20. November 2019

"Das Ding hat alles gesprengt"

Interview geführt von

Blind Guardian überwinden Grenzen und setzen Maßstäbe im Metal-Bereich, nicht nur in Sachen Bombast, sondern auch was die Qualität betrifft. 22 Jahre nahm die Arbeit an "Legacy Of The Dark Lands" in Anspruch.

Immerhin dreizehn Jahre liegt das letzte laut.de-Interview mit Blind Guardian zurück. Angesichts dieser astronomischen Zeitabstände pressierte ein neues Gespräch, weswegen es sich Sänger und Texter Hansi Kürsch nicht nehmen ließ, durchzuklingeln und Bericht zu erstatten. Eins vorweg: Der stimmgewaltige Barde kommt im Gespräch super sympathisch daher und gibt tiefe Einblicke in die laufenden und kommenden Projekte rund um Blind Guardian.

Zu seligen "A Twist In The Myth"-Zeiten als Kollege Edele mit euch sprach, war ich fleißiger Student und hatte mit laut.de noch nicht viel am Hut. Umso schöner dich jetzt an die Strippe zu kriegen. Ehrlicherweise hat mich lange keine Platte so überrascht wie "Legacy Of The Dark Lands". Das liegt möglicherweise auch daran, dass ihr euch analog zu zwei weiteren großen Bands aus dem Rock-Zirkus, namentlich Tool und Guns N' Roses, euch einiges an Zeit gelassen habt, die Platte an den Start zu bringen.

(Lacht) Bei Tool hab ich ja noch auf Innovation gesetzt. Ich bin mir bei Tool nicht sicher, ob die annähernd so lange gebraucht haben. Eher schon Axl Rose.

Wenn du mich vor zehn Jahren gefragt hättest, wäre ich der festen Überzeugung gewesen, die Platte erscheint in bälde. Es war einfach nicht vorauszusehen, also zumindest nicht für uns. Es war auch jeder Schritt a) hart erkämpft und b) unvorhergesehen (schmunzelt).

Wir sind sehr blauäugig an die ganze Sache dran gegangen. Wir reden hier tatsächlich über eine Band, die zu Zeiten von "Nightfall In Middle Earth" einfach aus der Laune heraus gesagt hat, hey, die Songs klingen schon ohne Band ganz gut, lasst mal gucken, dass wir weitere Stücke in diese Richtung fabrizieren und dann irgendwann ein Album veröffentlichen. In fünf, sechs Jahren sollten wir soweit sein, das wäre dann 2004 oder 2005 der Fall gewesen.

Man muss gestehen, dass bei Blind Guardian der Songwriting-Prozess schon im Metal-Bereich nicht von jetzt auf gleich passiert und uns auch echt beschäftigt. Aber das Ding hat wahrlich alles gesprengt, alles auf den Kopf gestellt, was ich mir nur vorstellen kann. Wir haben kontinuierlich weiter komponiert und sind auch immer gut vorangekommen. Nach sieben, acht Jahren waren wir tatsächlich soweit gewesen, dass wir zumindest vom Content her ein Album hätten machen können.

Aber zu dem Zeitpunkt hat uns dann noch ein Orchester gefehlt. Als wir dann ein Orchester hatten, hat uns der Mittelsmann gefehlt, der unsere grandiosen Ideen als Scorewriter umsetzt und so weiter und so fort. Es hat sich tatsächlich bis zum letzten Tag, bis wir das Album bei Nuclear Blast abgegeben haben, so fortgeführt.

Bei der Vorbereitung auf die Platten-Besprechung habe ich mir auch die Vorab-Videos angeschaut. Du warst ja vor der Listening-Session, gemessen an den Bildern, die  die Kamera eingefangen hat, sehr gespannt. Nicht unbedingt unsicher, aber mit den gemischten Gefühlen, die so ein riesen Projekt, in dem so viel Zeit und Herzblut steckt, mitbringt und wie die Platte in der einen Stunde der Präsentation dann aufgenommen wird.

