laut.de-Kritik

Die Zeiten des schläfrigen Country sind endlich vorbei.

Review von

Mitte der 2000er bis Anfang der 2010er Jahre gab es kaum eine amerikanische Fernsehserie, in der kein Song von Band Of Horses vorkam. "Criminal Minds", "FlashForward", "Gossip Girl", "Numb3rs", "How I Met Your Mother", "Chuck" - Songs wie "The Funeral" oder "No One's Gonna Love You Now" und letztlich auch die Band selbst scheinen untrennbar verbunden mit diesem Zeitalter des linearen Fernsehens, in denen eine typische Staffel noch 24 Episoden hatte, von denen man auf mindestens die Hälfte gut hätte verzichten können.

Nach den beiden starken Alben "Everything All The Time" und "Cease To Begin" verloren sich Band Of Horses leider im Halbgaren, entfernten sich auf "Infinite Arms" und "Mirage Rock" weiter vom Sound ihrer Anfänge und schienen parallel zum linearen Fernsehen auf stetig abnehmendes Interesse zu stoßen.

2016 kam dann auf "Why Are You OK" so langsam der alte Sound zurück, sechs weitere Jahre hat es nun gedauert, bis Ben Bridwell mit seiner stetig fluktuierenden Kapelle so richtig an sein Frühwerk anknüpfen kann - vorbei sind die Zeiten des schläfrigen Country. Schon der Opener "Warning Signs" bietet wieder eingängige Delay-lastige Gitarren-Riffs und dahinter Geschrammel mit viel Dynamik, wie man es aus dem US-amerikanischen Nordwesten gewohnt ist. Immer noch bewegen sich viele der Tracks im verträumten, melancholischen Bereich, häufig blitzen aber auch sonnendurchflutete und optimistische Anklänge durch. Diesmal gingen Bridwell und seiner Band die meisten Stücke recht treibend von der Hand, was die knapp 40 Minuten Laufzeit des Albums zu einer belebenden Erfahrung macht.

Bridwells eindringlicher Gesang weckt dabei nostalgische Gefühle an das mittlerweile vorletzte Jahrzehnt, in dem Indie-Rock noch die Musik der Stunde war. "Crutch", "Lights" und "Ice Night We're Here" sind wunderbare Upbeat-Stücke, die dank des roughen Gitarrensounds eine ganz besondere Energie versprühen und den Eindruck vermitteln, dass die Musiker riesigen Spaß am Musizieren hatten. Im Produktionsprozess folgte Bridwell wieder mehr seinen eigenen Vorstellungen, wie er Stereogum verriet. Die Musik klingt jedenfalls gelöster als zuletzt, frischer und auch etwas verspielter.

"Tragedy Of The Commons" lebt vor allem von der Dynamik. Der Track gleitet immer wieder auf den durchgehend gespielten Becken durch seine Hook, in den Strophen bleibt er reduzierter und fährt das Tempo im C-Teil so richtig runter. "In The Hard Times" verweilt in dieser Langsamkeit. Obwohl der Song textlich das Verlassenwerden beklagt, findet er musikalisch eine angenehme Ruhe und Gelassenheit und verleiht dem Stück einen kathartischen Effekt. "Aftermath" arbeitet mit einem mitreißenden Laut-Leise-Wechsel, auf den der Track lange hinarbeitet. Die textliche Schwere gleicht die Musik aus: "I got you back / I lost myself in the aftermath / Fought me through panic attacks / Cut me down, I'm suffering the wrath" singt Bridwell. Diese negativen Erfahrungen hat er in etwas seltsam Schönes verpackt.

Tragischer wird es dagegen in "You Are Nice To Me", in dem es immer wieder heißt "I can't deny it, I've had a hell of a hard time". Auch dieser Track gerät aber nicht zu niederschmetternd und überzeugt vor allem aufgrund der zentralen Kombination aus verzerrter E-Gitarre, knalligen Drums und einem nach einer Ukulele klingenden Motiv. Mit "Coalinga" folgt darauf ein hymnischer Abschluss, der mit den schönen Worten "You're welcome back anytime" abschließt. Mit "Things Are Great" ist Band Of Horses endgültig der Sprung in das Streaming-Zeitalter gelungen. Der Seattle-Sound zündet auch 2022 noch.

Trackliste

  1. 1. Warning Signs
  2. 2. Crutch
  3. 3. Tragedy Of The Commons
  4. 4. In The Hard Times
  5. 5. In Need Of Repair
  6. 6. Aftermath
  7. 7. Lights
  8. 8. Ice Night We're Having
  9. 9. You Are Nice To Me
  10. 10. Coalinga

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