laut.de-Kritik
Amtliche Battletracks und Pornostyles aus Hannover.
Review von Dani FrommDas nenn' ich mal Schaffensdrang im wahrsten Wortsinne: Hat er nicht eben erst das zweite Album mit seiner Crew MB1000 fertig gestellt? Egal, jetzt schiebt Beneluxus sein Solo-Debüt nach. Offensichtlich hat da einer einen Lauf: "Purer Luxus" zeigt keinerlei Anzeichen von Überarbeitung oder gar Ausgelaugtheit. Auch, wenn ich die Einschätzung "Über-Album" nicht unbedingt teile, wird doch ein ordentliches, mehr als hörbares Stück Deutschrap geboten.
Ohne Zweifel zählt Beneluxus zu den besseren MCs, die mir in jüngster Vergangenheit unterkamen. Eleganter, müheloser Flow, geschickt konstruierte Reime, ein enorm umfangreicher Wortschatz und Talent für Spielereien mit der Sprache: All das scheint Beneluxus aus dem Handgelenk zu schütteln.
An Wandlungsfähigkeit mangelt es dem Mann aus Hannover ebenfalls nicht. Er steht in amtlichen Battletracks ("Yes, Man!") ebenso seinen Mann wie in Hymnen an die Kumpels ("Meine Homez", dickes Lob für den funkgeladenen Bass) oder die Heimatstadt ("H-Town Life", Anfahrtsplan, Stadtführung und kulinarische Empfehlungen inklusive). Ich sehe mich sogar gezwungen, ihm den gefühlsduseligen Auftritt in der Schnulznummer "Luxus In Love" abzukaufen. Merkt schon jemand, an welchem Haken ich meine Kritik aufzuhängen gedenke?
Genau. Es ist die überdurchschnittlich durchschnittliche Themenwahl, die Beneluxus präsentiert. Klar, Selbstabfeierei wie in "Who's Back Widda Überalboom?" gehört dazu, eben so Representer- und Battle-Shit. Technisch ist an Tracks wie "Yes, Man!" auch gar nichts auszusetzen: Bedrohlich kriechender Beat, hübsch dynamische Zeile-für-Zeile-Wechsel mit Kollegen Phrase ... Das hat ebenso Hand und Fuß wie "MCs Gehen Unter" über einem orientalisch inspirierten, mit Dauerwiederholung hypnotische Effekte erzielenden Instrumental. Technisch erste Sahne, inhaltlich langweilt mir jede "Ich bin das Alphatier, der Geilste, der King"-Nummer mittlerweile die Füße ab.
Das, verdammt noch mal, hab' ich schon tausendmal gehört, ebenso in glitzernden Farben ausgemalte Edel-Bling-Bling-Szenarien ("Purer Luxus"), Drogenabfeierei ("Fear & Loathing" mit Gruß an Becks "Loser"), gelegentlich eingestreute Pornostyles ("Geeeiiil!") oder den üblichen Clubtrack ("Wir Bleiben In Bewegung"). All diesen thematischen Allerwelts-Plots verleiht Beneluxus dennoch unbestritten Charme, da er (was leider viel zu selten geworden ist) seine Sprache bestens im Griff hat. Die Produktionen, zumeist auf hallenden, wuchtigen Bässen und reduziertem, oft interessant angeschrägten elektronischen Überbau basierend, tun das ihre dazu, um diesem Album mehr als ein Hörargument zu verpassen.
Jetzt noch die eine oder andere Geschichte, die man noch nicht kennt, und der Kerl, der 76 Reime auf "Kneipengestank" herunterrasseln kann, wäre nicht mehr zu stoppen. Dass er es drauf hat, beweist Beneluxus in "Zeitreise", einem großartig angelegten Rückblick auf sein Leben: Nach Jahren gestaffelt seziert er seinen Werdegang, von der Kaiserschnitt-Geburt über den grünen Strampelanzug zum Super Mario- und Michael Jackson-Fan, und weiter über den ersten Suff, das erste Tag, den ersten Auftritt, die erste Wohnung, den ersten Plattenvertrag, bis er beim vorliegenden "Überalbum" ankommt, das tatsächlich eines darstellte, hätte sich Beneluxus an die eigenen Vorgaben gehalten.
"Keine Innovations, keine King-Vibrations, alte Themen, alte Schemen" bemängeln er und Kollegen in "H-Boyz Anthem" bei der Konkurrenz. Gerade in punkto "alte Themen, alte Schemen" möge man sich doch ein wenig selbst an die Nase fassen.
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