Natürlich ist da immer eine Spannung. Die ist bei jedem Album so und hat sich bei diesem Album nicht groß anders angefühlt. Wenn du 22, 23 Jahre daran herumgedoktert hast, wäre es komisch, wenn dich die ersten Reaktionen nicht interessieren würden. Ich bin auch heute vor jedem Konzert gespannt darauf, wie die Leute reagieren, nicht ängstlich und auch nicht nervös.

Ich weiß aber auch, dass die Erstreaktionen, egal ob im Rahmen einer Listening-Session oder dann beim Konsumenten nicht unwichtig ist. Für mich ist bei einer solch komplexen Geschichte auch klar, dass die Leute, selbst wenn sie vom Fach sind, beim ersten Hören gar nicht wirklich ergreifen können. Deswegen bin davon ausgegangen, dass der ein oder andere erstmal schlicht und ergreifend überwältigt ist und im Grunde genommen keine Stellungnahme abgibt.

Wir waren uns während des Songwritings und bei der Produktion immer sicher und das ist auch jetzt so. Ich bin relativ entspannt, wenn Leute das nicht mögen. Wenn jetzt ein Die Hard-Metaller mit dem Album nichts anfangen kann, ist das nachvollziehbar. Was aber nicht heißt, dass ich so ein Album nicht machen darf. Ich weiß auf der anderen Seite auch, dass es viele Leute anspricht. Trotz allem ist es typisch Blind Guardian.

Typisch Blind Guardian ist ja auch, dass sich an die Veröffentlichung einer Platte auch eine entsprechende Live-Präsentation anschließt. Wie plant ihr denn in diesem Falle?

Wir werden uns Zeit lassen. Nach 22 Jahren können sich unsere Fans noch 2 Jahre gedulden (lacht). Wir sind jetzt gerade wirklich in den letzten Zügen für das nächste Blind Guardian-Album was das Songwriting angeht. Wir werden im Februar mit der Pre-Produktion starten, um dann kurze Zeit später das reguläre Album aufzunehmen. Das wird uns wohl im gesamten Jahr 2020 beschäftigt halten, aber spätestens Anfang, Mitte 2021 sind wir wieder mit Blind Guardian unterwegs. Gerade im Moment diskutieren wir dann ein anschließendes Festival oder von mir aus auch Einzel-Shows für dieses Orchester-Projekt, wo wir es dann uraufführen.

Es ist also nicht nur die Kompromiss-Lösung geplant, dass auf der nächsten regulären Tour die Stücke im Band-Format umgesetzt werden entsprechend mit Keyboard-Sounds.

Die Diskussion begleitet uns, seit wir die ersten Songs geschrieben haben. Die Idee tauchte immer wieder auf, die Band doch mit einzubeziehen. Aber es war eben nicht die ursprüngliche Idee dieser Songs bzw. unsere Idee zu diesen Songs. Die sind tatsächlich am Keyboard entstanden und nur mit orchestralen Instrumenten im Hinterkopf. Ergänzt durch meine Stimme, die von Anfang an in verschiedene Charaktere geschlüpft ist. Das wollten wir beibehalten.

Die Diskussion haben wir mehrfach geführt und die Option steht uns nach wie vor offen, obwohl es intensiver und zeitaufwändiger ist, als man vielleicht denkt. Natürlich hatten wir auch die Diskussion auf dem Tisch, ob wir nicht mit Gastsängern arbeiten wollen, um daraus ein Projekt zu machen, im Sinne eines Allstar-Namedropping Projekts vergleichbar mit Avantasia und Ayreon. Da ist es ja von Anfang an solch ein Konzept gewesen, wogegen ja auch nichts einzuwenden ist.

Unser Konzept war hingegen auf dem einen Storyteller, der ich nunmal bin, aufgebaut. Egal ob wir es nun später mit mehreren Sängern auf der Bühne aufführen und im Zweitversuch die Geschichte auf mehrere Sänger aufteilen, der erste Schritt musste sein, dass ich alle Charaktere singe. Folglich sollte sich die Geschichte dann in irgendeiner Form auch so erzählen lassen. Da sind wir dann konsequent geblieben.

