laut.de-Kritik
Schaurig schöner Deutsch-Fado!
Review von Ulf KubankeCeline Rudolph macht endlich den Sack zu. Mit "Salvador" wechselt die deutsch-französische Vorzeige-Chanteuse zur schicken Jazzabteilung von Universal und erfindet sich selbst in Teilen neu. Wer schon die Vorgänger Brazaventure sowie das Echo-prämierte letzte Album schätzte, darf frohlocken: Die Platte ist herausragend.
Der Albumtitel ist dabei nicht messianisch oder spirituell zu verstehen. Sämtliche Lieder dieser Sammlung stammen im Original aus der Feder des französischen Nationaldenkmals Henri Salvador. Musikalischer Genius und philantrope Großherzigkeit waren über sechs Dekaden lang Markenzeichen des zeitweiligen Django-Intimus und Bossanova-Pioniers.
Deutschland war und ist bzgl. der Bekanntheit des Chansonniers stets ein bedauernswertes Entwicklungsland geblieben. Das ändert die gute Celine endlich. Mit der sanften Brechstange. Zehn Perlen großer Songwriterkunst übersetzt Rudolph sehr sinnlich, mit poetischem Sprachgefühl komplett ins Deutsche. Der Gesang bedeutete hierbei eine zusätzliche Herausforderung. Bislang sang die kosmopolitische Berlinerin ausschließlich auf Französisch, Englisch oder Portugiesisch. Es ist eine beeindruckende Schau, wie scheinbar mühelos Rudolph teutonische Sperrigkeit kappt. Dabei benutzt sie das Idiom fast wie ein eigenständiges Instrument; wandelt die grobe Raupe in einen tänzelnden Schmetterling.
Ihre brasilianische Koryphäentruppe ist dabei mehr als die halbe Miete. Der Bossa hatte es der Sängerin schon immer angetan. Doch bei aller Leichtigkeit: Das hier ist kein oberflächlicher Loungebrei für gestresste Bankheinis oder Börsen-Clowns. Nur zu gut kennt und versteht die Dozentin für Jazz-, Rock- und Pop-Gesang die 'Saudade'. Das brasilianisch-portugiesische Wort für Weltschmerz sowie die ewige Dualität von Schmerz und Glück bringt sie zwischen den Zeilen stets ein. Jedoch nicht nebeneinander sondern simultan! Hierdurch erhalten die Songs unangestrengte Tiefe und Komplexität im emotionalen Ausdruck. Elegant vermeidet 'Prof Jazz' trotz überbordender Mädchenhaftigkeit ihrer Klangfarbe jede Gefahr von Poesiealbum-Mucke oder Mädchen-Muzak. Als Anspieltipps: "Meine Insel" und der knisternde "Wintergarten" samt den Freunden Miles, Lenny und Erosgöttin Anais Nin.
Das große Verdienst Rudolphs: Sie ruht sich nicht auf dem Echo aus und haut in dieselbe routinierte Cover-Kerbe, obgleich es ihr handwerklich sicherlich leicht fiele, diese Welle zu reiten. Sie covert die Tracks des sanften Genies nämlich nicht, sondern interpretiert und kreiert damit Neues. "Die Eifersucht" beispielsweise umschifft jede wohlige Melancholie und steuert geradewegs in eine verheerend trostlose Depression. Gerade die Wärme der Vocals macht Verzweiflung und Trübsal noch nackter. Schaurig schöner Deutsch-Fado! Die knuffige "Kleine Weise" samt Gnu und Kroko setzt lässig den finalen Punkt.
Genau genommen bekommt man mit dieser Platte ein Doppelalbum. Zum einen entreißt sie Salvadors Musik endlich der bräsig deutschen Ignoranz. Dazu liefert die Frau Professorin ganz und gar unakademische Sinnlichkeit auf höchstem Niveau.
2 Kommentare
Theoretisch kommt dieses Album gute 8-10 Wochen zu spät. Praktisch funktioniert es dennoch zu jeder Zeit und in jeder Sekunde über Kopfhörer.
Peinlich und schade ist einmal mehr, dass solche Perlen weitgehend im Verkaufsregal verstauben, während als Sommerhit Mr. Saxo Beat gefeiert und wie blöde gekauft wird.
Durch die sehr eigentümliche, wohl aber angenehme Phrasierung von Celine sowie ihrer samtig-schmeichelnden Stimme ein Monolith deutschsprachiger Musik. Auch lyrisch hat mich dieses Jahr wenig so sehr auf deutsch bewegt wie Celine. Vielleicht noch "Die Pest in Piemont" von Bilderbuch, auch wenn das jetzt eine ganz andere musikalische Schiene ist. Schön, dass ihr bei laut an Celine gedacht habt, so bekommt sie etwas mehr Aufmerksamkeit - wenn auch lange nicht so viel, wie ihr für ihren musikalischen Beitrag zur Bereicherung unserer kulturellen Identität zusteht.
das kann sich ja nun ändern.