laut.de-Kritik
Musik wie ein trojanisches Pferd: dumm und hölzern, aber praktisch.
Review von Karim ChughtaiEr lässt es so einfach aussehen. Und eigentlich muss man Herrn Guetta dafür einfach nur die Hand schütteln. Sein Erfolg basiert nicht auf gagaistischer Pseudo-Avantgarde oder überheblicher Black Eyed Peas-Surrealität, David Guetta hält dem gegenwärtigen Pop-Geschäft bloß den Spiegel vor Augen. Und das mit einem minimalen Maximalprinzip. Warum auch den Moonwalk präsentieren, wenn heutzutage ein Piano-Loop mit beliebiger Quäke ausreicht.
Guetta muss sich nicht einmal strategisch neu positionieren, wie die vielen Mitstreiter im Kampf um das Taschengeld ihrer Hörer. Er führt sein Image als jetsettender House-DJ, dessen Wurzeln angeblich nach wie vor noch tief in die Szene ragen, einfach fort. Dass er eigentlich ein gescheiterter Künstler ist, der irgendwo auf dem Weg zum großen Fame die musikalische Reset-Taste aktivieren musste, bleibt außen vor.
Zwar ist der Herr heute künstlerisch bankrott, finanziell steht er dafür voll im Saft. Und das aufgrund einer simplen Rezeptur: Seiner eigenen Trademark aus Stadion-Trance, US-R'n'B, sich multiplikatorisch auswirkenden Feature-Gästen sowie chartdienlichen Infernos aus stampfenden Kickdrums und prolligen Hände-in-die-Luft-Synthesizern. Die Blaupause zum Dollarscheißen. Bewährte Gäste, bewährte Muster, bewährter Erfolg. Das Albumkonzept geht inzwischen Hand in Hand mit dem Businessplan des Franzosen.
So wundert das VMA-Line Up auf seinem fünften Album kaum noch. Und so wundert die Songvielfalt zwischen "I Got A Feeling" und "When Love Takes Over um so weniger. "Nothing But The Beat" ist ein demografischer Rundumschlag mit Ibiza-Attitüde und Inhalten, die sich zwischen fanatischen Afterpartys, viel zu vielen anschmiegsamen Mädels, noch weitaus mehr coolen Typen und dem dazu herbeigesehnten Filmriss einpendeln. Alles fern jeglichen Kontextes, einzig und allein darauf bedacht, irgendeine ins Torkeln geratene Masse in Bewegung zu halten.
Dabei mimt CD 1 das Déjà-vu zum Vorgänger "One Love". Zwölf Techno-Banger mit Rave-Versatz in embryonaler Hip Hop-Stellung: Minaj hakt nach "Where Them Girls At", Will.I.Am versichert "Nothing Really Matters", während sich Snoop ("Sweat") und Timbaland ("I Just Wanna F.") über bedingungslosere Liebhaberqualitäten streiten. Schlussendlich wärmt Jennifer Hudson Rihannas "Only Girl" neu auf ("Night Of Your Life"). Spannungsbögen waren einmal, braucht kein Mensch. Das Album beginnt dort wo es auch endet.
Dafür soll CD 2 von dem ehemaligen, dem Club-krediblen, dem nicht Dance-Pop geschwängerten Guetta zeugen. Wenn allerdings LMFAO und Deadmau5 rudelbumsen und dabei an Daft Punk im Vorspiel und Ed Banger im Hauptakt denken, dann mündet das letztlich in einem elektronischen, möchtegern-progressiven Nicht-Underground-Sound. In einer plumpen Adaption der französischen Electro-Schule, eine geschlagene Dekade zu spät.
Trotzdem kommen alle Tracks ihrer ursprünglichen Funktion, die ihnen ihr Taktiker auferlegt hat, einwandfrei nach, auch wenn wohl niemand zu "Sunshine" tanzen wird, außer eventuell Tiësto. "Paris" weiß sogar als Major Lazer-Beat-Klon zu gefallen.
David Guetta weiß exakt, was seine Fans wollen und wann sie es wollen. Hits mit Bombast und klarer Popsongstruktur. Und längst weiß er auch, was einen No. 1 Hit ausmacht. Er ist nun mal so etwas wie der französische Dr. Klenk, der die Erfolgsformel pachtet und Künstler, A&R und Manager in einer Person vereint. Seine Musik ist wie ein trojanisches Pferd - sie wirkt dumm und hölzern, beschert allerdings doch ihren vorgesehenen Zweck.
Wenn also ein fragwürdiger Song von ihm vorliegt, stellt sich die Frage, wer der Dumme ist, derjenige, der ihn produziert, der ihn kauft oder derjenige, der ihn eben nicht produziert? Und wer den Nerv von 22 Millionen Facebook-Fans trifft, hat ein Argument für seinen Werdegang jenseits interessanter, anspruchsvoller Produktionen.
Leider attestiert das Album damit nicht mehr als das künstlerische Feingefühl eines Investors und ein superbes Armutszeugnis der Pop-Szene bzw. Willenlosigkeit ihrer Konsumentenschicht.
49 Kommentare
Partayyyyytime!!!
Danke Danke Danke Karim, für die Rezi!
Hab mich üblest geärgert, dass der Me/Sounds in der letzten Ausgabe dieser Dumpfbacke so viel Raum gegeben hat....
Erst der "Style"-Teil und dann noch David Guetta im ME - Ende eines Abos...
CD 2 klingt komplett wie der Daft Punk Soundtrack zu Tron:Legacy, nur eben nicht so gut.
An sich stimmt das mit der Deja-vú wirklich auf CD 1, jeder der Songs war schonmal da und erinnert an etwas schonmal dagewesenes.
'Turn me on' mit Nicki Minaj hat den schlimmsten Refrain den ich seit ewigkeiten irgendwo gehört hab, 'Without U' mit Usher find ich aber gut und 'Titanium' mit Sia find ich super! Rest kannste vergessen.
Titanium ist einfach geil obwohl es sehr an "Every breath you take" erinnert... über den Rest lässt sich streiten aber wer Erfolg hat hat Recht und zieht natürlich auch Neider auf sich ... denn schließlich sind die mit den meisten Hatern auch die populärsten.
wenn du auf der arbeit den song alle 20 minuten hoeren musst, finderst du den song ned mehr so toll. (sonst auch nicht)
"Warum auch den Moonwalk präsentieren, wenn heutzutage ein Piano-Loop mit beliebiger Quäke ausreicht."
EPIC !