laut.de-Kritik

Wie aus der Plattenkiste eines Soul-Fans.

Review von

Den sozialpolitischen Anspruch der besten Hip Hop-Band der Welt, The Roots, konnte man auf ihrem jüngsten Album "How I Got Over" zwischen musisch geschmeidiger Indierock-Liebäugelei und ?uestloves stetig scheppernden Drums glatt überhören. Dabei geht der Titel "How I Got Over" auf einen Song der berühmten Gospel-Sängerin Clara Ward zurück, die den Text nach einem rassistischen Übergriff in den Südstaaten schrieb. In Folge bedienten sich auch Mahalia Jackson und Aretha Franklin am Original.

The Roots bleiben demnach weiterhin Vorreiter einer bewusst politischen Auslegung des Hip Hop-Genres. Das zeigt ihre jetzige Kollaboration mit Soul-Barde John Legend überdeutlich. Die Mission war es, getragen auf der Welle des Wandels während des Wahlsieges Barack Obamas, den Positivismus des aktiven Miteinanders zu unterstützen und weiter nach vorne zu bringen.

The Roots und John Legend praktizieren diesen musikalischen Erwachungswunsch mit Hilfe von elf Neuauflagen alter Soul-Klassiker aus den Sechziger- und Siebzigerjahren. Die Namen der gecoverten Künstler lesen sich dabei, wie der Inhalt der Lieblingsplattenkiste eines geneigten Soul-Fans: Mike James Kirkland, Marvin Gaye, Bill Withers, Harold Melvin And The Bluenotes, Nina Simone – "Wake Up!" speist sich aus einem breiten historischen Fundus schwarzer Musikgeschichte.

Bereits der Opener gibt die Richtung des Kollaborationsprojektes vor: Baby Hueys "Hard Times" – einst geschrieben von Marvin Gaye – steht exemplarisch für den Mix aus politischem Statement und purer Unterhaltung. Zudem vereinigen sich in dem Klassiker alte Soul-Traditionen mit neuer Hip Hop-Ästhetik – der Track wurde duzende Male von diversen Hip Hop-Produzenten gesampled.

"Wake Up!" vereint in einer Mischung aus Alt und Neu spielerisch mehrere Generationen amerikanischer Musikgeschichte. Leon Moores "Our Generation" – gespielt in swingendem Daptone-Stil – bekommt von CL Smooth einen dezenten Hip Hop-Stempel aufgedrückt. Black Thoughts großartige Raps veredeln das dezent und unaufdringlich interpretierte "Little Ghetto Boy" von Donny Hathaway.

Ohne Frage, der Star des Albums sind The Roots. Ihre Neuinterpretationen der alten Songs strotzen von künstlerischer Eigenständigkeit. Es sind die kleinen Ecken und Kanten, die das Gesamtbild abrunden. Hier ein neuer Break, dort mehr Fokus auf den Drums – ?uestloves Truppe harmoniert in Late Night-TV-erprobter Besetzung perfekt.

Wer könnte außer den Roots im Jahr 2010 eine zwölfminütige Version von Bill Withers "I Can’t Write Left Handed" auf ein Album packen – einer in Mark und Bein gehenden Anti-Kriegshymne? Auch das Cover von Eugene McDaniels' "Compared To What" liefert ein weiteres Highlight: John Legend hält sich vornehm im Hintergrund, die Roots jammen sich die Seele aus dem Leib und mixen aus der Hüfte geschossene Gitarren-Licks mit herrlich quäkenden Sax-Soli und einer Bassline für die Ewigkeit.

Doch auch der andere Protagonist John Legend tut seiner Karriere mit "Wake Up!" einen Gefallen: All den Soul, den die musikindustrielle Maschinerie in den letzten Jahren seines Werdegangs von seinen Stimmbändern spülte, findet er hier wieder. Es ist der John Legend, den man seit "Get Lifted" vermisste. Keine aalglatten Pop-Hymnen, sondern lebendig intonierte Songs! Das allein macht "Wake Up!" zu einem musikalischen Statement.

Auch wenn John Legend nach wie vor kein Künstler ist, der durch seine stimmliche Einzigartigkeit jedem Song sofort eine eigene Identität liefert. Im Zusammenspiel mit The Roots und den Vorgaben der alten Meister beweist sich Legend als einer der Soul-Stars seiner Generation.

Trackliste

  1. 1. Hard Times feat. Black Thought
  2. 2. Compared To What
  3. 3. Wake Up Everybody feat. Common & Melanie Fiona
  4. 4. Our Generation (The Hope Of the World) feat. CL Smooth
  5. 5. Little Ghetto Boy (Prelude) feat. Malik Yusef
  6. 6. Little Ghetto Boy feat. Black Thought
  7. 7. Hang On In There
  8. 8. Humanity (Love The Way It Should Be)
  9. 9. Wholy Holy
  10. 10. I Can't Write Left Handed
  11. 11. I Wish I Knew How It Would Feel To Be Free
  12. 12. Shine

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11 Kommentare

  • Vor 14 Jahren

    ja von curtis geschrieben, von baby huey gesungen.
    album ist langweilig.

  • Vor 13 Jahren

    Muss leider gestehen, dass ich das album auch nicht so wahnsinn finde. Habs als Vinyl bekommen, was hierzulande mal eben 28 ocken kosten kann. Auch wenn die Aufmachung schick ist und man 2 180g Pressungen bekommt + 3 Miniposter..das Album an sich kickt mich nicht so wie ich es erwartet habe. The Roots treten meisst kaum so in Vordergrund wie erwünscht und die Produktion ist mir manchmal einfach zu jam-mäßig und zu schlampig..vor allem bei WholyHoly (klar, vorlage von marvin schon cool) will sich beim Hören keine Zufriedenheit einstellen, seele kanns auch haben, wenns sauber und klar vorgetragen wird (siehe alles von daptone records) und nicht ständig unschöne Töne bei rauskommen. Das Album ist schon allright, aber bei so 2 Artists hatte ich bedeutend mehr erwartet