laut.de-Kritik
Songs mit eigenem Gravitationsfeld.
Review von Manuel BergerEinigen Labels kann man was Künstlerverpflichtungen angeht beinahe blind vertrauen. Prophecy gehören definitiv dazu. So sind die Lauscher gleich gespitzt, wenn das Postfach Neuigkeiten aus dem Düsterhaus ankündigt. Statt einem fränkischen Tool-Verschnitt schlüpft aus dem Dool-Paket der neue Arbeitgeber von Job van de Zande (Bass) und Micha Haring (Drums), der Rhythmusfraktion von The Devil's Blood.
Das dient vermutlich als gar kein so schlechter Wegweiser. Dool lassen sich als eine sich mehr in Richtung Progressive Metal orientierende Version der Okkult-Rocker beschreiben. Schraub' den Psychedelik-Anteil etwas zurück, pack' ein wenig mehr Heavy dazu, und, ja: der Damengesang bleibt. Farida Lemouchi schaut übrigens höchstselbst für Backing-Vocals vorbei.
Die Feder führt hier allerdings Ryanne van Dorst, nicht nur, was den Posten am Mikro angeht, sondern auch songschreiberisch: Fast alle Titel auf "Now Here, There Then" schrieb sie im Alleingang. Die einzige Ausnahme bildet "Golden Serpents", für das Gitarrist Nick Polak Co-Credits einstreicht.
Die Nummer bietet sich an, um die nächste Einordnung vorzunehmen: "Don't Fear The Reaper" lässt grüßen, die Band verpasst dem allerdings einen gehörigen Krux-Touch. Dool als Retro-Band abzustempeln, wäre allerdings falsch. Zwar machen die Musiker kein Geheimnis daraus, dass ihnen klassische Acts (deren Namen schon zu oft fielen, um sie hier noch einmal zu wiederholen) wie so vielen anderen auch gefallen.
Trotzdem formen sie genug Eigenes, um sich deutlich von der Masse abzuheben. So ganz kommt man am Vergleich mit Avatarium nicht vorbei, die auf dem Papier eine ganz ähnliche Schiene zu fahren scheinen, im Endeffekt aber doch mehr dem Metal verhaftet sind und weniger dreckig vorgehen. Ryanne nämlich kann bisweilen ganz schön zulangen.
Vor allem in "Words On Paper" kommt die stimmliche Variabilität der Sängerin gut zur Geltung. Mal haucht sie gespenstisch im Hintergrund oder gibt das scheinheilige Mädchen, dann schaltet sie abrupt um und lässt die Röhre sprechen. Am besten gefällt mir ihre Performance allerdings zu Gelegenheiten wie "In Her Darkest Hour", wo sie klar definiert ihre Melodielinien flicht und dabei unfassbare Stabilität und Kraft ausstrahlt.
Für das Instrumentalbett gilt das sowieso. Die Songstrukturen fallen stets wohlüberlegt aus und gehen hervorragend mit dynamischen Mitteln um. "The Death Of Love" etwa lebt von seiner lauernden, zurückhaltenden Stellung und bringt zunächst in wunderbar transparenter Produktion die einzelnen Musiker zur Geltung. Ein repetitives Gitarrenthema legt die rote Schnur aus, um die sich Rhodes, Bass und Schlagzeug hangeln. Wenn schließlich Ryanne die Intensität erhöht und eine Akustikgitarre die schweren Overdrive-Akkorde anfettet, markiert das einen dieser Gänsehautmomente, wenn bei einem Song im Aufbau einfach alles stimmt.
Solche hat "Here Now, There Then" gleich öfter im Gepäck. Wobei meine persönlichen Höhepunkte definitiv der Opener "Vantablack" (was für ein grandioser Finalpart!) und "The Alpha" darstellen. Letzterer müsste eigentlich über ein eigenes Gravitationsfeld verfügen, so schwer drückt dieses bassgetriebene Doom-Riff.
Auch hier bemerkenswert: die Transformation die Dool innerhalb des Verlaufs eines Songs vollziehen. Wesentlichen Anteil daran hat Drummer Micha Haring. Ja, "The Alpha" ist ein Low-Tempo-Ungetüm. In der zweiten Hälfte verwandelt ihn Hering trotzdem in eine treibende Instrumental-Hymne, ehe nahtlos die Reprise folgt und Godzilla wieder hereinstampft.
"Here Now, There Then" markiert erst den Beginn der Karriere Dools. Wenn das in den kommenden Jahren qualitativ so weitergeht, dürften sich die Niederländer bald einen festen und respektierten Platz in der Musiklandschaft erarbeitet haben. Dool sind eingängig (entschuldigt: die Hooks habe ich noch gar nicht erwähnt, aber hört doch einfach mal "Oweynagat"), progressiv, heavy ... kurzum: ein ganz heißer Anwärter auf den Newcomer-Thron des Jahres 2017.
10 Kommentare mit einer Antwort
Fränkische Tool-Coverband. Geile Songs, das seh ich auch so. Schon allein "Oweynagat" aus dem Video – episch.
Berger nähert sich DER WAHRHEIT, Platte wird angecheckt.
Was für ein geiles Album. Fesselnd, dynamisch und abwechslungsreich. Stellenweise treibend, stellenweise dunkel und schwer. Und vor allem: Gitarrensoli. Viel zu viele Progbands unterschätzen die Macht eines gut eingesetzten Solos um drohender Versinkung in repetitiven Rhythmen zu verhindern.
Bin auf alle Fälle versucht 5/5 zu geben, halte es mir aber vor es bei 4/5 zu belassen bis ich das Album nochmal in Ruhe hören konnte.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Musik wird oft als störend empfunden, weil mit Lärm verbunden. Es jedem recht machen kann kaum ein Interpret oder eine Band. Kritik ist wünschenswert, aber im Falle von Dool noch nicht mal bedingt gerechtfertigt. Sicherlich kein Newcomer von was auch immer, aber musikalisch frisch und durchaus um Eigenständigkeit bemüht.
Super Rezension. Kein Musikkritiker-Phrasengedresche sondern Beschreibungen die Präzise sind und die man beim Hören wirklich nachempfinden kann. Hut ab.