Porträt

laut.de-Biographie

Jimmy Somerville

Es ist wohl für jeden Pop-Musiker der Traumstart schlechthin: die erste Single herausbringen, sich zurücklehnen und dann zusehen, wie sie in die Top 3 der britischen Charts einsteigt. Aus dem Mutterland des Pop stammt der kleine, im Jahr 1962 geborene Schotte Jimmy Somerville zwar nicht direkt, dennoch gelingt ihm und seiner ersten Band Bronski Beat 1984 dieses Kunststück mit dem Song "Smalltown Boy".

Jimmy Somerville - Homage
Jimmy Somerville Homage
Disco-Inferno unter der Spiegelkugel.
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Das Thema Homosexualität zu tabuisieren - wie zu jener Zeit im Showbusiness üblich - kommt für das Trio von Beginn an nicht in Frage, was im konservativen Königreich natürlich für reichlich Schlagzeilen sorgt, lange bevor Frankie Goes To Hollywood, Erasure oder die Pet Shop Boys als Gay Bands entlarvt werden.

Am Erfolg von Bronski Beat können jedoch auch Schmähartikel nichts ändern, und spätestens mit der Coverversion "I Feel Love", in Kooperation mit Marc Almond und im Original von der Schwulen-Ikone Donna Summer, festigen die Jungs aus Glasgow ihren Status als schillernde Synthie Pop-Darlings. Zwei Jahre hält es Somerville bei Bronski Beat, dann gründet er nach kurzer Auszeit mit dem alten Freund und Ex-Kirchenorganist Richard Coles die Band The Communards. Zu den größten Single-Hits des Duos zählen "Never Can Say Goodbye", die Motown-Hymne "Don't Leave Me This Way" und die ergreifende Ballade "For A Friend", die einem an Aids gestorbenen Freund Somervilles gewidmet ist. Politisch engagieren sich beide in Billy Braggs linker "Red Wedge"-Bewegung, in der zahlreiche UK-Bands ab Mitte der 80er Jahre versuchen, die Öffentlichkeit von den immer schlechteren sozialen Zuständen im Großbritannien der konservativen Premierministerin Margaret Thatcher zu informieren.

Einen politischen Umschwung erhoffen sich neben Somerville unter anderen auch Paul Weller, Madness, The Housemartins und Lloyd Cole, was jedoch am erneuten Tory-Sieg 1987 nichts ändert. Nach den beiden Alben "Communards" (1986) und "Red" (1987) entscheidet Keyboarder Cole Ende 1988, sich als religiöser Kommentator einen Namen zu machen. Der Weg für Somervilles Solokarriere ist damit frei.

Jimmys Debütalbum "Read My Lips" kann 1989 gerade noch punkten, bevor sich der allseits helle Charts-Horizont allmählich vor ihm verdüstert. Somervilles stures Festhalten am vorausschaubaren Elektrobeat mitsamt der ihm eigenen, unnachahmlichen Stimmakrobatik lässt ihn im beginnenden Technofieber bald wie ein Paradiesvogel erscheinen, der nur noch für die Gay Disco interessant ist. Noch feiert er aber Erfolge mit "Comment Te Dire Adieu" (Francoise Hardy) und "You Make Me Feel (Mighty Real)", die sich gerade bei Besuchern von Nachttempeln auf Ibiza und in mediterranen Gebieten weiter großer Beliebtheit erfreuen.

1990 leitet Jimmy das neue Jahrzehnt mit der Compilation "The Singles Collection" ein. Ein neues Studioalbum erscheint jedoch erst 1995. Ähnlich wie zu Zeiten des Bronski Beat-Splits wählt Somerville bewusst die Auszeit, um sich abseits des Rampenlichts auf sein normales Leben und zahlreiche Aktivitäten wie Projekte zur Aids-Aufklärung zu konzentrieren. Mit "Normal Films" gründet er außerdem eine eigene Schwulenfilm-Firma.

Musikalisch tritt er mit dem Album "Dare To Love" 1995 in alter Manier in Erscheinung, mittlerweile nennt Somerville seinen Sound selbst "Gay Pop". Die Single "Heartbeat" lässt er von Armand van Helden remixen. "Hurts So Good" knüpft sogar fast an alte Erfolge an und klettert in England bis auf Rang 15. Im Folgejahr tritt er u.a. in Kasachstan, Russland und im Libanon auf, bevor er im Sommer zu einigen Open Airs nach Mitteleuropa anreist und auch ein Unite Against Racism-Festival beehrt.

