laut.de-Kritik
Das Nähkästchen ist bis zum Anschlag geöffnet.
Review von Alexander CordasDie Maiden Fangemeinde kann sich über mangelnden Output aus dem Hause der Eisernen Jungfrauen wahrlich nicht beschweren. Live-Alben, Videos, Compilations etcetera pp gesellen sich zu den regulären Studioaufnahmen. Die Investitionsmöglichkeiten in Devotionalien sind sowieso unendlich, einen Eddie-Bademantel kann man ja immer mal gebrauchen.
Jetzt gesellt sich zur reichhaltigen Sammlung noch der erste Teil der Iron Maiden-Geschichte auf DVD. "The Early Years Part 1" zeichnet die Geschichte einer der erfolgreichsten Metal-Bands aller Zeiten in einer Deutlichkeit nach, die das Fanherz bis zum Gaumen hoch hüpfen lässt. Genügt bei den meisten Bands eine einzige DVD, um sämtliche Aspekte der Historie zu beschreiben, benötigen die Mannen um Steve Harris alleine für die ersten Jahre bis 1983 zwei Discs.
Materialverschwendung sieht anders aus. Die Archive scheinen bis auf den letzten Zipfel Filmmaterial ausgemistet; auf über fünf Stunden breitet sich der Werdegang der Band vor dem Zuschauer aus. Live-Auftritte, TV-Specials, Promo-Videos, Foto- und Artwork-Galerien und nicht zuletzt die unterhaltsamen wie lustigen Interviews aller Beteiligten, die zumindest einmal einen Maiden-Bühnenmonitor durch die Gegend tragen durften, tragen zum kurzweiligen Spektakel rund um die Engländer bei.
Das zentrale Stück ist hierbei die titelgebende Dokumentation, in der alle (Ex-)Bandmitglieder zu Wort kommen. Unter diesen befinden sich auch einige, die wohl nur Maiden-Fans der Anfangstage noch auf der Rechnung bzw. im Kopf haben. Paul Di'Anno, der mittlerweile zu einem stattlichen Redneck-Muskelberg mutierte, gibt freimütig zu Protokoll, dass er den Abschied zu keinem Zeitpunkt bereut; wollen wir ihm einmal Glauben schenken. Den Jungfrauen traute er indes mit Neusänger Bruce Dickinson keinen großen Wurf zu. Nach den ersten Hörproben von "Number Of The Beast" musste er jedoch seine Ansicht zur Gänze korrigieren. Das Nähkästchen ist bis zum Anschlag geöffnet und macht auch vor unfreiwillig komischen Aufnahmen nicht halt.
Das TV-Special "20th Century Box" etwa beleuchtet - unter spezieller Berücksichtigung Maidens - den Aufstieg des britischen Metals Anfang der Achtziger, als unter dem Banner der "New Wave Of British Heavy Metal" zig Combos aus dem Untergrund ans Tageslicht stiegen, die nichts mit der Punk-Explosion der ausgehenden Siebziger zu tun hatten. Hier lohnt die Zuschaltung der Untertitel allemal, denn Oi'än Mai'äns Fans verlegen sich derbstens auf unverständliches, akzent-verwaschenes Englisch. Die Kamera schwenkt dabei auf Rauschebart tragende Jung-Metaller, die ihre selbst fabrizierten Sperrholz-Klampfen mattenschwingend vorführen und über den Ausverkauf und Kommerzialisierung der noch jungen Szene schwadronieren. Die Geschichte wiederholt sich eben, wirft man einen Blick in die heutige Musikszene, wo doch viele allerorten den bösen Mammon hinter jeder Ecke vermuten.
Der Blick auf die Liste der Gigs aus dem Extra-Teil charakterisiert die Arbeitsmoral der Jungfrauen ziemlich exakt. Ohne große Unterbrechung beackerten sie im steten Album-Tour-Rhythmus die Bühnen dieser Welt und stellen ihr Privatleben ganz in den Dienst der großen Sache. Binnen dreier Jahre gelingt ihnen dabei der Aufstieg aus den verrauchten Niederungen der Londoner Clubs zum Stadion-Act. Sowohl das eine als auch das andere Ende dieser Story finden auf "Early Days" Berücksichtigung. Nicht alle Aufnahmen erscheinen zum ersten Mal ("Live At The Rainbow"), aber für viele wird auch dies absolutes Neuland sein. Beim verwackelten, mit nettem B-Movie Charme ausgestatteten "Live At The Ruskin" weht der große Geist der Musikgeschichte durch den Raum, wenn Iron Maiden auf einer Winzbühne stehen, auf der sie heutzutage wahrscheinlich nicht einmal mehr zum Proben spielen würden.
Der einzig wirklich greifbare Kritikpunkt bezieht sich zum einen auf den Sound, der durchgehend im Stereo-Format daher kommt, und zum anderen auf die weggelassenen Songs des Dortmund-Konzertes. Hier fehlen leider die Live-Raritäten "Still Life" und "To Tame A Land". Rückt der Blick jedoch aufs Komplettpaket, bleiben dies die einzigen Möglichkeiten, etwas Meckerei zu betreiben. Somit stellen wir uns den ersten Teil der Maiden-Historie mit feuchten Augen ins Regal und warten sehnsüchtig auf die Fortsetzung. Gerüchten zufolge mit Live-Material des "Live After Death"-Konzertes in Long Beach sowie Songs aus der "Somewhere In Time"-Tour. Lechz ...
Noch keine Kommentare