laut.de-Kritik
Bluegrass ist ein alter Hut? Von wegen!
Review von Daniel StraubFährt man im US-amerikanischen Bundesstaat North Carolina von der Hauptstadt Raleigh in Richtung Süden und benutzt statt des neuen Highways die alte Route 23, dann kommt man durch das kleine Städtchen New Hill. Dort steht eine Tankstelle, deren gute Zeiten längst vergangen sind. Die Zapfsäule, durch deren Körper einstmals das mobilmachende Elexier floss und die heute nur noch trocken hüstelt, ziert das Cover zum neuen Chatham County Line Longplayer "Route 23".
Weit mehr Leben als die verlassene Tankstelle in New Hill hat das Quartett aus dem benachbarten County Chatham in sich. Vom ersten Ton an läuft die Groovemaschine der Chatham County Line, wie geschmiert. "Where To Sleep" eröffnet "Route 23" mit einer klassischen Up-Tempo-Bluegrass-Nummer und weißt die vier Herren als hochprofessionelle Komponisten, Sänger und Instrumentalisten aus.
Der Rollentausch der Multiinstrumentalisten gehört zu den festen Prinzipien bei Chatham County Line. Dass die Qualität der Songs darunter keineswegs leidet, macht das Quartett schnell deutlich. Vielmehr sorgen drei gleichwertige Sänger für den abwechslungsreichen Charakter von "Route 23".
Ähnlich vielschichtig sind auch die Stimmungen, die von fröhlichen Tanznummern ("Sun Up") über melancholische Songs ("Arms Of The Law") bis hin zu Tunes reichen, die das strenge Bluegrass-Format zugunsten folkiger Arrangements ("Ruination", "Saro Jane") aufgeben. Was alle Songs auf "Route 23" gleichermaßen auszeichnet, ist die eindringliche Intensität, die aus ihnen spricht.
Kein Wunder, dass Produzent Chris Stamey, der ansonsten Ben Folds und Le Tigre den nötigen Feinschliff besorgt, nach einem Konzert von Chatham County Line ganz versessen darauf war, den vier Männern aus North Carolina zu einem größeren Publikum zu verhelfen. Ob ihm das mit "Route 23" gelungen ist? Die Vorzeichen jedenfalls sind günstig wie nie.
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