" passt mit seinem hymnischen Charakter hervorragend ins bewährte Live-Konzept.
Über eines muss man sich indes keinerlei Ilussionen machen. Die nuancierten Studioversionen, die anno 1976 sogar teilweise einen leicht funky Touch hatten, wie "Go To Hell" oder "Guilty" ballert die Band in hemdsärmeligem Schweinerock runter. Das ist schade, weil eine vertane Chance, den eigenen Songwriterstern in der Live-Präsentation wirklich so hell erstrahlen zu lassen, wie die Stücke es verdienen.
Bei den derben Rocknummern wie "No More Mr Nice Guy" oder "Under My Wheels" überzeugt die Truppe hingegen. Ebenso beim swingenden "Killer". Bis auf Damon Johnson ist niemand mehr aus der Montreux-Phase mit von der Partie. Und die aktuelle Besetzung spielt ihren Stiefel flüssiger und kompakter herunter als man es dort oder auf diversen 80er/90er Gigs gewohnt war. Klarer Pluspunkt!
Der atmosphärische Höhepunkt fast eines jeden Alice Konzerts sind die unverwüstlichen Balladen "Only Women Bleed" und "I Never Cry". Würdevoll und mit angemessener Dr Jeckyl Gesangsstimme performt er die intensiven Melodien. Die superben Lyrics unterstreicht er dabei so professionell wie nur ein Showhase ganz alter Schule es vermag. Dennoch wird es wohl auf ewig Coopers Geheimnis bleiben, warum ein so passionierter und talentierter Balladenschreiber stets auf dieselben Songs zurückgreift und nicht auch mal ruhige Meisterwerke wie "Wake Me Gently" oder "Former Lee Warmer" aus seinem großen Backkatalog zum besten gibt.
Mit "School's Out" als Outro ist die Welt dann wieder in Ordnung. Alice mutiert vom Psychokiller zum Krümelmonster im silbrigen Las Vegas Glitzeranzug und animiert zur Party. War alles nur ein schauriger Traum? Wenn ja, darf er mich gern aufs Neue heimsuchen; trotz der kleinen Schwächen.
3 Kommentare
Ist das nicht der alte Mann, der mit dem Sänger von Tokio Hotel Werbung für Saturn macht?...
Ich wusste, dass dieser Kommentar kommen wird....^^
"Bis auf Damon Johnson ist niemand mehr aus der Montreux-Phase mit von der Partie."
Nicht, dass es so extrem wichtig ist, aber Bassist Chuck Garric war bei der Montreux-Phase (??) auch schon dabei... der ist schon seit über 10 Jahren dabei... der einzige, der die ganze Zeit konstant dabei war.
Aber was die Songauswahl betrifft haste Recht... da könnte Herr Cooper etwas kreativer sein.