laut.de-Kritik

Die Hamburger mischen dem Punk verspielten Pop unter.

Review von

"Wir machen uns jetzt selbst – ich kassier und du zählst!", proll-rappte die Kölner Crew Äi-Team in meinem Schulweg-Walkman während der neunten Klasse. Damals kannte ich zwar die Begriffe Indie und Major, verstand aber nicht wirklich was dahinter steckte. Cool war ich jedenfalls auch so. Ob das Äi-Team ein eigenes Label hat(te), weiß ich nicht und um ehrlich zu sein ist es mir auch egal – heute liegt das Tape irgendwo zwischen Jugendsünden wie der ersten Bloodhound Gang oder Onyx. Nicht egal ist es aber, dass fünf Hamburger lieber ihre Platte selbst an den Mann bringen, als von den Großen innerhalb eines halben Jahres restlos verscheuert zu werden.

In aller Munde zu sein ohne je etwas im Plattenladen stehen zu haben ist für eine Selbstveröffentlichung sicherlich kein schlechter Ausgangspunkt. Zu groß sind die Namen But Alive und Rantanplan, von denen zwei Ex-Mitglieder hier mit drei neuen Kollegen wieder werkeln und keinen Hehl aus ihren alten Anstellungen machen. Kettcar klingen wie die Weiterführung der letzen But-Alive-Platte und drücken dabei den Punk noch etwas weiter in die Ecke um dem Pop mehr Platz im Zimmer zu lassen. Kein Wunder: der Mann hinter beiden Alben ist Metapher-König Marcus Wiebusch, der auch in neuer Konstellation gekonnt eine der besten deutschen Texte beisteuert, die je geschrieben wurden. Was er damit sagen will, versteht man zwar immer nur zum Teil, aber vielleicht ist es genau das, was den Reiz ausmacht. Wie bei den Label-Mates Tomte taucht im Wirr-Warr zwischendurch immer noch der eine Satz auf, der alles sagt, was gesagt werden muss, und über den Tag retten kann.

Was als einzelner Download des öfteren irgendwie verloren zwischen den anderen Dateien herum stolperte, findet in diesen elf Songs seinen unanfechtbaren Platz. Da kann man auch beim kleinen Deutsch-Rock-Einschlag ein Auge zudrücken, so lange dabei noch kommende Breitwand-Hymnen wie "Landungsbrücken Raus" oder "Money Left To Burn" rausspringen. Kettcar bringen Punk den verspielten Pop bei. Mit Orgel, Elektronik und ähnlichem Kram schreiben sie keine Hits, die man mal eben in Winamp anklicken kann. Das muss alles im Großen und Ganzen aufgenommen werden. Also bitte: "Ein allerletztes Mal Vernunft" zeigen und mit dem Kauf dieser Platte den dicken Majors den Finger hinstrecken. Danke. Bereuen ausgeschlossen.

Trackliste

  1. 1. Volle Distanz
  2. 2. Ausgetrunken
  3. 3. Money Left To Burn
  4. 4. Wäre Er Echt
  5. 5. Landungsbrücken Raus
  6. 6. Balkon Gegenüber
  7. 7. Jenseits Der Bikinilinie
  8. 8. Lattenmessen
  9. 9. Im Taxi Weinen
  10. 10. Hier Sein
  11. 11. Ich Danke Der Academy

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18 Kommentare

  • Vor 22 Jahren

    Ein wunderbares Album meiner bescheidenen Meinung nach. Wunderschöne und intelligente Texte, die mit der Musik zusammen eine grandiose melancholische atmosphäre aufbauen. Großstadtromantik eben.....;)

    Meiner meinung nach ein wahres Juwel. Sollte man gehört haben.

    Was haltet ihr davon?

  • Vor 22 Jahren

    ein großer anfang für ein bald hoffentlich etabliertes label. hab neue tomte songs schon live gehört. bei titeln wie "von gott verbrüht" geht mir jetzt schon einer ab, obwohl der uhlmann mit seiner omnipräsenz tierrisch auf die nerven geht. aber wir sollte zuerst kettcar über jeden berg loben...

  • Vor 22 Jahren

    Ich hatte früher auch ein Kettcar. Und so circa fünf andere in unserer Straße auch. Schön zu hören, daß es diese tollen Fahrzeuge immer noch gibt. Und jetzt anscheinend auch noch Musik mit eingebaut ist.