laut.de-Kritik
Ein Popstar, wie CEOs ihn lieben.
Review von Mirco LeierManchmal fragt man sich, ob die Karrieren bestimmter Musiker*innen genauso verlaufen wären, hätten sie nicht diesen einen entscheidenden Schritt gewagt, nicht den oder die eine*n Produzent*in getroffen, die ihren Sound auf das Nächste Level hieven konnten. Charli XCX befand sich auf bestem Weg, ungeachtet von Kritikern und Fans als solide Songwriterin inmitten des grauen Niemandslandes der Billboard-Charts unterzugehen. Seit ihrer Anbandelung mit SOPHIE und dem PC-Music Produzenten A.G. Cook und der daraus resultierenden "Vroom Vroom"-EP machte sie allerdings eine der spannendsten Entwicklungen der letzten Dekade durch. Mit "Pop 2" verpasste sie dem ganzen Genre rückblickend eine der grundlegendsten Überholungen in seiner jüngeren Geschichte und mit "Charli" und "How I’m Feeling Now" trieb sie diesen Sound zu immer experimentelleren und persönlicheren Höhen.
"CRASH" spult nun die Zeit ein wenig zurück, und beantwortet die Frage, was wohl geschehen wäre, hätte Charli den ihr vom Label vorgegeben Pfad der Radiopop-Mittelmäßigkeit nie verlassen. Seit Monaten teast die Britin den Releases ihres fünften Studioalbums auf Social Media damit an, ihre Seele an die Strippenzieher der Musikindustrie verkauft zu haben, visuell untermalt von einer grisseligen Horror und Snuff-Ästhetik. Selbst der Titel und das Artwork des Albums scheinen zumindest ein wenig vom gleichnamigen Body-Horror Cronenbergs inspiriert zu sein. Neben der offensichtlichen Ironie, diese Bildlichkeit mit einem Pop-Album zu kontrastieren, schwang dabei auch stets etwas Zwanghaftes mit.
Charli scheint sich vollkommen bewusst zu sein, was sie mit diesem Album tut. Sie weiß, dass sie damit nicht länger den Sound bedient, den ihre Fans in den letzten Jahren so zu lieben gelernt haben, also versucht sie auf andere Art weiterhin ihrer edgy Nische treu zu bleiben. Doch obwohl die 29-Jährige sich wirklich alle Mühe der Welt gab, "CRASH" als etwas anders zu verkaufen, letzten Endes klingt es schlichtweg einfach nur nach dem kantenlosen Pop-Album, das ihr Label seit Jahren von ihr fordert. Das ist ernüchternd, verurteilt das Werk allerdings nicht schon von vornherein vollends zum Scheitern.
Das experimentelle Korsett, dass die Britin mit jedem ihrer letzten Alben immer fester zurrte, ist schließlich keine Grundvoraussetzung für einen guten Charli XCX-Song. Viele ihrer größten Hits und besten Songs verzichten gar völlig darauf. Sowohl als Songwriterin für andere, als auch in ihren eigenen Songs glänzt Charlotte Aitchison seit dem Beginn ihre Karriere damit, einem binnen weniger Sekunden einen Ohrwurm ins Hirn zu pflanzen. Ihre Hooks waren und sind ihre größte Stärke.
Auch "CRASH" kann man diese Qualität über weite Strecken nicht absprechen. Das von Christine And The Queens und Caroline Polachek assistierte "New Shapes", das "Cry For You" interpolierende "Beg For You", der Garage-Banger "Used To Know Me" oder die 80s-Hommage "Baby" legen davon Zeugnis ab. Viel süßer kann Earcandy kaum klingen. Allerdings wird man selbst in seinen besten Momenten das Gefühl nicht los, dass hier irgendwas im Argen liegt. Der Geschmack von Plastik, den die Label-Executives ins Studio schleiften, legt sich relativ schnell auf die Zunge und nimmt mit andauernder Laufzeit mehr und mehr zu.
Da freut man sich über spärlich gesäte Palette-Cleanser wie das öffnende "Crash". Angestachelt von der lebhafte Produktion A.G. Cooks wirkt der Song wie ein bittersüßes Wiedersehen mit einer deutlich animierteren und energetischeren Charli. Die versteht es nämlich, einzig mittels Sound-Effects, Rhythmen und Vocal-Inflections musikalische Welten zu erschaffen, in deren Hedonismus man sich nur allzu gerne verliert. Auch auf "Lightning", dem größten Standout der LP, stolpert man geradewegs in eine solche Welt hinein. Die Gitarre öffnet ein Fenster in die sternenklare Nacht, der Vocoder in der Bridge lässt die Wolken am Himmel aufziehen, Drums und Bass schlagen wie der titelgebende Blitz in die Hook ein. Jedoch könnte auch dieser Song die Ideen noch radikaler zu Ende denken, wie es ein A.G. Cook auf "How I'm Feeling Now" garantiert getan hätte.
Hier sitzen allerdings Produzenten wie Ian Kirkpatrick und Digital Farm Animals am Steuer. In der Folge klang die Britin selten so müde und uninspiriert, wie auf den Deep-Cuts "Move Me", "Every Rule" oder dem nervtötenden Closer "Twice". Vielmehr als nach artistischer Verwirklichung fühlen sich diese Songs nach einer halbherzigen Auftragsarbeit an. Nach Nummern, bei deren Entstehung Charli kein Mitspracherecht hatte, ihren sonst so ikonischen musikalischen Duktus sucht man vergebens. Vielmehr saugt die sterile Instrumentierung jeglichen Charakter aus der Perfomance und beraubt stellenweise selbst den starken Melodien ihrer Wirkung.
