laut.de-Biographie
Girl Talk
1991 verklagt der irische Singer/Songwriter Gilbert O'Sullivan den US-Rapper Biz Markie und bugsierte damit das ganze Hip Hop-Genre jäh in eine neue Zeitrechnung. Biz Markie hatte einen von O'Sullivans Songs ohne dessen Zustimmung gesampelt, woraufhin der Sänger vor Gericht eine Entschädigung forderte. Dem Ersuchen wurde stattgegeben. Das bis dato hauptsächlich auf Samples basierende Genre musste sich grundlegend ändern. Die Clearance von Samples avancierte zum respektablen Nebenverdienst für Künstler, die ihren Zenit oft bereits überschritten hatten.
Trotz gerichtlicher Konsequenzen tauchten jedoch immer wieder Delinquenten auf, die sich um Copyrights genauso wenig scheren, wie um musikalische Konventionen. In der Post-Millennium Ära führt diese Tradition der in Pittsburgh geborene Greg Gillis in eindrücklicher Weise fort. Unter seinem Künstlernamen Girl Talk liefert der Produzent aberwitzige Mash-Ups, die in so hochfrequenter Taktzahl bestehende Musikstücke zitieren, dass jedem Anwalt die Hände zittern.
Als überzeugter Befürworter eines offenen Umgangs mit Musik zerstückelt Gillis mit Vorliebe Rap-Parts und Rock-Instrumentals und baut diese an seinem PC wieder zusammen - einem solchem Musikfrickler entsprechend ist Gillis natürlich studierter Biomedizin-Techniker. Weit entfernt vom Dasein eines Nerds avanciert er aber seit seinen ersten Live-Auftritten 2001 zum gefeierten Performer, der nicht nur die Bühne zum Zentrum der Tanzfläche macht, sondern sich dort auch bis auf die Unterwäsche strippend verausgabt.
Nicht nur hier. Auch on wax lehnt sich der Produzent weit aus dem Fenster. Während das Erstlingswerk "Secret Diary" noch einen verkopft elektroiden Anspruch verfolgt, öffnet sich Gillis mit seinen nachfolgenden Alben musikalisch dem Mainstream und trifft dadurch auch auf eine stetig wachsende Fan-Gemeinde.
Durch seine Genre-Grenzen ignorierende Herangehensweise kann er sich als Everybody's Darling feiern lassen und muss sich lediglich vor Party-erprobten Copyright-Anwälten in Acht nehmen. Ganz programmatisch veröffentlicht er seine Platten auf einem Label namens Illegal Art. Der Fluss des Lobes reißt nicht ab und Gillis erntet nicht nur überschwängliche Kritiken für seine nachfolgenden Alben, sondern fährt auch respektable Preise ein: 2007 verleiht ihm etwa das Wired Magazine seinen Rave Award. Außerdem kommen etliche Kollegen auf den Geschmack: Über die Jahre ordern Beck, Peter, Bjorn and John, Tokyo Police Club und Of Montreal Remixe beim Laptop-Frickler.
Die Aufträge häufen sich, woraufhin Gillis seinen Job als Ingenieur an den Nagel hängt und sich vollends "seiner" Musik widmet. Auf den Support der treuen Fans kann er immerhin soweit vertrauen, dass er sein viertes Album "Feed The Animals" in bester Radiohead-Manier veröffentlicht und die Abnehmer zahlen können, so viel sie wollen. Der Mittzwanziger scheint mit Glück gesegnet zu sein: Seine Shows sind ausverkauft, die Platten finden in respektablem Umfang Abnehmer und auch nach mehreren Jahren dreistester Copyright-Vergehen musste sich Gillis noch nicht vor Gericht behaupten.
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