laut.de-Kritik
Hauptsache der Neptunes-Sound bounct wie Gummi-Flummi.
Review von Stefan JohannesbergDie angehenden US-Rapstars haben es mit ihren einheimischen Cops nicht leicht. Erst recht nicht, wenn sie als Afro-Amerikaner mit Hip Hop-Straßenoutfit kleinen weißen Kiddies im Einkaufszentrum Autogramme geben müssen und deswegen einen Massenauflauf verursachen. So geschehen beim Dirty South-Duo Clipse. Dabei droppen die beiden Rapper Malice und Pusha T jetzt erst ihr erstes Album "Lord Willin'", und frühere Kollabos mit Master Ps No Limit-Verein interessieren heute eher die Wenigsten.
Doch das ändert sich mit Gastauftritten bei den Backstreet Boys oder Nelly Furtado natürlich schlagartig. Wenn man dann auch noch angesagte Produzenten wie die Neptunes-Crew hinter sich weiß, scheint der Erfolg und eben jene geifernde Teeniemassen vorprogrammiert. Den 08/15-Mainstreamkonsumenten stört es halt nicht, dass Malice und Pusha T am Mic höchstens durchschnittlich talentiert sind. Hauptsache der Neptunes-Sound bounct wie ein Gummi-Flummi. Für wahre Skillz bleibt da auch kein Platz, und so funktionieren die zwei Emcees aus Virginia als belangloses Beiwerk.
Die eigentlichen Stars der Platte hören auf die Namen Pharrell Williams bzw. Chad Hugo, aka die Neptunes. Ihre Beatformel beeinflusst wahrscheinlich jeden Produzenten rund um den Globus. Der Drumsound groovt so furztrocken, die Rock- und Elektro-Samples strahlen eine solche Tiefe aus, dass selbst Primo-Puristen heftigst mit dem Kopf nicken oder gar anfangen, das Tanzbein zu schwingen. So überzeugt das minimalistische "Grindin'" mit Old School-"Percussion Only"-Rhythmik. Das feine "Gangsta Lean" kommt im N.E.R.D-Style daher, und "Young Boy" interpretiert lässig die "Purple Pills"-Mundharmonika von D-12.
Wie bei fast allen großen Hip Hop-Beatmakern (DJ Premier, Dr. Dre) unserer Zeit verfangen sich jedoch auch die Neptunes mittlerweile in ihrem eigenen Soundgerüst. Trotz unbestreitbarer Klasse klingen viele Beats einfach bekannt und ausgelutscht. Die gepflegte Langeweile bricht oft durch, da die Clipse-Crew den Karren bei "Famlay Freestyle", "When The Last Time" oder "Ego" raptechnisch ebenfalls nicht mehr aus dem Dreck des Südens zieht.
1 Kommentar mit einer Antwort
"am Mic höchstens durchschnittlich talentiert" ?!
Es war 2002! Bereits 2004 habe ich Clipse geliebt. Aber eine Kritik ist ja auch immer ein Zeitdokument - nicht nur über den Künstler sondern auch der eigenen Entwicklung