laut.de-Kritik
Die unvermeidliche Flöte versetzt uns zurück in die siebziger Jahre
Review von Joachim Gauger"J-Tull Dot Com" (j-tull.com) ist nicht nur der Titel des ersten Jethro Tull Studioalbums seit sieben Jahren, sondern zugleich die neue Webadresse der Engländer. Im Titelstück geht's um neue Kommunikationsformen, aber auch "El Ninjo" und "Planet Warming" haben ihren Auftritt: Ganz modern und zeitgemäß gibt sich das neue Tull-Album zumindest in seinen Texten.
Die schreibt bei Jethro Tull seit jeher Mastermind Ian Anderson. Genau wie die Musik - die aber wird keinen der alten Fans vor den Kopf stoßen. Anderson hat sich für eine bestimmte Form entschieden und diese über Jahrzehnte unverändert beibehalten. In die Form gießt er seine Songs: Immer schön brav mit Strophe und Refrain und ohne rhythmische Experimente.
Indessen kommt auch beim 20. Jethro Tull-Album kaum Langweile auf. Zu groß ist der melodische Einfallsreichtum des kleinen Mittelalterfans Anderson, zu perfekt setzt die in langen Jahren eingespielte Band die sorgfältigen Arrangements um. Bei der Mehrzahl der Songs auf "J-Tull Dot Com" zeigt sich wieder einmal, daß Kunst von Können kommt: Ian Anderson ist ein Meister der klassischen Kompositionstechniken und der Harmonielehre und weiß deshalb, wie man eine kleine feine Melodie sorgsam durch die verschiedenen Tonarten geleitet. Stücke wie "Wicked Windows" revolutionieren so zwar nicht gerade die Hörgewohnheiten, aber sie gehen bald nicht mehr aus dem Ohr und werden ohne Zweifel gut ankommen bei den Fans.
Für alle anderen wird "J-Tull Dot Com" ein x-beliebiges Tull-Album sein, nicht besser und nicht schlechter als seine Vorgänger. Selbst wenn die leicht trashige Endzeitvision "El Ninjo" zunächst zaghafte Modernisierungstendenzen andeutet, setzt doch gleich wieder die unvermeidliche Flöte ein und versetzt uns zurück in die 70er. Und da waren wir schließlich schon lange genug.
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