laut.de-Kritik

Als wären Kasabian noch mal jung und hungrig.

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"Wir betrachten die Welt sowohl mit kaltem Zorn als auch mit Schmerzempfindlichkeit." Nein, an Schwarzmalerei und Mystifizierungen sparen sie nicht, die Dark Horses. Stets bemüht, einen Schleier um sich und ihre Musik zu hüllen, entweichen ihnen dann Sätze wie "Wir sind genau die Leute, auf die wir gewartet haben". Diese Tatsachen, dass sie einen Fotografen als offizielles Bandmitglied führen und nur in schwarzen Lederoutfits auftreten unterstreichen eines: Den Eindruck einer ambitionierten Inszenierung.

Ein sanfter Fade-In eröffnet den ersten Song "Rose". Von Beginn an offenbaren die Dark Horses ihr ganzes Repertoire: Die sich öffnende Stimmknospe von Lisa Elle, die die Form des Songs definiert. Gitarren, die nach rostigem Metall klingen; ein groovender, angecrunchter Bass und genauso stampfende wie dezente Drums. Oft werden diese durch elektronische Drumpatterns ergänzt oder gänzlich ersetzt - wie am Ende des Openers oder eigentlich in so gut wie jedem Song.

Aus dem mit echoartigen Stimmüberlagerungen beginnenden "Radio" entwickelt sich rasch ein Song, an dem Tame Impala-Mastermind Kevin Parker seine wahre Freude haben dürfte. Stets alles andere als glatt und irgendwo immer noch eine kleine Soundspielerei in petto fängt dann jäh die Gitarre an zu fiepen - ohne dass der Track dabei jemals aufdringlich würde.

Die Dark Horses sind eine der Bands, die immer auf der Grenze starker Melancholie bis hin zur Depression wandeln - und dabei trotzdem Spaß machen. Streiten lässt sich natürlich darüber, ob einige Songs durch ihre monströse Dauer nicht allzu künstlich zum Melancholie-Monster aufgeblasen werden.

Zum Ende der Tracks türmen sich häufig obligatorische Intermezzi auf, beispielsweise in "Traps" und "S.U.N.". Denn die schwedischstämmige Sängerin lässt die Band gern allein mit ihren dunklen Biestern. Sekunden und Minuten verstreichen, oft fühlt man sich von diesem schwarzen Ungetüm in den Wald geführt und einfach vergessen.

Die zwei folgenden Songs sind potenzielle Kasabian/Kills-Hybride. Mit durchdringenden Synths geschmückt ist bei "Alone" wie "Boxing Day" stimmlich eine Alison Mosshart nie weit weg. Das, der groovende Bass und die Nadelstiche setzenden Gitarren sind alles, was die Dark Horses brauchen, um einen guten Track zu fabrizieren.

Noch öfters wird man über die Spielzeit von fast 56 Minuten mit diesen Gedanken konfrontiert. Große Hooks und Melodien entsteigen den Röhren eher selten. Aber wer so gute verschwommene und psychedelische Klänge raushaut, der arbeitet vermutlich auch nicht darauf hin. Man muss die Stücke halt richtig zu verdauen wissen.

Den Kasabian-Vergleich noch im Hinterkopf: Bei "Count Me In" ist deren Frontmann Tom Meighan mit von der Partie. Das Stück schwingt langsam, zieht sich, ist aber keinesfalls zäh. Ein schönes Feature. Der Eindruck, dass die Stimme der Sängerin bei den Dark Horses sowieso erste Priorität genießt, unterstreicht "Road To Nowhere" mit seinem zweistimmigen Acapella zu Beginn. Die Band klingt immer noch nach der Sparsamkeit, die sie von Minute eins an ausstrahlt - andererseits kommt das in diesem Fall einer Reminiszenz an Dear Reader oder Wallis Bird gleich.

Das 13. Stück, der Neo-Psychedelische Retro-Rock-Track "Anna Minor", begnügt sich die meiste Zeit mit wenigen Gitarrenakkorden. Verzerrt, klar, und nicht ganz überraschend mit Mundharmonika und Melodica verziert. Groß wirds dann, wenn die Overdrive-Gitarren einsteigen und vor Energie nur so strotzen.

Das dunkle Monstrum schleicht anschließend von der Bühne, zurück in die unbekannten Ecken der englischen Stadt Brighton. Doch der Eindruck des geschickt inszenierten Kasabian-Revivals bleibt: Zwar arbeiten die Dark Horses nicht ganz so perfekt, wie auf dem Psychedelia-Space-Rock-Meisterwerk "Empire" geschehen oder Tame Imapala das vor nicht allzu langer Zeit geschafft haben. Doch etwas Interessantes und Eigenständiges haben sie trotzdem kreiert.

Trackliste

  1. 1. Rose
  2. 2. Radio
  3. 3. Alone
  4. 4. Boxing Day
  5. 5. No Dice
  6. 6. Chain Chant
  7. 7. Traps
  8. 8. Count Me In (feat. Thomas Meighan)
  9. 9. Black Music
  10. 10. Sanningen On Dig
  11. 11. Road To Nowhere
  12. 12. S.U.N.
  13. 13. Anna Minor
  14. 14. The Archer

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