laut.de-Kritik

Die Black Eyed Peas-Frontfrau zeigt ihre softe Seite.

Review von

Frau Herzogin, wo bitte ist die "London Bridge"?

Nach einiger Verwirrung um das gleichnamige Video, das in Wahrheit die Tower Bridge zeigt, lässt Fergie tatsächlich kein London-Klischee aus - von den Beefeaters bis zu besagter Brücke. Doch das oldschool-lastige Brett "London Bridge" (eine musikalische Hommage an Gwen Stefanis "Hollaback Girl"), das Polow Da Don von der Gruppe Crow zimmerte, stellt auf "The Dutchess" eine der wenigen Ausnahmen dar.

So findet man auf Fergies Debüt vor allem gefühlvolle Songs. An Stelle der von den Black Eyed Peas bekannten "Party-Fergie" gewährt Fergie uns einen tiefen Einblick in ihre Persönlichkeit, die unsicher und verletzbar ist, die drogenabhängig und essgestört war und mit 31 Jahren noch immer bei ihrer Mutter in der amerikanischen Stadt der Engel residiert.

In der zweiten Singleauskopplung "Fergielicious" singt Fergie, dass sie nicht promiskuitiv (wie angeblich Nelly Furtado zurzeit) ist und auch nichts von One Night Stands hält. Das Wichtigste sei, dass man sich selber treu bleiben und sich dabei gut und sexy fühlen solle. J.J. Fads 1980er Song "Supersonic"- und Afro Ricans "Give It All You Got"-Sample kann man leicht heraushören.

In "Glamorous", einem weiteren Polow Da Don–Brett, das Ähnlicheiten zu Gwen Stefanies "Crash aufweist", hofiert Fergie dagegen jeglichen Luxusartikeln. Dem gemeinen Hörer werden die Vorzüge von einem Kurztrip in einem Privatjet vorgeführt. Diese Kollabo mit Ludacris ("Ich hab jetzt meine Zöpfchen abgeschnitten"), dessen neues Album auch bald in den Läden steht, weist ebenfalls Hitpotenzial auf. "Mary Jane Shoes" dagegen glänzt mit einem Reggae-Wiedergeburtssample zu "No Woman, No Cry" unter Beteiligung von Bob Marleys Witwe Rita Marley, die seinerzeit wohl reichlich Anlass zum Weinen hatte.

Der Reggae-Song "Clumsy" handelt von der Schwerfälligkeit bzw. der Ungeschicklichkeit in der Liebe, sprich: wenn man seine Boyfriends nicht lange halten kann. Offenbar hielten Fergies Beziehungen meist nur kurze Zeit. Little Richard Pennimans "The Girl Can't Help It"-Sample liefert dazu die richtige Portion Rock'n'Roll. Ein weiteres Popzitat birgt der Raptrack "Here I Come" mit dem Sample von W. Robinson Juniors "Get Ready".

Ganz sentimental wird es in "Velvet" sowie auf der finalen Ballade "Finally". Bei dieser Melodie kommen doch glatt schon vorweihnachtliche Gefühle auf. Doch neben dieser ganzen Gefühlsduselei schimmert auch die alte Fergie an der einen oder anderen Ecke durch: Zweideutige Aussagen bleiben uns nicht erspart. Die Textzeile "How come every time you come around, my london bridge want to go down like" in "London Bridge" ist offen für jegliche Hermeneutik.

Neben Will.I.Am, der in "Fergalicious" und "All That I Got (The Make Up Song)" gefeatured wird, produzierten Ron Fair, DJ Mormile und John Legend weitere Beats. Doch auch die BEP-Männer dürfen im Bonustrack "Get Your Hands Up" ans Mic. Dieser Song erinnert nicht nur lyrisch, sondern auch melodisch an Raptiles lyrische Ergüsse in "Handz up" vom 2004er "Classic Material"-Album.

"The Dutchess" lebt davon, uns Fergies softe Seite vorzuführen. Dazu gibt es ein musikalisches Potpourri aus Electro, R'n'B, Hip Hop, Jazz und Reggae garniert mit einer Portion explicit lyrics der Black Eyed Peas-Frontfrau. Auch wird eifrig wie im Hip Hop gang und gäbe gesampelt was das Zeugs hält. Der Platte tut das keinen Abbruch, im Gegenteil zieht sie ihre größten Stärken aus den exquisit ausgewählten Hammer-Samples wie Afro Ricans "Give It All You Got".

P.S.: Das mit der London Bridge üben wir noch mal!

P.P.S.: Die neue London Brigde befindet sich übrigens in Lake Havasu City in Arizona.

Trackliste

  1. 1. Fergalicious
  2. 2. Clumsy
  3. 3. All That I Got (The Make Up Song)
  4. 4. London Bridge
  5. 5. Pedestal
  6. 6. Voodoo Doll
  7. 7. Glamorous
  8. 8. Here I Come
  9. 9. Velvet
  10. 10. Big Girls Don't Cry (Personal)
  11. 11. Mary Jane Shoes
  12. 12. Losing My Ground
  13. 13. Finally
  14. 14. Get Your Hands Up

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