25. Mai 2018

"Mein Lieblingsgeräusch ist Stille"

Interview geführt von

James Bay über die Arbeit an seiner neuen Platte, die Trennung von privatem und geschäftlichem Musikhören und seine Anfänge als Straßenmusiker.

Mehr als drei Jahre ist es schon her, dass James Bay mit "Hold Back The River" die Charts stürmte. Die Welt lernte ihn als stets melancholischen Singer-Songwriter mit langen Haaren, Hut und Dackelblick kennen. Jetzt veröffentlicht der Brite sein neues Album "Electric Light", für das er den Hut und die Akustik Gitarre gegen ein Spektrum moderner Pop-Sounds eingetauscht hat.

Erstmal Glückwunsch zu deinem neuen Album "Electric Light". Wie war es für dich, an dieser Platte zu arbeiten? Hat es sich sehr von der Arbeit an deinem Debut "Chaos And The Calm" unterschieden?

Ja, es war aus vielen Gründen anders als die Arbeit an meiner ersten Platte. Bei "Chaos And The Calm" habe ich alle Songs geschrieben und sie existierten eigentlich nur auf einer akustischen Gitarre. Dann bin ich ins Studio gegangen und habe die Songs mit einem Drummer, einem Bassisten und dem Produzenten Jacquire King ganz neu zusammengestellt. Die Songs für dieses Album habe ich dagegen alle mit Jon Green, einem Freund von mir geschrieben. Wir dachten, wir machen Demos oder Song-Ideen. Die haben dann aber sehr gut geklungen und wir mochten den Sound wirklich sehr gerne. Dadurch sind wir zu einer ganz anderen Art gekommen, Alben zu machen. Es gab quasi keine Demos mehr. Demos können fertige Alben sein und das ist uns mit "Electric Light" fast passiert. Paul Epworth, ein sehr talentierter Produzent und Songwriter hat ein paar dieser Demos gehört und mich angerufen, weil er mir sagen wollte: "Die sind super! Ich denke, diese Platte könnte morgen rauskommen und wäre großartig." Er wusste aber, dass das gar nicht der Plan war und hat mich dann gefragt, ob wir uns treffen wollen, damit er mir seine Ideen vorstellt. Natürlich habe ich ja gesagt und Jon und ich haben die Platte mit ihm zusammen fertig gestellt. Es war also in der Hinsicht ein ganz anderer Prozess. Alles war irgendwie von Anfang an schon fertig und wir haben es nur noch verfeinert. Deswegen gab es auch kaum Zeitdruck, was echt cool war.

Du hattest also von Anfang an viele Ideen für deine Demos. Als du die Arbeit an "Electric Light" begonnen hast, hattest du da auch schon ein Konzept oder eine Richtung für das Album im Kopf?

Ich wusste einfach, dass es sich nicht so anhören soll wie "Chaos And The Calm". Mir war klar, dass es sich immer ein bisschen nach meiner alten Musik anhören würde, weil es ja immer noch ich bin und damit habe ich kein Problem. Man soll ja hören, dass die Platte von mir kommt. Ich wollte auch meine Fans nicht abschrecken, sondern etwas erschaffen, das sie wiedererkennen können aber mit dem sie sich auch weiterentwickeln können. Ich glaube, das ist ein natürlicher Werdegang für jeden Künstler, dass man sich weiterentwickeln will. Ansonsten habe ich andere Musik gehört, das hat dieses Album beeinflusst. Ich habe Musik mit viel mehr Synthesizern und elektronischen Drums gehört. Ich schätze einfach lautere, Rock'n'Roll-artige Drums und Gitarren. Also war die Musik, die mich beeinflusst hat weniger zart und stattdessen aggressiver und high-energy. Das waren eigentlich die einzigen Vorstellungen, die ich hatte. Und dann habe ich einfach versucht, die bestmöglichen Songs zu schreiben.

Dann hat sich dein eigener Musikgeschmack sehr verändert?

Mein Musikgeschmack war immer sehr breit gefächert. Alle Platten, die "Chaos And The Calm" inspiriert haben, liebe ich nach wie vor. Ich habe mich nur für eine Weile von ihnen wegbewegt. Und fast alle Platten, die in "Electric Light" eingeflossen sind, habe ich schon geliebt, als ich "Chaos And The Calm" gemacht habe. Sie haben einfach nicht zu diesem Album gepasst. Ein bisschen hat sich mein Musikgeschmack schon entwickelt und verändert. Ich denke ich mag bei Songs immer noch die selben Eigenschaften und habe einfach andere Musik gefunden, die diese Qualitäten mit sich bringt.

"Stille ist eins meiner Lieblingsgeräusche"

Hörst du privat überhaupt noch viel Musik oder kannst du sie manchmal, nachdem du beruflich konstant mit Musik zu tun hast, einfach nicht mehr hören?

Ich liebe auf jeden Fall Stille! (lacht) Das ist eins meiner Lieblingsgeräusche. Und weißt du, ich werde oft gefragt: "Hast du jedes Mal, bevor du auf die Bühne gehst ein verrücktes Ritual?" oder "Wenn du von der Bühne kommst, gehst du dann feiern?" Während der Show stecke ich viele Energie darein, laut zu sein und high-energy. Rund um die Konzerte mag ich es deswegen wirklich sehr ruhig. Aber sonst verbringe ich viel Zeit damit, Musik zu hören. Das macht mir Spaß, von manchen Alben bin ich so ein großer Fan, dass sie bei mir in Dauerschleife laufen. Auf der anderen Seite merke ich auch, dass ich viel Musik zur Recherche höre. Es ist komisch, das so zu beschreiben. Mir fällt gerade erst auf, wie oft ich beim Hören die Songs unterbewusst analysiere. Ich denke dann darüber nach, warum die Künstler die Musik so gemacht haben, warum manche Lyrics und Melodien funktionieren und andere nicht.

