laut.de-Kritik

Als sei Janis Joplin ihrem Grab entstiegen.

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Schon im Vorfeld ihrer ersten Albumveröffentlichung erzeugten die Blues Pills enormen Wirbel. Steckt dahinter cleveres Marketing oder echtes Talent? Der Schreiber dieser Zeilen vermutet: beides. Auch damals in den 70ern, als die Musikindustrie im vollen Saft stand, wäre eine Band wie diese im starken Teilnehmerfeld aufgefallen. Heute jedoch sticht sie meilenweit heraus.

Retro-Bands gibt es momentan wie Sand am Meer. Jede Woche schießen neue wie Pilze aus dem Boden. So viele, dass die paar verbliebenen Plattenläden und Musikabteilungen der Elektronikkaufhäuser schon fast darüber nachdenken könnten, eine eigene Rubrik für diesen Stil einzuführen. Sinnvoller wäre allerdings, sich einfach damit abzufinden, dass diese Musikrichtung wieder viele Menschen begeistert, obwohl sie ihre Blütezeit vor vierzig Jahren hatte.

Die Blues Pills aus Örebro setzen sich vom übrigen Teilnehmerfeld ab. Mit ihrer Sängerin Elin Larsson verfügen sie über ein unglaubliches Alleinstellungsmerkmal, das alle Konkurrenten mit Neid erfüllen dürfte. Als sei Janis Joplin ihrem viel zu frühen Grab entstiegen und habe sich mit Mama Cass vermählt - so in etwa klingt die junge Schwedin in den zehn Stücken dieses Debütalbums.

Dazu gesellt sich noch das blutjunge Gitarrenwunder Dorian Sorriaux aus Frankreich. Dessen Spiel erinnert an den großen Rory Gallagher und überzeugt mit Finesse und Feingefühl gleichermaßen. Gut kann man sich vorstellen, dass diesem Herrn ein Bandgefüge früher oder später zu eng wird.

Zur Musik: Der Vierer spielt im Kern lupenreinen Bluesrock mit gelegentlichen Ausflügen in den Hardrock und einer Prise Psychedelic. Schon der Opener "High Class Woman" rückt alle Vorzüge der Band in den Vordergrund. Treibende Trommeln und ein knackiger Bass sorgen für eine gute Grundenergie, auf der sich Larsson und Sorriaux dann entfalten könnten. Als Anspieltipp muss dieser Song genannt werden. Wem der nicht gefällt, der braucht sich den Rest der Platte gar nicht erst anzuhören.

Wie viele Bands der neuen Retro-Welle, können auch die Blues Pills sehr gut mit Dynamiken umgehen. Geradlinige, schnelle Songs treten zugunsten von Stücken, die Tempo mit Gefühl und Nachdenklichkeit mischen, in den Hintergrund. "Black Smoke" beispielsweise beginnt bedächtig, um sich plötzlich zu einem entfesselten Rocksong zu entwickeln. In "River" und "Little Sun" ziehen die vier Musiker im Gegenzug die Handbremse komplett an und bieten zwei schöne Balladen auf.

Weitere Songs herauszupicken wäre möglich, aber müßig. Der Schweden-Frankreich-USA-Vierer (die Rhythmussektion stammt aus Iowa) liefert ein von vorne bis hinten stimmiges Debütalbum mit gelungenen Bluesnummern ab. Elin Larsson und Dorian Sorriaux lassen des öfteren aufhorchen. Man muss sicher kein Hellseher sein, um dieser Band eine erfolgreiche Zukunft zu prognostizieren.

Trackliste

  1. 1. High Class Woman
  2. 2. Ain't No Change
  3. 3. Jupiter
  4. 4. Black Smoke
  5. 5. River
  6. 6. No Hope Left For Me
  7. 7. Devil Man
  8. 8. Astralplane
  9. 9. Gypsy
  10. 10. Little Sun

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21 Kommentare mit 23 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Gefällt mir, das Album. Klingt aber teilweise doch sehr nach Graveyard.

  • Vor 10 Jahren

    geiler scheiß, aber soulseeker hat nicht ganz unrecht

  • Vor 10 Jahren

    Ja klar, "innovativ" ist anders, aber da nicht alles, was neu ist, auch gut ist, muss Altes noch lang nicht schlecht sein. Und wenn Musik einfach gut klingt, dann ist es mir ziemlich egal, ob so etwas Ähnliches schon mal gegeben hat.
    Das Songwriting ist zwar noch etwas schwach ausgeprägt, aber das kann ja noch werden, genau so wie Elins Stimme mit den Jahren ein paar Kratzer abkriegen wird. Man darf nicht vergessen, dass die Herrschaften noch blutjung sind. Debutalben sind ja nicht selten herausragend; entscheidend wird sein, wie es weiter geht. Erst dann wird man beurteilen können, ob sie sich einen Platz in der Musikgeschichte verdient haben.
    Am Konzert in der Wiener Arena hat mich gestört, dass Elins Stimme im soundtechnisch ziemlich unter die Oberfläche gedrückt wurde. Außerdem war die Perfomance erstaunlich "brav" und ziemlich ereignislos. Aber was soll's, es gibt genügend Kasperl auf der Bühne - und gute Musik, die einen mit heruntergeklappter Kinnlade auf die Bühne starren lässt, sollte für einen höchst befriedigenden Abend ausreichen.