laut.de-Kritik
Eine Frau und ein Klavier. Einfach nur ergreifend.
Review von Giuliano BenassiEine Frau und ein Klavier. Da kommen im Pop/Rock-Bereich gleich Tori Amos, Norah Jones, Alicia Keys, Fiona Apple und Ani diFranco in den Sinn. Mal poppiger, mal engagierter, mal lieblicher und mal gewollt mit Traditionen brechend verlangen sie Zuschauern und Zuhörern Respekt ab: Erstaunlich, wie so zierliche Persönchen ein so monströs großes Instrument beherrschen und dabei auch noch so intensiv singen können. Ein Spannungsfeld, das einen wesentlichen Teil der Faszination ihrer Musik ausmacht.
Daisy Chapman gehört nicht zur Oberliga der klimpernden Damen, hat als Mittelpunkt von Scarlatti Tilt aber schon auf sich aufmerksam gemacht. Als Jugendliche habe sie im Internat viele Stunden damit verbracht, die aktuellen Hits auf dem Klavier nachzuspielen, erklärt sie, was das Wesen ihrer Musik gut beschreibt: Es ist nicht so wichtig, was sie spielt, sondern wie sie es tut.
Ganz deutlich hört man das aus Leonard Cohens "Hallelujah" aus ihrer ersten Solo-EP "Hymns Of Blame" heraus, die ihrem vorliegenden Debüt-Album beigefügt ist. Ein Stück, das Jeff Buckley ultimativ interpretiert hat, das aber auch in Chapmans Version in seinen Bann zieht: schnörkellos, die Melodie eng am Original, die Begleitung harmonisch, aber dennoch keine Spur schmalzig, sondern einfach nur ergreifend. Eine Fähigkeit, die Chapman auch mit einer Popschnulze wie Rihannas "Umbrella" auf ihrer MySpace-Seite unter Beweis stellt: Bei den wenigen, die das Original nicht kennen, könnte es glatt als eigenes Stück durchgehen.
So verhält es sich auch mit den sieben Liedern auf "And There Shall Be None". "Our Mutual Friend" stammt von Divine Comedy, doch die Kombination aus Chapmans kraftvoller, scheinbar emotionsloser, aber mit Pathos geschwängerten Stimme und der hämmernden, dennoch verspielten Klaviertechnik macht daraus etwas Neues. Nahtlos fügt es sich in die weiteren sechs Stücke aus eigener Feder ein, von denen lediglich das abschließende "Home" an eine Kollegin erinnert, nämlich Norah Jones. Diese würde sich an eine Text wie "I drink on my own … drink slow, keep your lips closed. The bar is now closed, I'm going home" aber kaum heran trauen.
Die jungen Frau aus Bristol setzt auf jeden Fall ein Ausrufezeichen. Originell ist das, was sie bietet, nicht wirklich, dafür aber durch und durch glaubwürdig. Eine Musikerin, die es nicht nötig hat, bei zwielichtigen Talent-Shows einen Vertrag zu erbetteln, sondern mutig ihren Independent-Weg geht. Kunst vor Kommerz – in ihrem Fall eindeutig die richtige Entscheidung. Die Chancen, einmal in die Oberliga zu kommen, hat sie sich damit nicht verbaut.
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