laut.de-Kritik
Die Werke der Vor-Gillan-Zeit in schöner Verpackung.
Review von Giuliano BenassiBei Deep Purple gibt es ein Davor und ein Danach. Dazwischen liegt die Besetzung MK II, die erfolgreichste, mit Ian Gillan als Sänger und Ritchie Blackmore als Gitarrist. Vor Gillan hatte die Band aber bereits drei Alben herausgebracht, mit Rod Evans am Mikrophon.
Ende 1967 beauftragten drei britische Geschäftsmänner den Sessionmusiker Jon Lord damit, eine erfolgreiche Band auf die Beine zu stellen. Der klassisch ausgebildete, aber eher in Rockkreisen bekannte Organist verpflichtete zunächst Blackmore, dann Evans, Nick Simper (Bass) und den gerade einmal Volljährigen Ian Paice (Schlagzeug). Im April 1968 schickte sie das Management auf Tour nach Dänemark, wo sie als Roundabout auf sich aufmerksam machten.
Die Idee hinter dem Namen war, dass Mitglieder kommen und gehen sollten wie in einem Kreisverkehr, erklärte Simper. Aus rechtlichen Gründen nannte sich die Band bald in Deep Purple um, der Idee mit den vielen Personaländerungen blieb sie aber treu.
Die Erstellung ihres ersten Albums "Shades Of Deep Purple" im Mai 1968 dauerte genau drei Tage: Am ersten spielte das Quintett unter der Führung von Produzent Derek Lawrence die Songs ein, am zweiten mischten sie sie ab, am dritten nahmen sie noch den Zusatztrack "One More Rainy Day" auf. Dass das alles reibungslos klappte, beweist, dass Profis am Werk waren.
Das Management hatte Großes vor, schließlich wollte man ja schnell Kohle scheffeln. Also stürzte man sich auf den US-Markt. Das Album erschien dort beim neu gegründeten Label Tetragrammatron, das massive Unterstützung versprochen hatte. Der Plan ging zunächst auf: Die Singleauskopplung "Hush" landete auf Platz vier der Singlecharts, das Album kletterte auf Platz 24. Für eine Newcomerband aus dem Ausland schon fast sensationell.
Dabei offenbarte das Album durchaus Schwächen. Dumpf abgemischt, mit einigen Lückenfüllern wie "Help" von den Beatles und dem Traditional "Hey Joe", das Jimi Hendrix zwei Jahre vor ihnen aufgenommen hatte, vor allem aber mit einem Graben zwischen den Instrumenten und dem Gesang. Lord, Blackmore, Paice und Simper bildeten einen düsteren, hart rockenden Block, Evans besaß dagegen ein eher softes Organ, das bei den schnelleren Stücken keine wirkliche Chance hatte.
Wie auch auf der Bühne, denn die Band begann damit, die Stücke endlos in die Länge zu ziehen. Nach der Mode der Zeit natürlich, Led Zeppelin taten es auch nicht anders, doch während sich Blackmore und Lord in minutenlange Soli verloren, stand Evans im Abseits.
Mit "Hush" und dem grandiosen "Mandrake Root" enthielt das Album zwei Stücke, die die erste Lebensphase der Band überlebten. Um den frischen Erfolg nicht verwelken zu lassen, gingen Deep Purple bereits im August 1968 – drei Monate nach dem ersten Album – wieder ins Studio, um den Zweitling mit dem sperrigen Titel "The Book Of Taliesyn" aufzunehmen. Tourbedingt zogen sich die Sessions bis Oktober hin, letztendlich war aber auch dieses Album schnell im Kasten.
Trotz ausgiebiger US-Tour konnte es nicht an den Erfolg des Debüts anknüpfen, auch wenn es mit "Wring That Neck" einen weiteren Evergreen der Bandgeschichte enthielt. Auch "Kentucky Woman" (von Neil Diamond) schaffte es noch einige Jahre ins Liverepertoire.
In Großbritannien rangierte die Band unter ferner liefen. Zwar hatte sie dort einen Vertrag mit Parlophone, ihre Platten gab es zunächst aber nur als Importware. Aus den mittelgroßen Hallen in den USA wurden im Heimatland Kneipen. Das Arbeitspensum und die Unzufriedenheit mit Management und US-Label, dessen Zahlungsmoral zu wünschen übrig ließ, erhöhte die bandinternen Spannungen. Gründer Lord wollte ein Album mit Orchester aufnehmen, Blackmore wollte deutlich härter klingen, Evans bevorzugte Balladen.
Während sie im Sommer 1969 mit ihrem dritten Album auf Tour waren, übten Lord, Blackmore und Paice heimlich mit Bassist Roger Glover und Sänger Ian Gillan, der eigentlich von Anfang an hätte dabei sein können, zunächst aber abgelehnt hatte. Kaum war die Konzertreise beendet, setzte die Band Evans (aus gesanglichen Gründen) und Simper (weil er allen auf die Nerven ging) vor die Tür.
Das dritte Album mit Simper und Evans, "Deep Purple", schaffte es nicht in die Charts, weder in den USA noch daheim. Schade, denn zum ersten Mal enthielt es, mit Ausnahme der Quotenballade "Lalena" aus der Feder Donovans, nur eigene Stücke.
Auf dem abschließenden "April" durfte sich Lord endlich einmal austoben. Als dreiteilige Suite konzipiert, ist es eine musikalische Umsetzung von T.S. Eliots gleichnamigem Gedicht. Im ersten, instrumentalen Teil spielt die Band eher ruhig, im zweiten kommt ein Orchester zum Zuge, im dritten wieder die Band, diesmal mit schnellerem Tempo. In einschlägigen Kneipen taugte das Stück lange als Rausschmeißer.
Mit Gillan stieg die Band zu einer der erfolgreichsten ihrer Zeit auf, auch wenn ihr erstes gemeinsames Album kurioserweise das "Concerto For Rock Group And Orchestra" (1969) war. 1970 war die Zeit aber endlich für Deep Purples bestes Album "In Rock" bereit. Es folgten noch einige gute Platten, "Smoke On The Water" und der Live-Klassiker "Made In Japan", bevor das Danach, zunächst ohne Gillan, dann auch ohne Blackmore, begann.
Die vorliegende Sammlung umfasst die Alben mit Rod Evans, die ersten beiden davon sowohl in Mono- als auch in Stereo-Fassung. Offenbar wollten Management und Label jeden potenziellen Käufer ansprechen. Dazu gibt es viele Zusatztracks und ein ausführliches Booklet mit Interviews, das kurzweilig die Bandgeschichte jener Tage erzählt. Eine lohnenswerte Investition also, denn das eine oder andere Stück hört sich tatsächlich auch heute noch gut an.
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