Porträt

laut.de-Biographie

Bounty & Cocoa

Die beiden Berlinerinnen Bounty und Cocoa lassen nur wenige Rap-Klischees aus. Selbstinszenierung abseits der Musik sparen sie sich zwei Jahre lang jedoch so konsequent, dass eine geheimnisvolle Aura sie umgibt. Nach zig Songs und Plattenvertrag mit Universal steht nicht mal eine Website.

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Tätowiert, textlich mit Gras und Kokain befasst, wahlweise mit 'black Benz' oder E-Auto unterwegs. So weit alles Deutschrap-normgemäß. Der Funke springt bei den Details über. Wo an der Oberfläche ein scheinbar plakativer Vierklang aus Geld, Sex, Drogen und Autos anrauscht, passiert in kurzen Zeitspannen enorm viel.

Spanische Zitate droppen dazwischen. Manche derb detaillierte Beschreibung des Geschehens in der eigenen Klitoris kann nur triefende Ironie sein. Die beiden bezeichnen sich als "Feminismus-affin", was wieder so geschraubt klingt, dass es ebenfalls ironisch sein dürfte. "Bitches" und "snitches", Bro's und Sis' bevölkern die kurzen, smoothen, cool gleitenden Tracks, die sich ans Age of Shuffle-Mode anpassen - Streaming statt Screaming. Laut und aggro im Sinne von Tic Tac Toe und SXTN wird das smarte, telegene Duo nicht und braucht es auch gar nicht zu werden.

Tiefenentspannt hält man sich alle Arten Beats offen. Die beiden flowen über lässigen Funkpop ("Sistahood") und Trap ("Crispy"), Electropop-Gewabbel ("Weekend"), Prince-Vibes ("Wet"), Twerkiges ("Cake") und großes Melodrama ("Vamos"). Der Wortstrom reißt alles mit. In Spotify-tauglichen 2.20 Minuten stecken regelmäßig und prall geschnürt viele Gesichtspunkte des Alltags, Kritik an überhöhten Hauptstadt-Mieten inklusive. Die niet- und nagelfest verwobenen Wortteppiche schieben 2022 die halb-offene Tür der großen "Wo sind die Female MC's?"-Frage weiter auf - und zwar genau der weiblichen Identifikationsfiguren im Hip Hop, die weder kuschligen R'n'B oder sanft-meditativen Neo-Soul machen, noch sich in maskulinen Proll-Gesten verbiegen.

Das c/o-Pop erkennt "eine wilde neue sexy Attitüde und Anziehungskraft, die dem Deutschenrap Game gefehlt hat", verrät aber weder die Spielregeln des "Deutschenrap Game", noch, wann es wo vom wem eine alte sexy Attitüde gab. Wenn das Tandem irgendwas mit SXTN gemeinsam hat, dann eher mit Nura als mit Juju, eher augenzwinkernd als krachend, durchaus aber weit weg von Nuras Anflügen von Melancholie.

Die große gesellschaftskritische Bühne alternativer Kräfte von Ebow bis Sookee zeichnet sich trotz provozierender Darstellung von Geschlechterthemen (z.B. im Song "Periodt") nicht ab. Wohl aber zeigt sich eine Abgrenzung zum allzu offensichtlichen Blingbling-Mainstream einer Schwesta Ewa. Dass Bounty und Cocoa auch auf Boombap-Unterlegern eine gute Figur machen, stellt sie eher in die Tradition von Ace Tee, allerdings beweisen die beiden ein sichereres Händchen bei der konsequenten Auswahl schöner Beats und Basslines und springen stets aufs Uptempo auf.

Bounty & Cocoa - Bodega Aktuelles Album
Bounty & Cocoa Bodega
Noch spielen SXTNs Nura und Juju in einer anderen Liga.

Damit bringen die zwei ordentlich Schwung in Playlists, die von der üblichen nihilistischen Tristesse durchtränkt sind (Stichwort: Liz, Eunique). Eine Marktnische gibt's definitiv für die beiden, allzu lange sollten sie das Debütalbum jedoch nicht hinaus zögern.

Genaueres wie Geburtsdaten (wohl irgendwas um 2000), bürgerliche Namen, Vorgeschichte, Privates, musikalische Einflüsse (Lil' Kim, mutmaßt das Hauptstadt-Blatt Der Tagesspiegel) - gar irgendwelche Interviews - Fehlanzeige. Was man weiß: Cocoa und Kollegin Bounty ordnen sich nicht der Dirty Streetrap-Heimat ihrer Plattenfirma Universal zu, haben mit Tochter-Label Chapter One nichts am Hut. Auf der für sie geschaffenen Marke Mama I Made It kloppen sie zu jedem Track einen Clip raus.

In den Credits verewigen sich mehrmals Chinedu und Chima Ede, ersterer Fußballer, letzterer Ghostwriter zum Beispiel für Shirin David. Bounty stammt aus Berlin, Cocoa zog aus Bochum irgendwann um den ersten Lockdown herum an die Spree. Beide haben irgendeinen karibischen Migrationshintergrund und können Spanisch. Für Mitte 2022 buchen zum Beispiel der Branchentreff ADC Congress, das Karlsruher Hook Up-, das Splash- und das Hamburger Spektrum-Festival die Neulinge. Erstaunlicher Andrang in einem Sommer, der Line-Ups von zwei Corona-Jahrgängen nachlädt. Da ist viel Symbolik dabei: Denn was vor dem Duo gefehlt hat, war überhaupt ein einziges vor Coolness strotzendes weibliches Doppelpack.

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Bounty & Cocoa - Bodega: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 3 Punkte

2023 Bodega

Kritik von Dominik Lippe

Noch spielen SXTNs Nura und Juju in einer anderen Liga. (0 Kommentare)

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