laut.de-Kritik
Köllefornia Hardcore, de Luxe Edition!
Review von Mathias MöllerIntros bei CDs sind immer so eine zweischneidige Sache. Auf Hip Hop-Platten dienen sie meist dem selbstbeweihräuchernden Verteilen von Vorschusslorbeeren. Manchmal sind sie groß und werden gern verziehen, ja sogar wohlwollend zur Kenntnis genommen (wie bei Turbonegro), meist langweilen sie aber nur und lassen den Finger zur Skip-Taste wandern. So auch bei Days In Grief, und das lässt auch für das Album nichts Gutes ahnen. Doch bald greift der Finger wieder zum Lautstärkeregler ...
Nach dem "Prologue" erklingen wilde Trommelwirbel und schnelle Gitarren, dass es einem Freudentränen in die Augen treibt. "Make Noise - The Revolution Sleeps" ist der perfekte Einstieg in das "Portrait Of Beauty". Wildes Hardcoregeknüppel mischt sich mit Postcore-Melodie und Screamo-Vocals. Kalifornien? Orange County? Weit gefehlt: Köllefornia beheimatet Days In Grief. Das Album und die Band nähren sich eindeutig von Hardcore, wenn sie auch die anderen spielerischen Einflüsse der letzten Jahre aufnehmen und irre gekonnt umsetzen. Live muss diese Musik ein Orkan sein.
Erinnerte der erste Track (immer dieses Schubladendenken) noch an At The Drive-In, das tonnenschwere "Shadows Fall" oder das flotte "The Abstract Feeling Of Being Lost" weckt Gedanken an Thrice. Bei "All Inside" gibt es dann kein Halten mehr, Emotion umgesetzt in Bewegung unterbricht das Schreiben dieser Review. Schön den Refrain mitshouten: "It's all inside, it's all in mind!" (Die Lyrics sind insgesamt sprachlich anspruchsvoll und durchaus intelligent!) Die Gitarre unterstreicht das verblüffend hohe technische Niveau. Am Anfang von "Blindfold" schreckt dann doom-artiges Gegrunze auf. Jörg, Sänger begibt sich - nicht nur hier - mit seiner Stimme an die Grenzen der Belastbarkeit. Er grunzt, er schreit, aber er kann auch richtig nett singen.
Days In Grief spielen halt nicht den plumpen Hardcore alter Schülerbandtage, sondern entfesseln ein wahres Feuer an Leidenschaft und Emotion, ohne dabei Härte und Pointiertheit aus dem Auge zu lassen. Ein wenig bizarr mutet "Pledge Allegiance To Demons Inside" an. Zuerst klingt das äußerst melodiöse Stück wie eine Huldigung an frühere Metalheroen an, danach wandelt es sich zum Rocker mit besten Emo-Qualitäten. Den Wechsel zwischen Hart und Schnell einerseits und Leise und Beschaulich andererseits erfinden Days In Grief beileibe nicht neu, allerdings spielen sie mit den Elementen auf eine äußerst erfrischende Art und Weise. Besonders schön demonstrieren sie das bei "Transitory" oder "A Nation's Distrust".
Bemerkenswert ist auch die Tightness und wie Days In Grief die Energie über das gesamte Album konservieren. Auch wenn mit "Make Noise - The Revolution Sleeps" der Hammer gleich am Anfang steht, wird das Album gegen Ende nicht langweilig oder schlaff. Mit "Resentment & Disrespect" kommt auch die Political Hardcore-Fraktion auf ihre Kosten: "Get up, revolt! Show Resentment & Disrespect. Let them know that we oppose!" geht raus an den "Cowboy as Commander". Wer damit wohl gemeint ist? Auch in "God Curb America" kriegt The Land Of The Free sein Fett weg.
Richtiggehend herzerwärmend hingegen ist die Detailverliebtheit der Jungs. Ganz groß bei "Poetic Licence" ist die Gitarrenbridge zum Refrain. Fast ganz hinten versteckt sich mit "Nothing Counts Apart" eine weitere Perle in bester Boysetsfire-Manier, die auf keinen Fall ungehört bleiben sollte. Alles in allem hauen Days In Grief in Album raus, das sich gewaschen hat und einige offene Münder hinterlassen wird. Fans von harter Musik werden "Portrait Of Beauty" zweifelsfrei goutieren. In Sachen Hard-/Postcore gibt es aus diesen Landen wenig, das da mithalten kann.
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