laut.de-Kritik

Der brasilianische Hulk schlägt zu und zu und zu und zu.

Review von

Nicht dass die ersten beiden Alben der Cavalera Conspiracy elfenhaft filigran gewesen wären. Aber das Drittwerk sollte noch eine Schippe aggressiver ausfallen, befand Bandchef Max Cavalera. Die Parole lautete also: voll auf die Zwölf, ohne Gnade. Tatsächlich fühlt sich ein Durchlauf von "Pandemonium" an, als würde man vom brasilianischen Cousin des Hulk verdroschen.

Und der grüne Muskelberg hat auch noch Schützenhilfe: Während sich an Drums und Leadgitarre erneut Iggor Cavalera und Marc Rizzo austoben, traktiert Neuzugang Nate Newton den Bass. Knapp 45 Sekunden Anlauf braucht das Quartett, um seine inneren Monster freizulassen, dann poltert "Babylonian Pandemonium" los. An den dumpfen Sound muss man sich erst einmal gewöhnen. Das Album wurde nämlich nicht im schicken Studio, sondern – wie in Jugendjahren – in einem Wohnhaus eingezimmert.

Vor allem Max' kampferprobter Viersaiter-Klampfe hört man das an. Seine Riffs wirken hier überraschend saftlos. Zusammen mit den extratiefen, verzerrten Death-Growls kippt das arg ins Matschige. Immerhin die Marschrichtung stimmt: Mit Vollgas prügeln sich die Cavaleras durch den zweckdienlichen Opener.

Besser zündet da schon "Bonzai Kamikazee", wo sich kompositorisch einiges mehr tut. Zwar legt auch diese Nummer los wie die Feuerwehr, zur Halbzeit reißt aber Iggor das Steuer herum und spendiert ein leichtfüßiges Trommel-Intermezzo. Noch ein knackiger Breakdown hinterher, dann wird weiter gebolzt. Das Hauptriff ist hier so brachial wie genial geraten. "Scum" wetzt danach in einem Tempo vorbei, dass man sich beim Dragster-Rennen wähnt.

Und diesen Hochenergie-Kurs hält die Truppe bis zum Ende bei. Wer auf experimentelle Klänge aus ist, muss zur Deluxe-Version greifen. Genauer gesagt zum Bonustrack "Porra", der mit Flamenco-Gitarren und exotischen Percussions in den Sound früher Soulfly-Scheiben zurückblendet. Die regulären zehn Tracks hingegen sind tatsächlich eine echte Abreibung aus Death-, Thrash- und HC-Haken, wie angedroht. Zwischendurch gibt es zum Glück immer wieder heftig groovende Momente, damit man mit Headbangen überhaupt hinterher kommt.

Neben Drummer-Derwisch Iggor kümmert sich vor allem Rizzo um die nötige Variation. Jemand muss ja die primitiven Urgewalt-Riffs des Chefs veredeln. So starten mit "Cramunhão", "Apex Predator" und "Insurrection" gleich drei Tracks nacheinander mit einem feinen Solo des Gitarreros. Letztgenannter Song glänzt zudem mit einem massiven Mittelteil, in dem die Akkorde auch einmal lange ausklingen dürfen und Iggor in den Offbeat umschaltet.

Die orientalischen Klänge im famosen Brecher "Not Losing The Edge" dürften ebenfalls auf Rizzos Konto gehen. Völlig unverständlich, dass Max das Album ursprünglich nur mit seinem Bruder einspielen wollte. Wäre wohl eine etwas stumpfe Angelegenheit geworden.

Schon so empfiehlt sich "Pandemonium" nicht eben für einen Innovationspreis im Songwriting. Dasselbe gilt für die Lyrics. Kostprobe aus "Insurrection" gefällig? "False prophets / Fake messiah / Judgement Day / Eternal Fire". Solche Textbausteine schreibt Max doch im Halbschlaf. Dieses Mal gibt er sie einfach öfter in gutturalem Geröhre zum Besten (vor allem im eher faden "I, Barbarian").

"Pandemonium" ist also eine zwiespältige Sache geworden. Zwar erfreulich roh und in die Fresse, mit wirklich hoher Trefferquote. Mehr ist da aber nicht zu finden. Für zig andere Bands wäre das Album ein riesiger Wurf, keine Frage – inklusive Max' eigener Haupt-Kapelle. Aber wo Cavalera Conspiracy drauf steht, darf man nach den ersten beiden Alben etwas mehr Inspiration erwarten. So macht das Soundgewitter zwar durchaus Spaß, es bleibt aber nicht viel hängen. Und der 'Charme' der erwähnten Lo-Fi-Produktion ist mindestens diskutabel.

Trackliste

  1. 1. Babylonian Pandemonium
  2. 2. Bonzai Kamikazee
  3. 3. Scum
  4. 4. I, Barbarian
  5. 5. Cramunhão
  6. 6. Apex Predator
  7. 7. Insurrection
  8. 8. Not Losing The Edge
  9. 9. Father Of Hate
  10. 10. The Crucible

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