laut.de-Kritik
Sie müsste das Feminismus-Label nicht scheuen.
Review von Dominik LippeEs hat beinahe eine tragische Note. Antifuchs schäumt vor Talent und Leidenschaft über, doch scheitert stets daran, ein stimmiges Album zustande zu bringen. Auf "Love, Weed & Mittelfinger" gab sie gleich mehrere Songs a cappella zum Besten, doch eine klare Linie und Orientierung fehlten. All ihre Stärken und Schwächen treffen gleich im eröffnenden Song von "Feminem" aufeinander. Die Rapperin lässt sich mal sanft, mal bestimmt, mal geflüstert und mal frei herausschreiend durch "Aussenseiter" treiben. Aus ihrer Performance spricht zu jedem Zeitpunkt eine bewundernswerte Selbstsicherheit.
Dem gegenüber steht ein konfus widersprüchlicher Inhalt. Antifuchs tritt zeitgleich trotzig, betrübt, mutlos, verloren, beharrlich, fatalistisch, erfolgssicher und hoffnungsfroh auf. "Ich versprech', ich werd' erwachsen, doch werd' jedes Jahr nur älter. Was noch aus mir werden soll? Das weiß ich nicht mal selber", resigniert sie in ihrer Ziellosigkeit, um sogleich wieder eine 180-Grad-Wende in eine goldene Zukunft zu vollziehen, "Vielleicht brauch' ich noch ein Jahr, doch ich brauch' ganz bestimmt kein Glück." Sie spricht eben noch offen von Selbstmord, und schon sieht sie wieder das Licht am Ende des Fuchsbaus.
Als "Aussenseiter" fristen noch andere ihr Dasein. Disarstar drängt sie in "Randale & Heckmeck" an den Rand ihres eigenen Songs. Er gibt sich als Wandelnder zwischen den Milieus mit FDP-Abneigung, während Antifuchs abgesehen von einem Zitat von Ton Steine Scherben wenig Ergänzenswertes einfällt. Swiss funktioniert als Kooperationspartner in "Goldkröten" bedeutend besser. Verpackt in bitterer Ironie statt moralinsauren Vorwürfen beanstanden sie ignorante Influencer und sonstige Egozentriker, die trotz aller offensichtlichen globalen Krisen vor allem Aufmerksamkeit für sich selbst einfordern
Wirklich gelungen, begibt sie sich für "Bamm-Bamm & Pebbles" mit Kulturerbe Achim in ein goldiges Steinzeit-Setting. Mit grobschlächtigem Dancehall verlegt sie ihren Sex-Rap in die passend unkultivierten Zeiten der Flintstones, wobei sich die Rapper mit dem Bezug auf die Cartoon-Kinder eine Prise Unschuld erhalten, außerdem jede Menge Humor. Auf den verschrobenen Blödel-Horror von "Waldweg" folgt das Highlight: Für "1999" hüllt Tacka77 ihre biografische Rekapitulation in einen musikalischen Nebel, durch den Antifuchs wie der alkoholkranke Detective in einem Film Noir wandelt.
Für die Rapperin bilden diese Songs eher Ausnahmen vom Savas'schen Blick in den Rap-Rückspiegel. "Ich mach' das nur für die Kultur", insistiert sie in "Rap Bis Ich Tot Bin" auf ihre anachronistische Attitüde. Gastrapper Beka vergleicht sich dazu mit Big L, Jay-Z, Snoop Dogg oder Layzie Bone, was natürlich ungeheuer albern rüberkommt. In "Biggie Oder Tupac" kippt die hängengebliebene Haltung völlig ins Peinliche, wenn Antifuchs klarstellt: "Wir bewerten Menschen nach der Frage: Biggie oder Tupac?" Statt sich an East- oder Westcoast zu orientieren, driftet der Sound absurderweise in Richtung Nu Metal.
"Hi Kids, habt ihr Bock auf Violence?", zitiert sie im Titelsong Eminems "My Name Is" und erweist auch visuell mit Zwangsjacke und Therapiegespräch ihrem Vorbild Reminiszenz. "Ich will nur Savas sein' Respekt und von Eminem ein Feature. Nicht weil ich's mir kaufe, sondern weil ich's mir verdient hab'." In "Feminem" markiert sie ihr Revier, in dem sich "keine Konkurrenz, egal ob männlich oder weiblich", tummelt. Für einen vom Battle-Rap geprägten Menschen mit Aufstiegsambitionen ergibt die Pose absolut Sinn. Weniger clever mutet dagegen ihre erneute Distanzierung vom Feminismus an.
"Ich kämpfe für mich selbst, ich bin keine Feministin", betont sie mehrfach deutlich. Niemand verlangt von der Rapperin, sich identitätspolitisch zu engagieren oder einer weiblichen Kommune anzuschließen, aber ihre seltsame Negierung widerspricht der zeitgleich zelebrierten Antihaltung. "Ich hätte mehr Erfolg, wär' ich nackt", erkennt sie sogar selbst, und entscheidet sich dagegen. Sie verhöhnt Kolleginnen mit operierten Brüsten und entzieht sich auch sonst allen Vorgaben an Frauen, um den Fokus ganz auf ihre Leistungen im Kerngeschäft Rap zu legen. Wer sich derart für Gleichberechtigung stark macht, muss das Feminismus-Label nicht scheuen.
7 Kommentare mit einer Antwort
Sie kann was. Die Texte find ich nicht so pralle. Aber sie ist gut, können viele hierzulande einpacken.
Die ist schon gut und man merkt ihr an, dass sie das alles sehr passioniert und hingabevoll macht, feilt, verbessert, detailverliebt ist, aber irgendwie will der Funke nicht überspringen. 3/5 passt.
Ein gutes Album. Es fehlen nur ein zwei Schritte mehr um es zu einem großartigen zu machen. Hoffentlich mit der nächsten Platte.
Ich glaube das Problem ist, dass sie unter ihren Möglichkeiten agiert. Also nicht textlich und von ihren Rapskills betrachtet, sondern von der Instrumentalisierung her. Es ist nicht so, dass die Beats nicht gut produziert sind, sie erfüllen hohe Standards, aber der Knackpunkt liegt im Wort "Standard". Ein bisschen mehr den eigenen Horizont sprengen, vielleicht weirde Samples benutzen, ausnahmsweise EDM-Elemente in Betracht ziehen, hier und da mehr Gesang für ein wenig Abwechslung, dann sollte das umstrittene und viel beachtete Werk für sie machbar sein. Das kann sie alles tun, ohne gleich ihre komplette Realness zu opfern.
Möchtegern-Links wie Tamas
allein dieses "ich bin besser weil angezogen und natural boobies " finde ich so widerlich. vermutlich nur neidisch , seit 2015 im Game und trotzdem nur 172000 monatliche Hörer bei Spotify...