Auf dem Papier trägt die LP das Label Dance-Pop, nur schafft es nahezu keiner der zwölf Tracks, dass man sich auch nur annähernd dazu hingerissen fühlt, sich in die Richtung einer Tanzfläche zu bewegen. Dabei sollte gerade eine Künstlerin wie Aitchision mittlerweile ein Gespür dafür haben, dass man einen Pop-Song nicht allzu glatt polieren darf, wenn man das Interesse derjenigen aufrecht erhalten will, die dieses Genre wirklich lieben. Mit diesem Album spricht sie zwar eine breitere Masse an, nur sollte sie zukünftig ein Auge darauf behalten, in der Folge nicht ihre eingeschworene Fanbase zu verlieren.
Charli beteuerte in der Vergangenheit des Öfteren nicht nur diese von Kritikern geliebte Koryphäe im Pop-Underground sein zu wollen, sondern auch ein waschechter Popstar. "CRASH" klingt wie der verbissene Versuch, diese Phantasie Wirklichkeit werden zu lassen. Ein seltsamer Hybrid aus vielen Elementen, die ihre Musik in der Vergangenheit so außergewöhnlich und spaßig machten und einem schwer verdaulichen Überzug aus Nostalgie-Pastiche und UKW-Plastik. Am Ende dürfte weder Charli, noch ihr Label davon profitieren. Erstere verwässert damit aktiv ihr bisher nahezu wasserdichtes Portfolio und Atlantic dürfte blöd dreinschauen, wenn sie ernsthaft glauben, dass ein Album wie dieses Charli an die Spitze der internationalen Pop-Industrie katapultieren könnte.
6 Kommentare mit 15 Antworten
Bin aus dem Album leider nicht ganz schlau geworden, wurde zwar von ihr als 'Sellout' Album angekündigt aber zum Großteil leider wirklich extrem uninspiriert und manchmal fast langweilig.
Wenn ein richtig guter song dabei ist dann zündet der auch so richtig ('Baby', 'Lightning'), die lowlights sind dann aber auch wirklich öde und/oder mies ('Twice', 'Constant repeat').
3 Sterne gehen klar I guess, aber definitiv kein Highlight unter ihren Alben.
Warte nur auf die rosalia 5/5.
True
Bestätigt halt, daß alles Interessante an ihr von Produzenten stammt. Sie ist das weiße Blatt, das jedes mal neu von anderen bemalt wird.
Ach komm, das kannst du besser...
Künstlerisch nix Wiedererkennbares mitzubringen, sondern sich ausschließlich von anderen zu einer Marke machen zu lassen, ist doch im Grunde der schwerste Diss. Zumindest, wenn man Musiker sein will.
Ja, fehlt halt dein typischer Duktus bzgl des Geschlechts, du weißt schon was ich mein.
Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.
Craze muss dringend das Wort Duktus nachschlagen...
Willst du den Kommentar nicht auch noch löschen? Kannst ja vllt auch erst nochmal dieses sogenannte Google benutzen und es dir dann nochmal überlegen.
laut wär mit mehr Craze ein besserer Ort!
#mehrcrazewagen
#teamcraze4ewa
#verpissteuchihrpusteln
Wenn du Google selbst benutzt, wirst du feststellen, dass Duktus nichts mit dem Inhaltlichen von Schriftspache zu tun hat. Gern geschehen.
#faktenlernenmitschwingo
Es erstaunt mich wie viel Aufwand es benötigt, um etwas so Durchschnittliches zu erschaffen. We can‘t rewind, we‘ve gone too far
Wundert hier niemanden, dass dich das erstaunt. Schließlich kennst du das alles nur ganz anders, nämlich sehr viel häufiger bedeutend mehr eigenen Aufwand bringen zu müssen um dir am Ende doch bloß wieder das elende Häufchen Unterdurchschnittliches aus deiner Arschritze geschabt zu haben, was du uns anschließend ungefragt, aber immerhin mit dem Stolz einer frisch dazu gewordenen Mutter als deine persönlichen Assoziationen zum Begriff "Textbeitrag" in die Kommentarspalten schmierst.
Uns? Du bist also Teil eines Rudels, Arschi?! Einen lausigen Streuner würde ich glatt adoptieren und beim Tierarzt um die Ecke entwurmen lassen - kastrieren wird in deinem Fall nicht nötig sein - aber all die kleinen Racker kann ich nun wirklich nicht aufnehmen. Doch ich mach dir einen Vorschlag zur Güte, wenn du und fünf weitere deiner pelzigen Flohfallen ein „Fisti, geh bitte scheißen!“ hier unter diesem Kommentar posten, dann lösche ich diesen Account. Du siehst, ich habe ein Herz aus purem Gold.
Trägt sich sicher schwer daran und hilft vor allem enorm viel wenn Lochfraß im Hirn und explosivdiarrhöische Inkontinenz nachlesbar deine beiden Hauptprobleme sind, Bübchen.
Ich fühl mich diskriminiert Wau Wau
die passion fisti wann?
Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.
Freue mich schon auf die Trainwreckords Folge.
Muss zustimmen ein tendenziell enttäuschendes Album. Aber immerhin sind ein paar sehr gute Tracks dabei wie Constant Repeat & Lightning die zwar weniger experimentell daher kommen aber dennoch sehr starke Ohrwurmqualität mitbringen. Ich weiß zwar nicht warum belanglose Tracks wie Yuck es auf das Album schafften aber OUT OUT und der viel passendere end track 'Never Felt Better' auf die Deluxe Version strafversetzt wurden.