laut.de-Kritik

Aus den Hits dieses Albums entwickelte Dan Swanö später ganze Bands.

Review von

Schwedischer Death Metal trifft auf progressive Gothic Rock-Litanei, gekleidet in einen fulminanten "Chaos A.D."-Sound – "and the twilight will show me tonight". Wer nach dem größten Dan Swanö-Track sucht, kommt seit 1994 am "Purgatory Afterglow"-Opener nicht vorbei. "Twilight" vereint alle musikalischen und lyrischen Wesenszüge, die das schwedische Metal-Multitalent seit 1993 aus Örebro in die Welt schickt. Sphärische Keyboard-Klänge wabbern über das nebelgetränkte Feld und eine prophetische Stimme lockt den Hörer hinaus in die Dämmerung:

"I close your eyes and whisper goodbye / You will never see how I cry / I can recall what you said to me once: / If I leave there will be a sign / And the twilight will show me tonight"

Dann brechen Nacken und Hölle los. Ein hypnotisches Death Metal-Riff vertreibt die melancholische Stimmung und endet, angetrieben von Swanös aggressiven, tiefen Growls, in einem alles plattwalzendes Midtempo-Monster, nur um nach einer nachdenklichen Spoken Words-Phase in der letzten Minute Göteborger Melodien aus dem Ärmel zu schütteln. Ja, liebe Death Metal-Spezis, Swanös "Crimson"-Epos ist trotz 40 Minutenlänge auch nur EIN Track, und viele halten es für das viel geilere Götterwerk. In 24 Stunden ein solch starkes Konzeptalbum zu schreiben und aufzunehmen, sprengt auch alle Vorstellungskraft, i get it. Trotzdem glänzt das Genre-übergreifende Hitfeuerwerk auf "Purgatory Afterglow", das selbst In Flames in Sachen Catchiness zur Ehre gereicht hätte, als hellster Swanö-Stern am Firmament.

"Of Darksome Origin" und "Elegy" fräsen sich präzise wie ein At The Gates-Track durch schwarzmetallische Blast Beats, fies heulende Slayer-Breaks und melodische Bombast-Parts. "Velvet Dreams" zelebriert als einer der ersten tonnenschweren Doom-Death, aus mindestens drei Hits entwickelt Dan später ganze Bands. "Blood Colored" donnert mit Klargesang und Growls im Wechsel wie ein legitimer Nachfolger der "Blood of My Enemies"-Coverversion vom Vorgängerwerk "The Spectral Sorrows" und ebnet den Weg für Witherscape. "Black Tears" avanciert zur frühen Gothic Metal-Hymne aus einer Independent-Disse und endet im wundervollen Melodic-Gothrock-Projekt Nightingale, während "Silent" wie Dans Bloodbath in reinster Death-Manier alles nieder prügelt.

Einzig seine Liebe zum Prog-Rock-Gefrickel, das er auf einem einzigen echten Solowerk "Moontower" und Pan.Thy.Monium auslebt, konnte oder wollte Dan mit Edge Of Sanity nie wirklich verwirklichen. Die Band wirkte eher wie eins von Dans unzähligen Projekten. Seine Gründungskollegen entwickelten mit den Jahren ihr eigene Sicht und ihren eigenen Sound, so dass nach diesem vierten Album die Risse offen zu Tage traten. Es gipfelte in der irrwitzigen Label-Situation, dass Edge Of Sanity 1997 das Werk "Cryptic" ohne Dan aufnahmen, während Dan Edge Of Sanity alleine weiterführen wollte. Am Ende löst sich die Band nach dem Swanö-Solo "Crimson II" 2003 endgültig auf.

Neben dem fehlenden Live-Drive ist diese mangelnde Teamstärke wohl der entscheidende Grund, warum Edge Of Sanity trotz genre-definierendem Death Metal-Mix nie den Legendenstatus von skandinavischen Kollegen wie Amorphis oder Entombed erreichten. Dans Egoismus ist daran nicht ganz unschuldig, wie er im laut.de Interview 2003 zugab: "Ich stimme einfach in einem Punkt mir Yngwie Malmsteen überein. Er meinte einmal, dass einfach alle großen Künstler am besten allein arbeiten. Nimm dir doch mal Mozart oder Picasso als Beispiel, nicht dass ich mich mit denen vergleichen möchte, aber es war immer nur ein Mann, der seine Ideen umgesetzt hat und sich dabei nicht reinreden ließ."

Das zeitlose Werk endet dann auch konfus mit einem zornigen Hardcore-Stampfer "Song Of Sirens", dem einzigen Song von Gitarrist Sami Nerberg. Der Track hat zwar seinen Reiz, wirkt hier jedoch komplett deplatziert und deutet die unterschiedlichen Vorstellungen der Mitglieder schon an. Auf der späteren Japan-Edition bzw. auf der EP "Until Eternity Ends" verkümmert dagegen "Eternal Eclipse", der kongeniale "Twilight"-Zwilling und eines der größten Melodic Death Metal-Stücke überhaupt. Dan Swanö ist dies jedoch alles egal. Er veröffentlichte und produzierte nach "Purgatory Afterglow" noch hunderte Songs und bildet so den Kontrast zu den eigenen Kurt Cobain-Tributzeilen aus "Twilight": "I, I know the answer now / To die I am no longer afraid somehow / So fade away". Selbstmord? Verblassen? Nie im Leben, der Schwede brennt sein Leben lang lichterloh.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Twilight
  2. 2. Of Darksome Origin
  3. 3. Blood-Coloured
  4. 4. Silent
  5. 5. Black Tears
  6. 6. Elegy
  7. 7. Velvet Dreams
  8. 8. Enter Chaos
  9. 9. The Sinner And The Sadness
  10. 10. Song Of Sirens

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