Zurück zu der eigentlichen Frage. Wir könnten durchaus die ein oder andere Nummer live einbauen. Momentan fühle ich mich wohler, die Sachen erst einmal so aufführen, damit wir praktisch den gesamten Zyklus einmal durchschritten haben. Danach können wir gerne nochmal Hand anlegen und die Sachen in jedweder Form nochmal auswerten.

Frederik Ehmke könnte man sicher zur Not auch an eine Pauke stellen. Die ein oder andere klassische Gitarre ist durchaus auch zu hören, in deren Spiel man mitunter Markus Siepen mit einbinden kann.

Klar, du könntest die Band schon so einbinden. Soweit fortgeschritten sind wir noch nicht. Das könnte eventuell so ein Zwischenschritt sein, dann gehen wir von der ursprünglichen Idee ein bisschen ab. Wir sind jetzt auch nicht ao darauf versessen, alles so beizubehalten, wie es geplant gewesen ist. Natürlich sind auch die Songs über 20 Jahre gewachsen. Auch da hat sich ein bisschen was verändert. Man könnte dann auch insoweit gucken, wie wir die Band in einem klassischen Gewand so involvieren, dass es Sinn macht und wir als Blind Guardian auftreten.

"Meine Vorgabe beim Gesang war, kein Melodyne anzuwenden."

Du hast es gerade ansgesprochen: die Songs sind über zwanzig Jahre gewachsen. Bei der Review habe ich mir den Kunstgriff erlaubt und mir vorgestellt, dass die Orchestersongs von der Marschrichtung jeder Platte, die im Vorfeld entstanden ist, auch beeinflusst wurden.

Je weiter wir uns von den Platten entfernen, desto extremer wird es. Das zieht sich dann nicht durch einen ganzen Song durch, aber an bestimmten Stellen finden sich bestimmte Techniken, die auch an der jeweiligen Stelle auf den Alben zu hören sind.

Die Songs haben sich immer gegenseitig befruchtet. "Wheel Of Time" von der "At The Edge Of Time" war ganz klar ein Orchestersong, der mir nicht gefallen hat, weil das gewisse Etwas noch gefehlt hat. Da hat dann tatsächlich die Metal-Band gefehlt. Also haben wir uns den Track vorgenommen und die Band hinzugefügt. Mittlerweile oder auch damals als wir den Song komponierten, war mir klar, dass das zumindest für mich einen der besten Blind Guardian-Songs darstellt und das ist er bis heute.

Dann findet sich auf diesem Album der einzige Hybride, der sowieso eine gewisse Inkonsequenz mit sich bringt, das ist "Harvester Of Souls". Der ist auf "Beyond The Red Mirror" als "At The Edge Of Time" vertreten. Man muss der Fairness halber zu "Harvester Of Souls" sagen, dass der Orchester-Track die ursprünglich komponierte Version gewesen ist und ich mir dann auch keine Gedanken mehr darüber gemacht habe, nachdem wir den Song so weit vorgearbeitet hatten. André kam irgendwann zu mir und meinte, er hätte die Nummer auch mal mit Band geträumt, jetzt schau mal zu, was du daraus machst. Da ist jetzt wiederum was anderes entstanden. Da haben wir schon damals diesen inkonsequenten Kompromiss gemacht und entschieden, dass diese Nummern auf beiden Alben vertreten ist.

Das können die meisten Fans verschmerzen. Viele hätten sich nicht erträumen lassen, dass es zu regulären Blind Guardian-Nummern Orchester-Versionen gibt. Aber das jetzt eine ganze Platte vorliegt, die kompositorisch in keiner Weise gegen die alten Alben abstinkt, im Gegenteil durch die neuen Instrumental-Farben noch gewinnt, ist phänomenal. Das spiegelt ja auch der Grundtenor in vielen anderen Reviews und Fan-Foren wieder. Ich persönlich finde es gut, dass es nicht verschiedene Sänger gibt. Das Konzept mit den Sprechern ist dennoch cool und da greift ihr ja auch auf altbewährte und bekannte Stimmen zurück.

