laut.de-Kritik
Darkwave unplugged, von Hexen und Vampiren.
Review von Ulf KubankeUnplugged-Versionen besitzen in der Darkwave-Szene keine besondere Tradition. Ob sich das einfach daraus ergibt, dass der nackte Song für viele der gegenwärtigen Vertreter, was gesangliche und musikalische Mängel betrifft, schlicht zu entlarvend geriete? Reine Spekulation.
Da kommen die Untoten gerade recht, um die Ehre der deutschsprachigen Szene zu retten. Mit "Akustisch - Der Flug Des Raben" wagt sich das Duo parallel zu "Grabsteinland IV" an eine Darbietung älterer Songs in rein akustischem Gewande.
Das Ergebnis fällt zwiespältig aus. Rein musikalisch betrachtet beweisen die Berliner Wiedergänger erneut, dass sie deutlich mehr zu sagen haben als das Gros der meisten Deutschgoth-Kollegen.
Das mal gezupfte dann dynamisch angeschlagene Fundament von David Line umschmeichelt das Ohr wie züngelnde Flammen den Scheit. Sämtliche Lieder gewinnen hier tatsächlich an Ausdruck und Intensität. Die Leidenschaft und Lust an der Musik merkt man der Band quasi in jeder Sekunde an.
Meist gibt sich die gruftige Szene ungefähr so experimentierfreudig wie ein Finanzbuchhalter im Versicherungsgewerbe. So gesehen wagen sich die Untoten mutig auf neues Terrain. Sie sprengen hier die ungeschriebenen stilistischen Genregesetze.
"Love Spell" ist toll arrangierter Grufti-Swing; eine Art "Big Spender" für die Friedhofsmeute. Man beachte das wunderschön perlende Piano zwischendrin.
Auf "Hexenfieber" offenbart Greta Ida Csatlós gekonnt ihre ungarischen Wurzeln. Mit Zigeunerfeuer folkt sie sich und uns in einen walpurgisnächtlichen Sabbat, der gefangen nimmt.
"Als Ich Unter Wölfen Schlief" krallt sich die Sängerin mit lasziv raubtierhafter Kraft und einer Melancholie, wie es fast nur osteuropäisch-stämmige Künstlerinnen vermögen; eine Art Alexandra für die Unterwelt. Auch der Opener "Hure Der Finsternis" lockt im Finale mit hexenhafter Sanges- und Schauspielkunst.
So schillernd die Vorzüge des Albums, so finster gestalten sich leider auch dessen Abgründe. Das liegt zu einem beträchtlichen Teil an den Texten. Thematisch ist das Sammelsurium ohnehin - sogar für Goth-Verhältnisse - recht limitiert. Grob gesagt: Die weibliche Hälfte der Songs handelt von Hexen, die männliche von Vampiren. Das ermüdet schon ein wenig, tendiert gar gen Langweile.
Wer das tieftraurige Schicksal, die Tragik eines Nosferatu-Geschöpfes auf "Als ich Dich dort vor dem Grab wiedersah, spürte ich doch, wie einsam das war" runterbricht, braucht keinerlei Nachhilfeunterricht in Trivialisierung. Dagegen nimmt sich sogar das uralte "Moon Over Bourbon Street" des gothisch gänzlich unbeleckten Sting wie ein Meisterwerk der Friedhofskunst aus.
In dem melodisch eigentlich schönen "Wach Auf" kulminiert wieder der Fremdschämfaktor des hochnotpeinlich allgegenwärtigen "Grabsteinlandes", "Wach auf und kämpf'. Das Grabsteinland ist nah, für dich und mich in einer Welt wie sie einst war."
So richtig schlimm wird es aber erst bei "Esta Es Una Leyenda". Der Track glänzt zunächst akustisch als Mariachilied. Doch wer sich der spanischen Sprache bedient, sollte diese nicht vergewaltigen. Bei Greta Ida wird "leyenda" zu "legenda", "bailar" zu "baljar" und "bruja" zu ... Hört es selbst. Das ist sehr schade.
Hier wird fast das gesamte tolle musikalische Potential des Duos unnötig verschenkt. Das Ergebnis gerät zur unfreiwilligen Selbstkarikatur. Dennoch gilt es, die künstlerischen Ansätze insgesamt zu würdigen. Bitte weitermachen und die Klischee-triefenden Schwachstellen beseitigen.
Noch keine Kommentare