Dein neues Album hört sich an vielen Stellen viel fröhlicher an als dein Letztes. Liegt das daran, dass du als Person oder deine Einstellung in letzter Zeit optimistischer geworden ist?

Ja auf jeden Fall, das würde ich so unterschreiben. Aber um das noch auszuführen: Ich hatte schon immer diese Seite. Langsame, traurige und persönliche Musik hat mich schon immer bewegt, aber ich stehe auch schon seit ich klein war auf schnellere, energiegeladene Musik. Als Kind habe ich die Rolling Stones, Bruce Springsteen und Michael Jackson geliebt. Ich mochte jede Menge Popmusik, was auch immer zu der Zeit im Radio lief. An die Black Eyed Peas erinnere ich mich noch, die kamen raus, als ich klein war. Und Justin Timberlake und Pinks Musik. Damals war high-energy Pop das Größte für mich. Als ich älter wurde, hat sich mein Geschmack eben erweitert. Die Musik auf dieser Platte ist aber auch eine Reaktion auf das live Spielen. Ich habe Songs geschrieben, die ich mit viel Power performen kann, weil mir das Spaß macht.

"Störe ich damit die Öffentlichkeit?"

Apropos Live-Performance: Du hast deine Musikkarriere mit Auftritten als Straßenkünstler gestartet. War das für dich eine Überwindung oder lag es dir schon immer, vor Leuten aufzutreten?

Ich hatte nie Angst vor Auftritten. Aber lustig, dass du das Straßenmusiker-Ding erwähnst, das ist schon eine komische Situation. Ich bin immer von Zuhause in die Stadt gelaufen mit meiner Gitarre auf der Schulter. Ich lief also so die Straße entlang und habe nach einer guten Stelle gesucht. Und wenn ich eine gefunden hatte, war es so ein komisches Gefühl, weil ich wusste: Du holst jetzt deine Gitarre raus und fängst an mitten auf der Straße vor all diesen Menschen zu spielen. In dem Moment habe ich schon mit mir gerungen, weil ich mich gefragt habe, störe ich damit die Öffentlichkeit? Vielleicht will das ja gar niemand hören. Letztendlich drängt man sich ein bisschen auf und das ist ein komisches Gefühl. Aber man muss es versuchen. Vielleicht mögen die anderen es ja und in meinem Fall scheint es genug Leuten gefallen zu haben, und ich habe viele positive Reaktionen bekommen. Aber ansonsten hatte ich nie Angst vor Auftritten. Weil, in jedem anderen Fall, wenn du auf eine Bühne gehst, hat dich wahrscheinlich jemand gebucht damit du kommst und performst. Deswegen ist es absolut ok und erwartet. Diese traditionellere Art von Auftritten habe ich schon immer sehr genossen. Straßenmusik ist eine ganz andere Herausforderung, es erfordert eine andere Art von Mut. Aber ich hatte viel Spaß dabei.

Inzwischen spielst du auf den größten Bühnen, das ist also ein großer Kontrast. Wenn du weißt, dass Tausende Leute da sein werden, die Tickets gekauft haben, um dich zu sehen, ist das ein großer Druck für dich?

Davon habe ich eigentlich immer geträumt, das ist der Traum. Ich weiß, dass viele Leute überfordert oder entmutigt sind, wenn ihre Träume in Erfüllung gehen. Aber ich habe wirklich, wirklich gehofft, dass all diese Dinge passieren würden und jetzt hoffe ich, dass sie öfter passieren und im größeren Stil. Mit mehr Leuten, mehr Tickets und viel länger. Ich genieße das in vollen Zügen. Natürlich werde ich ein bisschen nervös. Ich glaube, es wäre auch komisch wenn nicht und bin eigentlich ganz froh darüber. Das ist denke ich ein wichtiger Teil vom Ganzen, aber ich gebe der Aufregung nicht zu viel Macht über mich. Es ist wirklich schön das sagen zu können, ich liebe einfach was ich tue. Ich liebe es über alles.

Das hört sich super an. Du gehst ja auch bald mit "Electric Light" auf Tour, freust du dich schon darauf die neuen Songs zu spielen, vielleicht auf einen Song im Speziellen?

Bis jetzt habe ich eine kleine Tour durch die USA gemacht und eine Show in London. Da habe ich schon ein paar neue Songs gespielt, die die Leute bereits kannten: "Wild Love" und "Pink Lemonade" und das hat total Spaß gemacht. Dann kam noch "Us" raus, das habe ich dann auch performt und es war total cool zu sehen, wie die Leute reagieren. Da konnte ich also schon mal reinschnuppern wie das wird, wenn ich die neue Musik veröffentliche, sie bei einem Konzert spiele und die Fans das feiern. Von daher kann ich es jetzt gar nicht mehr abwarten, mehr davon zu bekommen. Ich will einfach, dass das Album rauskommt und dass alle die Songs kennen lernen, damit sie sie auf Konzerten mitfeiern können. Und ich bin gespannt darauf, wie die Reaktionen sein werden. Die Verbindung, die ich mit meinem Fans beim ersten Mal geschaffen habe, ich hoffe, ich bekomme das beim zweiten Mal wieder hin. Darauf freue ich mich am meisten.

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