laut.de-Kritik

Persönliche Abrechnung mit 2020.

Review von

HeXer durchläuft eine spannende Entwicklung. Auf bislang drei EPs probierte er sich an ganz unterschiedlichen Stilen und Themen aus. Nach seinem politischen Debüt "Metropolis EP" positionierte er sich als versierter Rapper mit der "Reimketten EP", bevor die "Tiefenflug EP" wieder inhaltliche Akzente setzte.

Für seine "Selbsttherapie EP" verspricht er nun vorwiegend persönliche Einblicke: "Die Maske wird fallen und ich rede über Zukunft und Vergangenheit, den Übermut und Liebe. Rede über Schlussstrich, Rückschlag, Schmerz, mich und hoffentlich am Ende über Frieden."

Mit seiner "Selbsttherapie" rechnet HeXer in erster Linie mit dem letzten Jahr ab. 2019 hatte der junge Rapper noch mit Freundin, erster WG und Labelvertrag auf Wolke sieben geschwebt, doch "dann kam 2020, von all diesen Jahren das schlimmste bis jetzt. Ich bin am Boden zerstört und das kriegt ihr halt alle nicht mit über's Netz." Der Staus quo klingt dann gleichermaßen deprimierend: "Heute, da bin ich ein Schatten meiner selbst mit Vorwürfen, Zweifeln und Drogen in mir." Sein vom Chor geprägter Gesang bildet Farbtupfer auf dem angenehmen Klangteppich von Theskybeats.

Zur zwanglosen Gitarrenbegleitung sinniert er in "Maske". "Düsterer Vibe, keine hitzigen Reden, kein Battle-Rap oder politische Themen", verspricht er erneut, während der Ruf eines Greifvogels durch das seelische Ödland hallt. In sich versunken wirkt auch das Gitarrenspiel zu "Schlussstrich", das auch als reines Unplugged-Stück funktioniert hätte. Iggi Tarn verschiebt das Stück mit croeskem Gesang in Richtung Pop, während HeXer seine Arbeitsmoral nutzt, um sich von der Verflossenen abzulenken: "Ich weiß, was ich will. Habe keine Zeit mehr, zu chillen. Fahre meinen eigenen Film."

In "Vergangenheit Und Zukunft" schreitet er persönliche und musikalische Stationen seines Lebenswegs ab: "Und es ist 2013, Diggi, Shoutouts an Genetikk. Eure Mucke machte uns damals den Pausenhof erträglich." Vom saarländischen Duo borgt er sich dann auch den "Plastik"-Refrain aus "D.N.A.". Zwischen all den müden Disstracks, mit denen Bushido oder CashMo dieser Tage die Fans bespaßen, fällt eine klassische Ehrerbietung geradezu erfrischend aus. Den tendenziell optimistischen Grundton des Stücks kontrastiert HeXer mit dem alkoholgeschwängerten Trennungssong "Rückfall".

"Ich habe keine Zeit für euer scheiß Spiel", insistiert er in "Übermut", um es dann doch zu spielen. Mit Flow- und Stilwechseln vollführt "Triple-HeXer" eine Machtdemonstration, wie sie alternde Technik-Enthusiasten noch von Curse oder Eko Fresh kennen. Das mag zwar beeindrucken, doch Rap als Selbstzweck widerspricht dem selbst definierten Konzept. Noch rätselhafter erscheint es, wenn HeXer auf dem emotionalen Hoch eine erneut Richtungsänderung einschlägt: "Ich will Message im Satz, ich will Text mit Verstand." Dem Song fehlt es deutlich an innerer Logik.

"Sie wollen, dass diese EP voller Wut, voller Hass, voller Schmerz in mir endet. Tut mir leid, doch das bekommt ihr nicht." Abgesehen von der paranoiden Rapperkrankheit, überall böse Absichten zu wähnen, hellt sich die Stimmung am Ende auf, wenn der Leipziger seinen anfangs erhofften "Frieden" findet. "Ich hab' mich selbst reflektiert vor den Fans und vor dir. Hab' die Freude mit den Schmerzen vereint." Da die Wunden des vergangenen Jahres nun verheilt sind und vier EPs eine mehr als gewissenhafte Generalprobe darstellen, sollte sich HeXer nun an sein Debütalbum begeben.

Trackliste

  1. 1. Selbsttherapie
  2. 2. Maske
  3. 3. Schlussstrich (mit Iggi Tarn)
  4. 4. Vergangenheit Und Zukunft
  5. 5. Übermut
  6. 6. Rückfall
  7. 7. Frieden

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