laut.de-Kritik
Hip Hop, House und Funk ergeben den "Future Bounce".
Review von Thomas Haas"The Sound Of Tomorrow" lautet das Leitmotiv von GoldLinks neuem Label Soulection, seine eigene Musik betitelt der frischgebackene Freshman als "Future Bounce". Reichlich visionär also für einen 22-Jährigen, der gerade mal ein Release auf dem Kerbholz hat. Dabei gibt ihm seine Musik dennoch allen Anlass dazu: schon sein Debüt-Mixtape eröffnete Hip Hop eine gänzlich neue Facette. Schnelle, tanzbare Beats jenseits der dreistelligen BPM-Marke, House-Einflüsse und reichlich Sex-Appeal treffen auf einen unerhört virtuosen Vortrag.
GoldLink selbst fasst das folgendermaßen zusammen: "Rick James meets Justin Timberlake – N Sync days – with Backstreet Boys and a little D12 and Tupac." Doch ganz egal, wie groß die Namen auch sind, mit denen im Zusammenhang mit dem Virginia-Native jongliert wird (selbst Rick Rubin outete sich als Fan): unbeeindruckt von jeglichem Trubel droppt GoldLink mit "And After That, We Didn't Talk" eine Platte, die seine Alleinstellung mehr als nur unterstreicht.
Im Gegensatz zum noch ziemlich versexten Erstlingswerk macht "AATWDT" explizit eines richtig: es spinnt geschickt die Gefühle der Person hinter der Künstlerfassade mit allerlei Frauengeschichten zusammen. Ein junger, hoffnungsvoller Mann, der seinen Platz in der Welt durch die neue Lebenssituation noch nicht gefunden hat, insgeheim nach der großen Liebe sehnt, stattdessen aber von Bett zu Bett springt.
So geraten einige Songs wie "Zipporah" oder "Palm Trees" zu geschickt getarnten Balladen über verflossene Bekanntschaften, die stets vor Groove und Funk triefen und damit statt Schwermut das genau gegenteilige Gefühl erzeugen. Wenn GoldLink also in seinem unvergleichlichen Singsang-Nuschel-Rap zum Flirt ansetzt, hört sich das in einigen Momenten vielleicht cheesy an ("You know that I need you, girl/ Need you like they need these raps/ I'm a bad boy and yah mama say don't do it/ And you gon' do it"), entfaltet die gewünschte Wirkung aber allein durch die unfassbar stilsichere Instrumentierung, die größtenteils vom dynamischen Louie Lastic stammt.
Generell lebt die Platte mindestens zur Hälfte von ihren Beats. Zwischen Hip Hop, R'n'B, House, Funk und Soul verschwimmen die Grenzen so nahtlos, dass die Einordnung in jedwede Schublade kategorisch ausgeschlossen ist. Allein wie Lastic auf "Spectrum" House-Synthies unter ein Missy Elliot-Sample einarbeitet, trägt schon mehr Innovationsgeist, Detailverliebtheit und Tanzbarkeit in sich, als man von regulären Alben gewohnt ist.
Und dann wäre da natürlich noch "Dance On Me", Vorab-Single und Remix-Objekt der Stunde der sich immer weiter ausbreitenden Future Beats-Szene. Der am ehesten als Elektro-Funk zu kategorisierende Song ist an Dynamik und Leichtfüßigkeit wohl kaum zu überbieten. Ähnlich wie die beängstigend geschmackvolle Fremdgeh-Nummer "Late Night" mit dem immer guten Masego oder dem unbekümmerten Love-Song "Palm Trees" mit dem vor Funk übersprudelnden Anderson .Paak.
"And After That, We Didn't Talk" macht folglich so ziemlich all das richtig, was man auf einem Debüt-Album überhaupt richtig machen kann. Es folgt dem nas'schen Mantra der knackigen Spieldauer, erlaubt sich nicht den kleinsten Aussetzer und belebt obendrein Hip Hop ein Stück weit neu. Auf dem politisch motivierten "New Black" rappt GoldLink unter anderem: "Hip Hop will die, I promise that/ If we keep the lies in our raps, yeah". Na, so zumindest besteht kein Grund zur Sorge.
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