Es sind tatsächlich zwei Stimmen von der "Nightfall" auf der neuen Platte vertreten. Leider Gottes ist Douglas Fielding kurz nach den Aufnahmen gestorben. Also ist das auch ein wenig sein Vermächtnis. Wir wollten den Kreis auch schließen, weil wir mit der "Nightfall" da angefangen haben und auch jetzt wieder an einem richtigen Konzeptalbum gearbeitet haben. Wir haben eine richtige Story musikalisch anspruchsvoll umgesetzt. Wir finden es auch nicht schlecht, wenn es kurze Interludes gibt, die zum einen dem Hörer die Möglichkeit geben, kurz durchzuatmen und zum anderen uns die Option lassen, die Geschichte zu erzählen und ein wenig Spannung reinzubauen. Das hat super geklappt.

Da geht mein Dank auch an Charlie Bauerfeind, der, obwohl ein paar Tage älter als ich, es auf die Reihe gekriegt hat, mich auf soziale Medien hinzuweisen (lacht). Ich habe wirklich keinen Kontakt zu den beiden herstellen können. Wir haben 1998 die Sachen aufgenommen und im Laufe der Aufnahmen damals ein paar Mal Kontakt gehabt, aber seitdem nicht mehr. Wir haben zwanzig Jahre nicht miteinander gesprochen. Ich bin dann ungefähr zwei Jahre auf der Suche gewesen, weil ich wieder mit den beiden arbeiten wollte. Aber ich bin nicht an sie herangekommen. Es gab kein Management, es gab dies nicht, es gab jenes nicht. Ich habe auch versucht das Internet zu nutzen, aber nur auf regulären Wegen. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, nachzuschauen, ob die beiden Herren nicht auch bei Facebook vertreten sind (lacht).

Einen Account haben beide, ich natürlich nicht. Innerhalb von fünfzehn Minuten war der Kontakt hergestellt und die Hörspielsequenz war gerettet. Die beiden haben noch ein paar andere Sprecher mitgebracht, die auch phänomenal gesprochen haben. Wir hatten einen riesen Spaß miteinander. Das wertet die Platte für mich extrem auf und ist natürlich auch ein Flashback zu "Nightfall"-Zeiten, den wir so beabsichtigt haben.

Ich habe dich jetzt live über einen relativ großen Zeitraum zweimal gesehen, einmal in Wacken 2002 und dann in diesem Jahr mit Demons & Wizards in der Batschkapp in Frankfurt und ich dachte mir, dieser Mann wird wie ein guter Wein mit jedem Jahr besser. Die Orchester Platte setzt dem ganzen gewissermaßen die Krone auf. Wie schaffst du es, den Heldentenor, den Metaller, der bei der ein oder anderen härteren Stelle rauskommt, und den Storyteller in einer Person zu vereinen

Wir haben in der ganzen Zeit gerne an den Sachen gearbeitet. Das Arbeiten gestaltete sich wesentlich lockerer als an den regulären Blind Guardian-Geschichten. Es hat sich immer total natürlich angefühlt. Nichts was in diesem Zusammenhang entstanden ist, hat sich für uns als schwierig herausgestellt. Zumindest nicht während der Songwriting-Phase.

Wir sind dann immer wieder in Vorproduktions-Phasen gegangen mit irgendwelchen Keyboards, aber es ist immer nur besser geworden, da die Sound-Libraries über die Jahre logischerweise qualitativ gewonnen haben. Auch die Aufnahmemöglichkeiten haben sich verbessert. Ich habe mich immer weiter in die Songs reinarbeitet, dadurch sind die Vorab-Gesänge gewachsen. Ab einem gewissen Punkt waren die nicht mehr nötig, weil alles stand. Dieser Punkt war 2008/09 gewesen und da wusste ich, dass ich die Sachen, die ich 1998 komponiert hatte, noch genauso gut gesanglich umsetzen kann (lacht).

