laut.de-Biographie
Amos Lee
Selten hat ein Künstler so viele Vorschusslorbeeren aus qualifizierten Mündern erhalten wie Amos Lee. Mit zwei selbst veröffentlichten EPs ergattert er 2003 den Posten als Opener für Bob Dylan und B.B. King. 2004 begleitet er Norah Jones erst auf Europa-, dann auf USA-Tour. Das alles, bevor man überhaupt ein Album von ihm zu kaufen kann. Sein Debüt "Amos Lee" erscheint erst 2005.
1977 in Philadelphia geboren, schreibt sich Lee mit 18 an der University Of South Carolina ein und beginnt, mit seiner Gitarre in Kneipen und bei öffentlich zugänglichen Radiosendern zu spielen. Nach dem Abschluss kehrt er nach Philadelphia zurück, wo er einen Job als Sonderschullehrer in einem Sozialviertel annimmt. Dabei sei er zu neuen Erkenntnissen gelangt, wie er in einem Interview erzählt. "Sicher hat mir das die Augen geöffnet, gezeigt, wie schwer es manche schon von Kindheit an haben. Wenn man in Amerika in einen sozioökonomisch schwierigen Background hineingeboren wird, ist es sehr hart, etwas zu erreichen."
Offensichtlich zählt er sich nicht dazu, denn Lee beschließt, die Stelle zugunsten einer Vollzeitkarriere als Musiker aufzugeben. Inspirieren lässt er sich vor allem von Singer/Songwritern aus den 70ern wie John Prine, James Taylor oder Neil Young, deren Folk er mit dem Soul Stevie Wonders und Bill Withers' verknüpft. Während er an seinen Liedern feilt, hält er sich als Kellner und Barmann über Wasser. "Die Zeit zwischen meiner Kündigung als Lehrer und dem Abschluss meines Plattenvertrags war wunderbar und lustig", erinnert er sich.
Die Unterschrift erfolgt 2004 beim legendären Jazz-Label Blue Note. Im Juli desselben Jahres begibt er sich für zwei Wochen in den Magic Shop in New York, um die elf Stücke seines Debüts aufzunehmen. Mit von der Partie sind u.a. die Jazzgrößen James Gadson am Schlagzeug, Lee Jones am Bass und Norah Jones, die auf zwei Stücken das Klavier bearbeitet.
Lees zweites Album "Supply And Demand" erscheint 2006, unter anderem mit einem Beitrag von Lizz Wright. Für "Last Days At The Lodge" ändert er zwei Jahre später sein Konzept: Für den anspruchsvollen Pop im Stile Ben Harpers heuert er Koryphäen wie Produzent Don Was, Bassist Pino Palladino und Keyboarder Spooner Oldham an.
Die Hochachtung bleibt groß, der kommerzielle Durchbruch lässt aber nach wie vor auf sich warten. Auf seinem vierten Album "Mission Bell" schlägt Lee mithilfe der Produktion von Joey Burns und seinen Calexico Indie-Töne an und siehe da: 2011 erreicht er die Spitze der US-Billboard-Charts.
Ein Jahr später erscheint mit "As The Crow Flies" eine eher schwache EP mit sechs Stücken, die es nicht aufs Album geschafft haben. Nicht ganz auf der Höhe erweist sich auch Album Nummer fünf, "Mountains Of Sorrow, Rivers Of Song" (2013), das er mit seiner Liveband in Nashville aufnimmt. Eher poppig als countryesk, erreicht es nur stellenweise die Intensität seiner Vorgänger.
Die immer wieder neue musikalische Umsetzung setzt sich auch auf den Folgealben fort, auf "Dreamland" (2022) versucht sich Lee gar an Stadion-Poprock. Seine musikalische Zielsetzung ändert sich jedoch nicht. "Was ich definitiv möchte, ist Songs zu schreiben, zu denen die Menschen eine Beziehung haben können", erklärt er in einem Interview.
Es folgen gleich zwei Tribute-Alben: "My Ideal" über Chet Baker und das Great American Songbook, "Honeysuckle Switches" zu Ehren von Lucinda Williams. Beides gelingt ausgesprochen gut - ob es den Künstler Lee weiterbringt oder er sich künstlerisch seinen Vorbildern zu sehr unterwirft, muss das nächste Album mit Eigenmaterial zeigen.
"Transmissions" muss die Muskeln nur ganz kurz anspannen, und schon ist klar, dass Lee mit viel Drang und Gefühl voll da ist. Ein ganz feines Album mit einem leider nachlassenden zweiten Teil, auf dem ganz viel richtig läuft, mit einer oft vorherrschenden Anspannung, die den Pathos genau austariert.
Noch keine Kommentare