Mit den Labels bekommt der kleine Schotte dagegen mit den Jahren immer größere Probleme. Seine folgenden Platten erscheinen praktisch in jedem Land auf einem anderen, in der Regel kleinen Label. Die Single "Dark Sky" und das Album "Safe" im Gepäck, kann man Somerville hierzulande im Sommer 1997 auf dem Kölner Christopher Street Day zujubeln, den er trotz eines gebrochenen Arms über die Bühne bringt. Er erlitt kurz zuvor in London einen Motorradunfall. Eine der nachhaltigsten Live-Erfahrungen macht er eigenen Angaben zufolge 1998 in Sydney, wo er auf dem berühmten Mardi Gras-Festival als Überraschungsgast mit nichts als einer Freedom-Flagge bekleidet vors Publikum tritt, um eine Acapella-Version von "Smalltown Boy" und den Song "Never Can Say Goodbye" vorzutragen.

Erst Ende 1999/2000 hört man wieder von ihm, als er erstmals seit dem Mauerfall in Ostdeutschland (Halle, Dresden, Leipzig) auftritt. Das Album "Manage The Damage" erhält dagegen kein bevorzugtes Medienecho. Erst das nach und nach einsetzende 80s Revival spült den kleinen Jimmy wieder ganz nach oben, und so unterzieht er zunächst seinen alten Feger "Why" einer Frischzellenkur, bevor 2001 die Hitsammlung "The Very Best Of Jimmy Somerville, Bronski Beat and The Communards" erscheint. Wie schon die Pet Shop Boys in ihrem U2-Cover von "Where The Streets Have No Name", versucht sich auch Somerville am Klassiker "Can't Take My Eyes Off Of You", das zudem als Single erscheint.

Derweil hat er keinerlei Probleme damit, auf den seltsamsten Retro-Veranstaltungen aufzutreten. So trifft man ihn 2002 in der Berliner Wuhlheide an, wo 17.000 Menschen Eintrittsgeld für ein so genanntes "80s Revival" in Gestalt von Fancy, den Weather Girls, Alphaville und Bananarama hinlatzen. Berührungsängste scheint der Schotte scheinbar nicht zu haben, 2004 spielt er sogar auf einer Biker-Veranstaltung in Sachsen (neben der kleinen Taschenlampe Markus, den Preluders und De Randfichten!). Neue Popularität holt er sich Mitte des Jahres auch als Support-Act von Rosenstolz ein. Deren Mitglied Peter Plate sowie Rolf Elmer von Jam & Spoon greifen ihm außerdem im Studio bei den Aufnahmen zum nächsten Album unter die Arme.

Der Veröffentlichungstermin verschiebt sich jedoch immer wieder nach hinten, so dass "Home Again" letztlich erst im Februar 2005 in die Läden kommt. Wie seit jeher zeigt sich Somerville darauf von seiner poppigsten Seite und spannt den Bogen zu seiner Vergangenheit zudem mit einer Depeche Mode-Coverversion ("But Not Tonight"). Als Single erscheint die Single "Ain't No Mountain High Enough", im Original von Marvin Gaye.

In der Folge wird es, kaum zu glauben, noch stiller um Somerville. Der Nachfolger "Suddenly Last Summer", der ausschließlich Cover-Versionen enthält, erscheint zunächst nur digital. Später folgt eine gerade einmal auf 3.000 Kopien limitierte CD-Edition. Die größte Aufmerksamkeit erhält Jimmy mit einem Video, in dem er mit einem befreundeten Straßenmusikanten seinen alten Hit "Smalltown Boy" singt.

Es dauert ganze sechs Jahre, bis sich der gerade einmal 1,58 m große Sänger mit dem Album "Homage" zurück meldet. Seit langer Zeit verzichtet er erstmals auf Tracks anderer Interpreten und widmet das Album ganz dem Disco-Sound der späten Siebziger. "Ich kann mein Glück kaum fassen", gesteht Jimmy Somerville am Rande des Reeperbahn Festivals in Hamburg. "Ich bin endlich eine Disco Diva - mit 53!"

Alben

Jimmy Somerville - Homage: Album-Cover
  • Leserwertung: 3 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2015 Homage

Kritik von Sven Kabelitz

Disco-Inferno unter der Spiegelkugel. (0 Kommentare)

Jimmy Somerville - Home Again: Album-Cover
  • Leserwertung: Punkt
  • Redaktionswertung: 2 Punkte

2005 Home Again

Kritik von Michael Schuh

Was ist von einem Mann zu erwarten, der mit Rosenstolz auf Tour geht? (0 Kommentare)

Surftipps

  • Jimmy Somerville

    Optisch karg, inhaltlich dick.

    http://www.jimmysomerville.co.uk
  • Jimmy Somerville

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