Das war damals vor zehn Jahren schon ein recht gutes Gefühl. Da wusste ich schon, dass ich nicht schlechter geworden bin. Das ist ja schon mal die halbe Miete (lacht). Die "Nightfall" hatte auch einen ähnlichen Approach. Da gab es auch viele Passagen, in denen ich in unterschiedliche Charaktere reinschlüpfen musste. Das hat sich da nicht so stark rauskristallisiert, weil immer eine Band dabei war und ich meistens mehr Druck anwenden musste, als ich in einer Interpretations-Version mit seichterer Musik an den Tag gelegt hätte.

Jetzt ist es für mich so gewesen, dass ich mir wirklich Zeit lassen konnte. Ich bin, hoffe ich zumindest, keine wirkliche Diva (lacht), aber ich habe so gesungen, wie es mir gerade gepasst hat. Ich bin um 11 oder 12 Uhr ins Studio gekommen, habe meine Aufwärm-Geschichten absolviert, was einer der Gründe ist, warum meine Stimme noch so gut funktioniert. Ich habe über einen längeren Zeitraum klassischen Gesangsunterricht genossen und dadurch viel gelernt. Seitdem bin ich im Training. Ich geh in keine Session rein, ohne mich aufzuwärmen und ohne Vorbereitungen zu treffen, die durchaus eine oder eineinhalb Stunden in Anspruch nimmt.

Genauso bei der Produktion. Ich hab mir die Zeit zum Aufwärmen gegönnt, bin dann für zwei, drei Stunden in die Aufnahme rein und habe mich immer den Parts gewidmet, die mir gelegen haben. Natürlich haben wir die Songs an einem Stück abgearbeitet, aber ich konnte innerhalb eines Songs hin und her springen. Wir haben uns unheimlich viel Zeit gelassen, um die Sachen so klingen zu lassen und im Sound einzustellen, der für den jeweiligen Part passt.

Meine Vorgabe beim Gesang war, kein Melodyne anzuwenden. So bin ich mit meiner Stimme an das Optimum gegangen, was ich liefern kann. Ich bin mit dem Resultat zufrieden und freue mich über die Anerkennung, dass das gut performt ist. Ich habe mir über die Jahre einen eigenen Stil aufgebaut, der mich in vielen Lagen singen lässt und mich so von meinen Vorbildern emanzipiert. Diese Lagen konnte ich die Jahre über mit dem Blind Guardian-Stil formen, so dass jetzt der perfekte Zeitpunkt war, das auch nach draußen zu stellen.

"Eine Story im Tolkien-Universum wäre over the top gewesen."

Als ich die ersten Statements vernommen hab, dass ihr ein Orchester Album plant, war das auch zu einer Zeit, als Herr Der Ringe herauskam und dann bezüglich des Soundtracks gemunkelt wurde, ihr könntet das mindestens genauso gut. Zu dieser Zeit hat ja die Story ursprünglich an die Herr der Ringe-Geschichte oder das "Nightfall"-Konzept angeknüpft. Warum habt ihr euch im Laufe der Jahre davon wegbewegt und seid zu einem zeitgenössischen Schriftsteller gewechselt? Markus Heitz ist ja vom Stil ein anderer Romancier als Tolkien. Auch die Story hat dadurch einen ganz anderen Background, gewissermaßen einen historischen.

Das hat sich über einen gewissen Zeitraum entwickelt. Wir haben bis 2002/03 damit geliebäugelt in die Tolkien-Welt einzudringen und uns da auszulassen. Aber auch aufgrund der Filme, die veröffentlicht wurden und auch aufgrund der Soundtracks sahen wir keine Notwendigkeit mehr, im Tolkien-Universum diese Geschichte spielen zu lassen. Das wäre over the top gewesen, jeder war in dieser Tolkien-Welt unterwegs. Als Thema für unser Musical und Orchester-Projekt war es aufgebraucht. Wir hätten uns damit nicht wohl gefühlt.

