laut.de-Kritik

... dann geh' doch!

Review von

Viele haben sich schon in den Ruhestand verabschiedet und krochen dann doch noch einmal zurück ins Rampenlicht. Meist, wenn das Geld auszugehen drohte. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass es im Fall Heino anders läuft. Wenn der singende Zuckerbäcker auch nur einigermaßen konservativ gewirtschaftet hat, sollte er auch längst ausreichend Schäfchen für den verbleibenden Lebensabend ins Trockene geschafft haben.

Die Kuh seines Erfolgs hat Heino (oder wer immer seine Geschäfte führt) ja wohl mit gleich mehreren (*hust*) "Rock-Alben" und einem Engagement als Juror bei "Deutschland Sucht Den Superstar" noch kräftig gemolken, ehe er nun mit einem hanseatischen "... Und Tschüss" abtreten will. Klar, dass vorher die Kasse trotzdem erneut ordentlich klingeln soll.

Eine andere Motivation als Auf-die-Schnelle-nochmal-abkassieren-Wollen kann hinter diesem Album jedenfalls nicht gestanden haben. Zumindest deutet nichts, gar nichts, darauf hin. Die Tracklist wirkt gleichermaßen lieb- wie sinnlos zusammengewürfelt: Einem Duett mit Wolle Petry folgen - in dieser Reihenfolge - ein zurecht, ein zu Unrecht mit dem NDW-Label etikettierter 80er-Hit, eine Naidoo-Schmonzette, ein Kraftwerk- und ein Tote Hosen-Hit und einer, den die Wessis unter uns vermutlich für einen von Peter Maffay halten.

Hernach gibts noch eine verstümmelte Handvoll Alleinunterhalter-Schlager aufs Trommelfell, wie sie nur die deutsche Volksseele auskotzen kann. Mittendrin: die Moritat von "Mackie Messer", für die Brecht sicher auch eine andere Nachbarschaft im Sinn hatte. Ja, mit einer solchen Mischung sollte man jede erdenkliche Zielgruppe abgefischt bekommen. Vorausgesetzt, es ist dem Publikum völlig gleichgültig, ob der Interpret einen Bezug zum dargebotenen Lied findet oder nicht.

Mehr als ein Titel verliert, in Heinos charakteristischem Duktus vorgetragen, vollkommen seinen Sinn. Das Parade-Negativbeispiel hierfür liefert "Da, Da, Da, Ich Lieb' Dich Nicht, Du Liebst Mich Nicht": Befreit von Trios Dadaismus ist das halt kein Stückchen Avantgarde mehr, sondern nur noch Nonsens.

"Dieser Weg" und "An Tagen Wie Diesen" funktionieren etwas besser, führen aber zugleich vor Ohren, wie viel Pathos-überfrachtete Kitschscheiße in diesen Nummern von vorneherein schon steckt. Karats "Über Sieben Brücken" wirkt ebenfalls irgendwie passend: Der alte Mann blickt zurück ... und stellt vermutlich selbst fest: Der helle Schein war vor-vorgestern.

Ein bisschen traurig, dass offenbar niemand gewagt oder für nötig befunden hat, Heino zu sagen, dass er seine besten Zeiten hinter sich hat. Zumindest hat ihn keiner davon abgehalten, an seiner eigenen Legende zu sägen. Dass er ein gut ausgebildeter Sänger mit einer irrsinnig wiedererkennbaren Stimme und Vortragsweise ist, sollte bekannt sein. Auf "... Und Tschüss" bleibt von alledem aber nur mehr die Stimmfarbe und das rrrollende Rrr.

An mehr als einer Stelle meint man, Heino habe eine heiße Kartoffel im Mund, die bloß noch vernuschelte S-Laute passieren lässt. In den höheren Tonlagen klingt es, als habe man den Gesang digital poliert und keinerlei Mühe darauf verschwendet, diesen Umstand auch nur notdürftig zu verschleiern. Heino macht durch die Bank einen kurzatmigen Eindruck. Sein gutes Recht, in seinem Alter. Aber muss man das so überdeutlich herauskehren?

Einzig zwischen dem klimpernden Klavier und den swingenden Revue-Bläsern von "Mackie Messer" scheint Heino wirklich am richtigen Platz zu stehen. Ich wünsche wirklich, man hätte ihm zum Abschied etwas Würde gelassen und ihm - zum Beispiel - eine schöne Bigband-Show auf die Bühne gestellt.

Statt dessen bekommt er in "Ich Atme" Panzerfaust-Lyrik von Rammstein-Kaliber in den Mund gelegt: "Ich saufe, verführe, diniere und krepiere, ich krieche, steh' Schmiere, ich komm' durch jede Türe", so droht er da, und ich glaube genau den Teil mit dem Krepieren und Kriechen.

Zum Ende kommts noch knüppeldick: Der Titeltrack, mit dem Heino - angeblich - sein Altershowhasedasein beschließen will, geht bestenfalls als Karnevalsschlager durch, sofern man angesoffen genug ist. "Musik, das ist mein Leben. Vergesst mich nicht, und tschüss." Na, so will doch wohl niemand in Erinnerung bleiben, dessen Leben tatsächlich die Musik ist?

Für einen unerwarteten Lichtblick sorgt noch schnell "Der Junge Mit Der Gitarre", ein unaufgeregter, gar nicht überdrehter, zur Abwechslung einmal nicht eins zu eins irgendwo übernommener oder billig husch-husch auf dem Reißbrett zusammengehudelter Song. Heinos Enkel Sebastian Kramm singt hier - inhaltlich komplett unpassend, zwar, aber was solls? - davon, Haltung nicht zur Ware zu degradieren. Ja, hätte ihm der Opa mal zugehört.

Vielleicht hätten sie dann auch mit vereinten Kräften dafür sorgen können, dass nicht auch noch die Oma durch den Hühnerstall gescheucht wird wie weiland schon durch die Kulissen von "DSDS". Hannelore wirkte dort damals so entwürdigend deplatziert wie jetzt wieder beim Versuch, "Für Dich Soll's Rote Rosen Regnen" zu ... äh ... "singen". Das Gefühl, das mich angesichts dieser Peinlichkeit im Würgegriff hält, kenn' ich ebenfalls aus "DSDS": Es heißt Mitleid. Offensichtlich schützt diese armen Menschen niemand. Nicht vor Ausbeutung, und schon gar nicht vor sich selbst.

Trackliste

  1. 1. Ich Atme mit Wolfgang Petry
  2. 2. Da, Da, Da, Ich Lieb' Dich Nicht, Du Liebst Mich Nicht
  3. 3. Sternenhimmel
  4. 4. Dieser Weg
  5. 5. Das Model
  6. 6. An Tagen Wie Diesen
  7. 7. Über Sieben Brücken Musst Du Geh'n
  8. 8. Bilder Im Kopf (Angie)
  9. 9. Wenn Das Glück Vom Himmel Fällt
  10. 10. Mackie Messer
  11. 11. La Paloma
  12. 12. Und Tschüss
  13. 13. Der Junge Mit Der Gitarre (gesungen von Sebastian Kramm)
  14. 14. Für Dich Soll's Rote Rosen Regnen (gesungen von Hannelore)

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