laut.de-Kritik
Oldschool-Songwriting, strikt ohne Effekte und Elektronik
Review von Philipp KauseEef Barzelay mag klassisches Singer/Songwriting. Seine harmonischen Gesänge in teils mehrstimmigen Arrangements und sein federndes Gitarrenspiel erklangen unter dem Bandnamen Clem Snide das erste Mal 1998. Gleich im Debüt verwies die Band namentlich auf Nick Drake. Clem Snides Musik klang zwar nie so deprimiert und obwohl ein Beerdigungssong zu "Forever Just Beyond" gehört, tut sie es selbst jetzt nicht.
Clem Snide klangen auch nie so britisch wie Nick Drake. Andererseits, die vorschnelle Zuordnung des Sounds zu purem 'Americana' und 'Country' war nie ganz angebracht und bremste die Band aus. Freilich: "Forever Just Beyond" klingt nach Lagerfeuer-Romantik, nach Landstraßen mit weiter Sicht und nach Holzhäusern mit Veranda in der Prärie. Eine Schicht mehr Komplexität, klassischen Folk und Folk-Rock legt die Band obenauf.
"True Shape Of Your Heart" wird Mark Knopfler-Fans dank Luftigkeit und entspannt pluckerndem Spiel zusagen, während der Gesang eher an ein Mittelding aus Soul-Crooner und Elton John erinnert. Sänger Eef verfügt über eine enorme und beeindruckende Breite an Schattierungen, Höhen- und Tiefenlagen. Er moduliert umwerfend. Als Highlight des insgesamt runden Albums zielt so die "Ballad Of Eef Barzelay" mitten ins Herz, auch dank phänomenaler Akustik-Gitarrenarbeit. Mit wenigen weiteren Mitteln, etwas Cello und intensivem Background-Gesang entspinnt sich dichter, spannender Sound.
Am Anfang ihres Schaffens wurde die Band gerne mit den damals aktuellen Wilco und Eef Barzelay mit Jeff Tweedy assoziiert, und da ist ein bisschen was dran. Anders als bei Tweedy wirkt der Sound hier aber keineswegs introvertiert, verschnörkelt, kopflastig und still, sondern: dem Hörer sehr zugewandt, spontan, entspannt und bei aller Reduziertheit 'laut', eindringlich. Ohrwurm der Platte wird nach ein paar Mal Hören das bittersüße, metaphernreiche und straight twangende Beerdigungslied "Don't Bring No Ladder".
Das Konzept kann man von Grund auf als altmodisch ablehnen, aber die Umsetzung hört sich fabelhaft an. 'Fabelhaft' auch im engeren Sinne vom lateinischen 'fabula': 'Erzählung, Sage, Geschichte'. Konkret läuft das zum Beispiel so wie in "Sorry Charlie": Es gibt einen Einstieg ohne Intro. Gesang und die volle Instrumente-Montur platzen ohne Vorrede los. Die Geschichte handelt vom Ich-Erzähler und von Charlie, und von Erinnerungen. Eef singschauspielt mit Herzblut, und schmachtet dem Heulen nahe: "Sorry Charlie, we can't party anymore". Wuchtig erdet die Bassgitarre den dramatischen Gesang. Banjo und Saxophon übernehmen herzzerreißende Takte. Effekte, Plug-Ins, elektronische Hilfen - sowas brauchen Clem Snide nicht.
Die gut nachvollziehbaren Strukturen der kurzen Stücke machen "Forever Just Beyond" schnell zugänglich. Es gibt keine Längen, obwohl die Hälfte der Songs über vier Minuten lang läuft. Barzelay hat erfolgreich nach lauter edlen, kleinen, funkelnden Akustik-Diamanten geschürft und beweist, dass er das Rezept fürs perfekte Songwriting beherzigt.
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