Andererseits war mir auch klar, dass ich keine Geschichte alleine schreiben kann, die dieses Ding trägt. Da ich diese Markus Heitz-Welten mag, war er tatsächlich meine erste Anlaufstelle. Klar, das ist ein wenig anders als Tolkien, aber mit den Zwergen noch Tolkien-mäßig verhaftet. Dann hat sich glücklicherweise herausgestellt, dass Markus mit Blind Guardian vertraut ist und unsere Sachen sehr mag. Somit war die Kooperation von beiden nicht nur gewollt, sondern gestaltete sich für uns sehr spaßig. Als wir uns dann zusammengesetzt haben und uns durch die Songs einmal durchgehört hatten, ist uns klar geworden, dass wir keine klassische Story im Tolkien-Sinne haben wollen, sondern uns diesem real-historischen Bezug zu widmen, diesen aber nur als Spielfeld zu nutzen und nicht als Hauptthema der Geschichte.

Vereinzelt taucht ja auch der Vorwurf auf, die Texte hätten einen Hang zum Eskapismus, wobei ich finde, dass man bei Tolkien starke zeithistorische Bezüge herstellen kann. Ich finde, dass ihr mit dem Schritt zu der Vorlage von Markus, die zur Zeit des dreißig-jährigen Krieges spielt, auch einen starken realen Bezug hergestellt habt.

Was der dreißigjährige Krieg für unsere Zeit bedeutet, spielt anscheinend keine Rolle mehr. Dabei ist mit dem westfälischen Frieden Europa definiert worden in den Ländern, so wie wir es kennen. Gerade die religiösen Beschaffenheiten gäben so viel zu erzählen her, ebenso die Analogien, die Markus und ich aufgebaut haben, die man wunderbar einflechten konnte und wo man beide Seiten wunderbar bedienen konnte, das war für uns beide wichtig. Ich hab auch kein Problem mit einer Fantasy-Story, die einfach nur Fantasy ist und ich sehe es ähnlich wie du a) liegt es immer im Auge des Betrachters, was er draus macht und b) sind einige Botschaften als Ergebnis so übergeordnet, die könnte man auch bei einer Fantasy-Story nicht einfach so abtun.

Was steht nach der Tour mit Demons & Wizards da in den kommenden Monaten noch an?

Es ist schon ein Spagat, den ich seit Beginn des Jahres vollführe wegen der Konzerte und der Fertigstellung von "Legacy Of The Dark Lands" und dann in beiden Richtungen mit den kreativen Arbeiten weiterverfahre. Demons & Wizards sind durch, die Platte ist fertig gestellt und bei Century Media abgegeben. Das wird im späten Februar 2020 veröffentlicht. Da passiert live-technisch nichts mehr, da schauen wir, was die Zukunft noch bringt. Das Album ist super gut geworden und der absolute Kontrast zu Blind Guardian, sehr Metal-lastig und sehr intensiv in dieser Sparte. Da werden die Leute, die nicht so auf das Orchester-Ding anspringen, ihre Erfüllung finden. Für mich ist das eine witzige Abwechslung gewesen direkt im Anschluss, und es war für mich schön zu sehen, wie ich die Erfahrungen, die bei "Legacy Of The Dark Lands" gesammelt habe, da schon in der Produktion anwenden konnte. Mit Blind Guardian sind wir mit dem Songwriting fast durch, da steht die erste Vorproduktion an und spätestens im März 2020 gehen wir ins Studio und nehmen den Nachfolger zu "Beyond The Red Mirror" auf, der dann hoffentlich im März 2021 erscheint. Es läuft ziemlich gut, ist aber bisweilen tierisch anstrengend.

Das klingt in der Tat nach einem gesunden Arbeitspensum. Dann dank ich dir für die vielen coolen Statements.

Wir sprechen uns dann hoffentlich früher als in dreizehn Jahren wieder.

Gut Ding will ja bekanntlich Weile haben, damit kennt ihr euch am besten aus. Aber der Veröffentlichungs-Zyklus, den du nahe gelegt hast, dürfte ein Gespräch in naher Zukunft nicht ausschließen.

Da würd ich mich auch freuen.

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