laut.de-Kritik

Ruhepause in der Blauen Lagune Islands.

Review von

Muttersprache adé. Nachdem Islands jüngster Indie-Export mit "In The Silence" 2013 auch den internationalen Markt für sich entdeckte, entsagt Ásgeir Trausti Einarsson dem Isländischen auf Studioalbum Nummer zwei nun beinahe endgültig. Der einzigartigen musikalischen Magie der Elfeninsel tut das allerdings keinen Abbruch. Schließlich erzählt das gar nicht mal so akzentfreie Gesäusel des 24-Jährigen über weite Strecken eher vom "Afturkló" denn vom "Afterglow".

Und tatsächlich präsentiert sich das Zweitwerk als bittersüßes Nachglühen zum elegischen Achtungserfolg "Dýrð í dauðaþögn". Gleicht Traustis Justin Vernon-Gedächtnisfalsett in der einen Sekunde einem lauwarmen Schluck Isländisch-Moos-Tee, lullt er einen wenig später ein wie ein Bad in der Blauen Lagune Grindavíks. So untermauern zahlreiche Vocallayer, wimmernd flache Synth-Pads und unterschwellige Folk-Patterns zwar den – von der Vorab-Single "Stardust" einmal abgesehen – äußerst fragilen Grundtenor des Albums, mehr denn je versucht Ásgeir jedoch, die behutsam konstruierten verletzlichen Momente der Platte etwas aufzubrechen. Das geschieht mal über die gewohnt ruckligen E-Drum-Verzierungen des Debüts ("Dreaming"), findet aber auch immer mal wieder an der Grenze zum R'n'B statt ("Unbound"). Justin Timberlake feat. Bon Iver, anyone?

Der Struggle, den ein erfolgreiches Debütalbum mit sich bringt, ist Ásgeir durchaus anzuhören. Denn nach fünf Jahren des Tourens und der Re-Releases kam eine schlichte Kopie des Erstlings gar nicht mehr in Frage. Insofern ist es wohl als freudige Überraschung anzusehen, dass der Multiinstrumentalist allem EM-bedingten Island-Hype zum Trotz nicht etwa einen Schritt näher Richtung Radiotauglichkeit rückt, sondern sich sogar weiter denn je davon entfernt. Kein "Torrents"-Bombast, kein "King And Cross"-Airplaypotenzial. Stattdessen die Suche nach dem Ruhepol, der kaum wahrnehmbaren Stille, der ländlichen Geborgenheit, die Ásgeir Trausti nach erfolgsbedingten Globusumrundungen schlussendlich wieder im heimischen Norden der Insel fand.

Wie sich das äußert? In tief heulenden Moog-Synthesizern etwa, die rhythmischen Halbballaden wie "Underneath It" nicht nur Anohni-Vergleiche einhandeln (selbiges gilt für "Fennir Yfir" und "Hold"), sondern sich zugleich auch als fehlendes Puzzleteil zwischen James Blake und Sigur Rós entpuppen. Und auch wenn Ásgeir in Sachen Vibe und Feeling über 44 Minuten so ziemlich gar nichts falsch macht, ist er von der kompositorischen Klasse jener Referenzgiganten noch ein gutes Stück entfernt.

Auch mit teils extrovertierteren Momenten ("I Know You Know"), Björkschem Hintergrund-Vocal-Sample-Gezucke und unterschwelligen Synth-Arpeggios ("Here Comes The Wave In") hält "Afterglow" nicht immer hundertprozentig bei der Stange. Dass weniger dabei häufig mehr und Monotonie das vielleicht legitimste isländische Stilmittel ist, haben seine Landsleute in der Vergangenheit gewiss zur Genüge bewiesen. Aber auch bei konzentrierten Kopfhörer-Konsumenten bleibt ein gelegentliches Abschweifen mangels dynamischer Abwechslung nicht immer aus.

Was nicht bedeuten muss, dass "Afterglow" genau jene Platte ist, die Ásgeir nun abliefern musste. "Dýrð í dauðaþögn" war der Ruf in die weite Welt, "Afterglow" ist die surrealistische Heimkehr eines jungen Mannes, der den Großteil seines Lebens zwischen Fjords, Thermalquellen und Gletschern verbracht hat.

Trackliste

  1. 1. Afterglow
  2. 2. Unbound
  3. 3. Stardust
  4. 4. Here Comes The Wave In
  5. 5. Underneath It
  6. 6. Nothing
  7. 7. I Know You Know
  8. 8. Dreaming
  9. 9. New Day
  10. 10. Fennir Yfir
  11. 11. Hold

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