laut.de-Kritik
Deutschrap ist problematisch? Schlager auch.
Review von Simon ConradsMan will ja einigermaßen unvoreingenommen an so ein Musikalbum herangehen. Selbst, wenn es sich um Schlager handelt. Selbst, wenn die Platte den Namen "10.000 Bunte Luftballons" trägt. Und sogar, wenn das Cover trotzdem nur läppische zwölf bunte Luftballons zeigt und man sich davon irgendwie betrogen fühlt. Dann hört man die ersten unschönen Töne des Titelsongs und versucht trotzdem noch ruhig zu bleiben. Immerhin haben die Amigos die Latte erst kürzlich ziemlich tief gehängt, also sollte einen so schnell nichts mehr überraschen. Man ist dankbar, dass das Intro endet, ohne stärker zu schockieren, als man es vom Genre gewohnt ist. Auch die folgenden Titel, etwa "Domino" oder "Drei Rote Rosen" sind in tolerablem Maße grauenvoll. Doch dann kommt "Dein Herzspion" und der Refrain überreizt die Grenzen selbst des schlechtesten Geschmacks.
"Dein Herzspion, mit der Lizenz zum Lieben / Code: 006, in zärtlicher Mission": Das sind die Zeilen, die meinen mittelguten Willen brüchig werden lassen. Man kann sich bildlich vorstellen, wie irgendwo in einem Schlager-Studio ein neuer Praktikant, Alter so Mitte 10, ins Schlagertexten eingearbeitet wird, mit den Worten: "Möglichst plump, unterschwellig sexuell und ehrlich gesagt verkauft sich der Kram sowieso, also schreib' einfach irgendwas." Und weil gerade der Trailer für den neuen James-Bond-Film erschienen ist, hat der Praktikant eine geniale Idee: "006, das klingt wie Sex, hihihi, das wird den Schlagerfans gefallen!" Schlimmer ist, dass die Zeilen in Wahrheit vermutlich einem Erwachsenen in den Kopf gekommen sind und dass es zwei Typen gibt, die sich nicht schämen, zu diesen Aussagen zu stehen.
Es dauert nicht lange und es folgt mein Tiefpunkt: "Ich zeig' dir gerne meinen goldenen Colt / Komm' sei ehrlich, das hast du so gewollt". Uff. Wo sind die Leute, die sich über problematische Geschlechterbilder im Deutschrap beklagen? Wir haben hier ein weiteres Problemkind! Es ist ein Leichtes, das Klangliche allein zu kritisieren, denn das ist das musikalische Äquivalent eines komplett auf Gewinnmaximierung ausgelegten Betriebs, der Qualität hinten anstellt. Als hätten Martin Hein und Fredi Malinowski alias Fantasy einen Unternehmensberater engagiert, der ihnen erklärt hat, wie man unter minimalem Aufwand und ohne Rücksicht auf Verluste maximalen finanziellen Ertrag erreicht. Hier klingt alles billig, schrottig und lieblos. Die immer gleichen Keyboard-Sounds treffen auf die immer gleichen Drum-Patterns und für den Hauch von Mühe wird ab und zu mal ein Gitarrenanschlag untergemischt.
Wahrscheinlich könnte nicht mal ein Leonard-Cohen-Text noch überzeugen, wenn man ihn über diese Musik singen würde. Die Texte von Fantasy sind aber oft Schlager-typisches Gesäusel von großen Romanzen, die nur eine Nacht halten, zum Beispiel in "Herz Aus Papier": "Jetzt schläfst du hier in meinem Arm / Das mit uns war abgefahr'n / Ich muss gehen / Doch wenn du morgen erwachst / Dann findest du ein Herz aus Papier / Auf dem Kissen gleich neben dir". Auf dem Herz aus Papier steht dann: "Nächstes Jahr, gleicher Ort".
Auch die Amigos appellieren immer wieder an diese Sehnsucht nach dem romantischen Abenteuer, nach dem eintägigen Ausbruch aus dem leidenschaftslosen Leben, die sich nicht so recht erschließen mag. "Hey, hey du / Sieh' mich an, denn ich bin im Fieber / Hey, hey du / Denn diese Nacht kommt vielleicht nie wieder", heißt es in "Hey Du". Das bringt die beiden Modi von Fantasy in einem Lied zusammen: Die eben beschriebene Sehnsucht ansprechen und problematisch sein.
Ich sage eines voraus: Wenn die gefürchteten Algorithmen eines Tages wirklich so weit sind, komplette Lieder zu komponieren, dann wird die Schlager-Branche die erste sein, deren 'Künstler' durch Computer ersetzt werden können. Einfach, weil diese Musik so generisch und vorhersehbar billig ist. Dann braucht man noch ein paar Nasen, die mit ihren 'Hits' über die Fernsehgarten-Bühne fegen und damit wäre das Genre dann bedient. Hoffentlich.
10 Kommentare mit 18 Antworten
Das Cover kriegt auf jeden Fall den Eklige Schmierlappen-Award des Jahres.
Der Wendler: Hold my Beer...
Würde noch das Album von Mark Forster abwarten. Außerdem haben Flow-Ryan Silveriron und seine Boyz von Klubbb3 ebenfalls ein Album für dieses Jahr angedroht. Wird ne enge Kiste.
"Ich zeig' dir gerne meinen goldenen Colt / Komm' sei ehrlich, das hast du so gewollt." HAHAHA Großartig!
"10.000 bunte Luftballons schieß ich zum Himmel rauf
Und auf jeden steht in Gold dein Name drauf"
Was gibt's denn an Luftballos in den Himmel zu schießen ...? Gebt den Männern eine Bedienungsanleitung!
Davon abgesehen sollte die Angebetete besser Buch führen, falls das in die Tat umgesetzt werden sollte, denn wie sprach schon Philosophin und Männerversteherin Gaby Berger anno 1969:
"Wenn einer dir 1.000 Küsse verspricht,
zähle lieber nach, meistens stimmt es nicht,
denn meistens hat er nach 100 genug,
und das nenn' ich Betrug."
Ich bitte allerdings auch andererseits den Herren, es nicht mit Ballons zu übertreiben. Den 27. September 1986 in Cleveland hatten wir schon mal.
Gruß
Skywise
Musik für MannIn
wie kreativ
Ich habe mich deinem Niveau angepasst...
… und es ist leider Gottes die Wahrheit.
Musste übel lachen. Starker Name und starke ansage
Willkommen bei laut.de, Sohnio. Du wirst noch sehr viel lachen, denke ich.
Herzlichen Glückwunsch an Fantasy ... in den deutschen Verkaufscharts ist der Longplayer von null auf 1 eingestiegen. Da kann man den einen Punkt hier problemlos vergessen.
welchen Punkt denn?
anghy lösch Dich umgehend, oder du wirst mit Konsequenzen rechnen müssen!
Es gibt Konsequenzen? An sowas merke ich immer, dass ich hier wirklich vollumfänglich benachteiligt werde.
mannIN hat schon was papageienhaftes mit seinen löschaufforderungen, eigentlich müsste ihm d-rap gefallen.
ich möchte an dieser Stelle dezent auf das copyright der Ausrichtung "Papagei" hinweisen.
auf jeden user kommen hier gefühlt 100 fakes, in wahrheit sind es zehntausende.
10.000 bunte Fakes?
Ist wie bei den Covidioten in Berlin.
wäre aber schon lustig, wenn die recht hätten.
Who de big Branx ?