laut.de-Biographie
Brad Mehldau
Erneuerer des klassischen Jazz-Klaviers, emotionstiefer Eklektiker, eigenwilliger Traditionalist und großer Romantiker. Solche Titulierungen muss Brad Mehldau ebenso über sich ergehen lassen wie den wegen biografischer Parallelen stets gezogenen Vergleich mit Bill Evans: hochsensibel, inspiriert, melancholisch, romantisch, von einer inneren Kraft getrieben.
Und anfällig für Drogen. Als er 1996 wegen seines Heroinkonsums aus der Band von Joshua Redman fliegt, ist für ihn klar, dass er diesen Weg nicht weiter beschreiten kann. "Das Heroin hat mit Sicherheit nichts erleuchtet, was nicht schon vorher da gewesen wäre. Es begann mich durcheinander zu bringen, ich habe weniger geübt und konnte mich nicht mehr richtig auf die Musik konzentrieren, daher habe ich wieder aufgehört". Die Kraft zum Aufhören bezog er aus seinem ständigen inneren Dialog um spirituelle und philosophische Fragestellungen und seiner daraus resultierenden seelischen Tiefe.
Auf die Welt kommt Mehldau am 23. August 1970 in Jacksonville, Florida. Er verbringt seine Kindheit und Jugend in New York, New Hampshire und Georgia, bevor seine Familie sich in Connecticut niederlässt. Mit fünf erhält er seinen ersten Klavierunterricht, der ihm die klassische Perspektive nahe bringt. Nach dem Abschluss der High School besucht er die Berklee School of Music, und wird dort als "Best All Around Musician" ausgezeichnet. Anschließend vertieft er seine musikalische Ausbildung im Fach "Jazz und zeitgenössische Musik" an der New School For Social Research in Manhattan. Dort wird er während eines Percussion-Kurses vom Dozenten Jimmy Cobb für dessen Quartet "Cobb's Mob" engagiert und damit in die Szene der Stadt eingeführt. Kurze Zeit später spielt er in der Band des Tenorsaxophonisten Joshua Redman und macht sich als Sideman bei zahlreichen Aufnahmen einen Namen.
1995 veröffentlicht er sein Debut-Album "Introducing Brad Mehldau". Es folgen ekstatische Kritiken, intensive Tourneen und Auftritte mit John Scofield, Wayne Shorter und Mark Turner. Während dieser Zeit komplettiert er mit dem Bassisten Larry Grenadier seine Triobesetzung (in dem Schlagzeuger Jorge Rossy hat er schon 1993 einen idealen rhythmischen Partner gefunden), und entwickelt sein Konzept "The Art Of The Trio". Standards, Eigenkompositionen und einfühlsame Interpretationen von Popklassikern prägen zusammen mit der unüberhörbaren Romantik den Sound dieser Formation.
1999 erscheint mit "Elegiac Cycles" das erste Solo-Album. 2002 veröffentlicht Mehldau in Zusammenarbeit mit dem Singer/Songwriter Jon Brion (The Grays, Fiona Apple, David Byrne, Jellyfish) "Largo", auf dem er zahlreiche Gastmusiker dazu einlädt, das Popularmusik-Universum etwas genauer auszuloten. Mit "Anything Goes" (2004), "Day Is Done" (2005), "House On Hill" (2006) und "Live" (2008) widmet er sich abermals dem Trio-Jazz.
Doch seine künstlerische Ausdruckskraft treibt ihn immer wieder zu neuen Ufern. Ebenfalls 2006 spielt er gemeinsam mit Pat Metheny das Duo-Album "Metheny Meldau" ein und vertont für die Grammy-ausgezeichnete Sopranistin Renée Fleming Gedichte von Rainer Maria Rilke und Louise Bogan. Der Song-Zyklus erscheint als Duo-Album ("Love Sublime") und bewegt sich trittsicher auf dem schmalen Grad zwischen Jazz und Klassik.
2009 bringt Mehldau für "Highway Rider" sein Trio mit einem 28-köpfigen Orchester zusammen. Für sein Album "Where Do You Start" erhält das Brad Mehldau Trio 2012 den Grand Prix de l'Académie du Jazz in der Sparte Bestes Jazzalbum.
Im selben Jahr beginnt unter dem Namen "Mehliana" seine Zusammenarbeit mit Schlagzeuger Mark Giuliana. Anstatt auf sein bewährtes Piano zurück zu greifen, arbeitet Mehldau größtenteils an alten Synthesizern und einem Fender Rhodes. 2014 erscheint der gemeinsame Longplayer "Taming The Dragon".
Traditioneller geht es an der Seite des Mandolin-Virtuosen Chris Thile zu ("Chris Thile & Brad Mehldau", 2017), bevor er sich mit "After Bach" (2018) an ein wahrlich außergewöhnliches Projekt wagt: Nicht nur spielt er fünf Stücke aus Johann Sebastian Bachs "Wohltemperiertem Klavier", sondern fügt auch sieben eigene hinzu.
Das folgende Album "Finding Gabriel" zeigt einen fetten Trump-Engel auf dem Cover und ist comichaft bunt und abgedreht, spirituell angehaucht und stellenweise auch durchaus trashig. Nur eines ist es nie: langweilig. Mehldau geht eben auch ernstere Themen stets mit einem Augenzwinkern an, das zeigt sich auch an seinen Interpretationen von Beatles-Songs, die Anfang 2023 unter dem Titel "Your Mother Should Know" erscheinen.
"Ich beziehe meine Inspiration aus Klassik, Pop, Rock, brasilianischer Musik und vielen anderen Dingen", erklärt Mehldau gegenüber The Huffington Post. "Ich höre die Musik zu meinem Genuss und Vergnügen und filtere dann eine Menge für mein Spiel heraus. Eines meiner Talente ist eben, all diese Welten zu assimilieren und meinem Spiel hinzu zu fügen. Letztendlich sehe ich mich aber als ein improvisierender Jazz-Musiker."
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